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Gesundheit

Schadenersatz für Kind in Erwachsenenpsychiatrie

Kinder in der Erwachsenenpsychiatrie – das war in Österreich jahrelang übliche Praxis. Ein Gericht entschied kürzlich, dass die Republik dafür Schadenersatz zahlen muss: konkret einem Mädchen, das mit 13 im Otto-Wagner-Spital untergebracht war.

Mittlerweile komme das nicht mehr vor, sagen Experten, aber die Situation sei nach wie vor katastrophal. Drei Tage lang war das Mädchen im Oktober 2014 auf der Erwachsenenpsychiatrie untergebracht, 2.200 Euro muss die Republik der jungen Patientin nun dafür zahlen, berichtete Patientenanwalt Bernhard Rappert vom Verein Vertretungsnetz am Freitag im Ö1-Morgenjournal.

„Grundsätzlich hat dieses Urteil eine sehr große Bedeutung, weil Gerichte damit anerkannt haben, dass Kinder nicht nur ein Recht darauf haben, auf einer Spezialstation für Kinder aufgenommen zu werden, sondern dass bei Verletzung dieses Rechtes auch ein Schadenersatz besteht“, so Rappert – Audio dazu in oe1.ORF.at.

„Nicht weit von einem Zusammenbruch“

Viel verbessert hat sich die Versorgung laut dem Experten seither allerdings nicht. In Wien gibt es 20 Betten mehr, aber 80 weitere wären dringend noch nötig, so Rappert. Aus seiner Sicht stehe die Kinder- und Jugendpsychiatrie in Wien „nicht weit von einem Zusammenbruch, weil das Personal hier nicht anständig arbeiten kann“.

Und deshalb gebe es kaum Bewerberinnen und Bewerber, die Arbeit sei unter diesen Umständen alles andere als attraktiv. Ohne Fachkräfte könne man aber keine Stationen eröffnen. Rappert nennt als Negativbeispiel das KH Nord: Hier sei noch kein einziges Bett eröffnet worden. Denn es gebe keine Bewerber und Bewerberinnen für ausgeschrieben Dienstposten, so Rappert.

Starke Unterschiede in den Bundesländern

Wenn es zu wenig geschultes Personal auf den Stationen gibt, eskalieren Gewaltsituationen oft, warnte Rappert. Die Versorgung liege im Argen, bekräftigte auch Charlotte Hartl, Obfrau der Fachgruppe in der Ärztekammer: „Insgesamt kann man sagen, dass wir in der Basisversorgung ungefähr die Hälfte der Betten bundesweit haben, was die Kassenstellen betrifft, liegen wir ungefähr bei einem Viertel.“

Die Situation sei je nach Bundesland aber sehr unterschiedlich. In Wien fehlen viele Fachärztinnen und -ärzte, in der Steiermark und im Burgenland gibt es keinen einzigen Arzt mit Kassenvertrag. Vorzeigebeispiel sei Vorarlberg, so Hartl. Alle vier Kassenstellen seien hier besetzt und es gebe ausreichend Betten und Personal. „Das heißt, es geht auch um den Willen aller Kräfte, die zusammewirken, um hier in dieser Richtung etwas zu bewirken.“

„Loch-auf-Loch-zu-Politik“ in Wien

In Wien hingegen gebe es eine „Loch auf-Loch zu-Politik“, kritisierte Rappert. „Diese Betten, die spontan zur Verfügung gestellt wurden, die haben ja zuvor auch schon bestanden und zwar in einer Station, die für Patienten aus dem 16. Bezirk zuständig war“, so Rappert. Die betroffenen werden laut Rappert derzeit auf verschiedene Krankenhäuser aufgeteilt „und sind dadurch definitiv schlechter versorgt“.

Die Kinder- und Jugendpsychiatrie werde laufend ausgebaut, hieß es vom Krankenanstaltenverbund (KAV) in Wien. Bald werde es auch im KH Nord Betten geben. Aber es gebe in ganz Österreich zu wenige Kinder- und Jugendpsychiater, wird eingeräumt.