Ex-Judoka Peter Seisenbacher vor Prozessbeginn
APA / Herbert Neubauer
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Chronik

Seisenbacher: „Opfer einer Verschwörung“

Der zweifache Judo-Olympiasieger Peter Seisenbacher hat in seinem Prozess wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen die gegen ihn gerichteten Vorwürfe zurückgewiesen: „Ich bin nicht schuldig.“

Auf die Frage, wie er sich die Anschuldigungen seiner drei ehemaligen Schützlinge erkläre, erwiderte der Angeklagte am Wiener Landesgericht: „Ich habe keine Erklärung.“ Allerdings habe er „Vermutungen“, fügte Seisenbacher hinzu. Diesbezüglich werde sich sein Verteidiger Bernhard Lehofer im Verlauf des Verfahrens noch äußern: „Dazu habe ich einen Anwalt.“

„Bin von seiner Unschuld überzeugt“

Lehofer zeigte sich in seinem Eröffnungsvortrag von der Schuldlosigkeit seines Mandanten überzeugt. Er kenne Seisenbacher seit mehr als 40 Jahren: „Ich war und bin von seiner Unschuld überzeugt. Niemand, der ihn kennt, traut ihm das zu.“ Seisenbacher habe „mit den stärksten Männern der Welt gekämpft“, betonte Lehofer: „Es hat ihm in keinster Weise an Frauen gemangelt. Er passt in keinster Weise in das Schema derer rein, die sich an Kindern vergreifen.“

Abgesehen von den drei Personen, die von der Staatsanwaltschaft als Opfer strafbarer Handlungen geführt werden, gebe es „niemanden, der den Herrn Seisenbacher belastet“, erklärte Lehofer. „Es ist nix passiert. Niemand ist angegriffen worden. Nichts ist aufgefallen“, bekräftigte der Verteidiger.

Seisenbacher spricht von Verschwörung

Seisenbacher bezeichnete sich in seiner Beschuldigteneinvernahme als Opfer einer Verschwörung. Drei ehemalige Schützlinge hätten sich gegen ihn verabredet: „Davon bin ich überzeugt.“

Erstmals soll Peter Seisenbacher auf der Hochzeit seiner Tochter auf den Vorwurf des sexuellen Missbrauchs angesprochen worden sein, und zwar von einem seiner besten und längsten Freunde. Diesem Freund gegenüber soll Seisenbacher eingeräumt haben, mit einem Mädchen sei „etwas gewesen“, aber „es“ sei „im gesetzlichen Alter“ und daher „erlaubt“ gewesen.

Seisenbacher bekennt sich „nicht schuldig“

Zum Prozessauftakt hat sich Judo-Doppelolympiasieger Peter Seisenbacher am Montag für „nicht schuldig“ bekannt.

Seisenbacher wies diese Angaben des Freundes, die dieser im Rahmen einer polizeilichen Zeugenbefragung unter Wahrheitspflicht getätigt hatte, zurück: „Er irrt sich. Er hat gemeint, dass er das gehört hat. Ich habe es nicht gesagt.“ Seisenbacher bekräftigte jedoch, dass es sich um einen seiner besten Freunde handle: „Er hat mich in der Ukraine besucht.“

Staatsanwältin: „Er war ihr Idol“

Staatsanwältin Ursula Schrall-Kropiunig hatte keine Zweifel an der Richtigkeit der Angaben der drei Betroffenen, an denen sich Peter Seisenbacher vergangen haben soll. Es komme immer wieder vor, dass man erst Jahre nach erlebtem sexuellem Missbrauch das Schweigen breche.

Im konkreten Fall sei mit Seisenbacher ein zweifacher Olympiasieger Trainer der Nachwuchskämpferinnen gewesen. „Er war ihr Idol. Sie haben ihn sicher verehrt“, gab Schrall-Kropiunig zu bedenken. Seisenbacher habe „ein besonderes Geschick im Umgang mit Kindern“ gehabt, während die Betroffenen zu Hause familiäre Schwierigkeiten bewältigen mussten. „Sie hatten daheim Probleme. Offenbar haben sie im Angeklagten einen Vaterersatz gesehen, weil ihre eigenen Väter nicht in dem Ausmaß zur Verfügung gestanden sind, wie sie es sich gewünscht hätten“, legte die Staatsanwältin dar.

Prozess mit drei Jahren Verspätung

Der Doppelolympiasieger soll nach seiner aktiven Karriere als Trainer in einem Wiener Judo-Verein mehrere Minderjährige missbraucht haben. Seisenbacher schwieg bisher zu den Vorwürfen. Er hätte sich bereits am 19. Dezember 2016 vor Gericht verantworten sollen. Doch der damals auf freiem Fuß befindliche Angeklagte kam nicht zur Verhandlung.

Er tauchte ab und setzte sich zuerst nach Georgien und dann in die Ukraine ab. Zivilfahnder des Bundeskriminalamts spürten ihn dort im August 2017 auf. Seisenbacher wurde aber wenige Wochen später aus der Auslieferungshaft in Kiew entlassen, angeblich weil nach ukrainischem Recht die Vorwürfe gegen ihn verjährt waren.

Erstmals erläuterte nun sein Verteidiger Bernhard Lehofer im Großen Schwurgerichtssaal öffentlich die Motive dieser Flucht. Es habe sich um eine „Kurzschlussreaktion“ gehandelt. Demnach war dafür ausschlaggebend, dass Seisenbacher kurz nach dem geplanten Verhandlungsbeginn Vater wurde und eine mediale Vorverurteilung stattgefunden hätte, wie Lehofer darlegte. Weiters habe Seisenbacher „den Eindruck gehabt, dass er beim Gericht den Malus eines Prominenten hat“.

Seit September in Untersuchungshaft

Als er aber zuletzt aufgrund einer geänderten Gesetzeslage fürchten musste, doch ausgeliefert zu werden, versuchte Seisenbacher im vergangenen September die Ukraine zu verlassen. Dabei wurde er gefasst und rasch nach Wien überstellt. Hier befindet sich der heute 59-Jährige seit 14. September in der Justizanstalt Josefstadt in Untersuchungshaft.

Ex-Judoka Peter Seisenbacher (M) und Anwalt Bernhard Lehofer vor Prozessbeginn
APA / Herbert Neubauer
Ex-Judoka Peter Seisenbacher und Anwalt Bernhard Lehofer am Montag vor Prozessbeginn

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Die Anklage beruht auf den Aussagen mehrerer Frauen, die ihren Ex-Trainer angezeigt hatten. Demnach soll Seisenbacher eine Neunjährige 1997 erstmals bedrängt haben. Ab 1999 soll es zu geschlechtlichen Handlungen gekommen sein.

Peter Seisenbacher vor Gericht

Seisenbacher muss sich wegen Missbrauch an Minderjährigen verantworten.

Die Schülerin soll bis zu ihrem 15. Lebensjahr missbraucht worden sein. Ab Sommer 2004 soll der Ex-Judoka ein weiteres, damals 13 Jahre altes Mädchen bedrängt haben, das er ebenfalls als Trainer in der Kindergruppe in seinem Judo-Verein kennengelernt hatte. Auch mit diesem Mädchen kam es laut Staatsanwältin Ursula Schrall-Kropiunig zu sexuellen Handlungen.

Urteil Anfang Dezember möglich

Zuvor soll Seisenbacher auf einem Judo-Sommerlager im August 2001 versucht haben, einem weiteren Mädchen näherzukommen. Die 16-Jährige wehrte ihn ihrer Darstellung zufolge aber ab. In der Anklage ist von schwerem sexuellen Missbrauch von Unmündigen und versuchtem Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses die Rede.

Die mutmaßlichen Opfer des früheren Sportidols sind inzwischen erwachsen und im Berufsleben verankert. Sie sollen zu ihrem Schutz unter Ausschluss der Öffentlichkeit aussagen. Das Urteil könnte am 2. Dezember fallen. Strafrechtlich hat Seisenbachers Flucht keine Auswirkung. Sie ist im Falle einer Verurteilung kein Erschwernisgrund. Im Falle eines Schuldspruches drohen Seisenbacher ein bis zehn Jahre Haft.