Besucher des Islamischen Zentrums Wien
APA/Herbert Neubauer
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Religion

Junge Afghanen wollen religiösen Führer

Eine neue Studie unter muslimischen Jugendlichen zeigt, dass für die Hälfte der Afghanen die Regeln des Islam über den Gesetzen Österreichs stehen. Viele wünschen sich einen religiösen Führer. Je länger sie in Österreich leben, desto größer wird aber die Zustimmung zur Demokratie.

Religion spielt laut der Studie des Österreichischen Integrationsfonds im Leben von jungen Musliminnen und Muslimen eine größere Rolle als bei anderen Jugendlichen. Am stärksten orientieren sich junge Afghanen am Islam (72 Prozent) sowie jene aus Syrien und Tschetschenien (je 69 Prozent). Für mehr als die Hälfte der befragten Afghanen stehen die islamischen Regeln über den österreichischen Gesetzen. 47 Prozent wollen einen religösen Gelehrten an der Spitze des Staates sehen.

Strenge Rollenbilder in Familien

Die Studie wurde vom Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) in Auftrag gegeben. Die Forschungsinstitute think.difference und SORA unter der Leitung des Soziologen Kenan Güngör befragten mehr als 700 Jugendliche mit afghanischem, syrischem, tschetschenischem, kurdischem, türkischem und bosnischem Migrationshintergrund sowie ohne Migrationshintergrund in Wien.

Kenan Güngör
ORF
Studienautor Güngör empfiehlt, bei den Eltern anzusetzen

Die Ergebnisse der Befragung zeigen, dass die familiäre Sozialisierung und das soziale Umfeld genauso wie die aktuelle psychische Verfassung und starke Orientierung am Islam Einfluss auf demokratieablehnende sowie abwertende Grundhaltungen haben. Jugendliche mit afghanischem, syrischem und tschetschenischem Migrationshintergrund kommen häufiger aus Familien, die an strengen Rollenbildern und Regeln ausgerichtet sowie von festen Traditionen geprägt sind.

Arbeit mit Eltern forcieren

Arbeit mit den Eltern müsse forciert werden, sagt Studienautor Güngör: „Das muss uns ein Hebel sein, denn die Jugendlichen können nichts dafür, in welcher Familie sie auf die Welt gekommen sind. Wir müssen intensiv mit den Eltern arbeiten. Das ist – integrationspolitisch gesprochen – der Bereich, wo wir am schlechtesten aufgestellt sind.“

Auch autoritäre Prägungen aus dem Herkunftsland der Eltern haben indirekten Einfluss auf die Einstellungen der Jugendlichen. Wenn Religion eine übergeordnete Rolle spielt, ist auch die Einstellung zu Demokratie negativer. Mit zunehmender Aufenthaltsdauer sinken jedoch antidemokratische und abwertende Grundhaltungen.

Hohe Zustimmung zu Demokratie

„Deswegen sind auch bei Gruppen, die erst spät nach Österreich gekommen sind, wie bei den Syrern, den Afghanen, teilweise auch bei den Tschetschenen, diese Werte nicht so hoch“, erklärte Güngör. Demokratie habe man nicht in den Genen, das müsse real erlebt werden.

Aber, sagt Martina Zandonella vom Institut SORA, „dann sehen wir, dass die Zustimmung zur Demokratie insgesamt hoch ist.“ Bosnische Jugendliche zeigten eine hundertprozentige Zustimmung zur Demokratie, bei Afghanen ist der Wert mit 75 Prozent am geringsten. Dass sich trotzdem so viele einen Autokraten wünschen, hat mit sogenannten Mehrfachidentitäten zu tun, so Zandonella. Das sei nichts Ungewöhnliches.