Peter Seisenbacher vor Gericht
APA / Helmut Fohringer
APA / Helmut Fohringer
Gericht

Fünf Jahre Haft für Peter Seisenbacher

Der zweifache Judo-Olympiasieger Peter Seisenbacher ist am Montag zu fünf Jahren Haft verurteilt worden. Ihm wird vorgeworfen, unmündige Mädchen sexuell missbraucht zu haben. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Seisenbacher wurde wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen und Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses zu einer fünfjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Er wurde in vollem Umfang der Anklage schuldig erkannt.

Seisenbacher zeigte bei der Urteilsverkündung keine emotionale Reaktion. Einige seiner Anhänger aus Judo-Kreisen wirkten entsetzt. Der vorsitzende Richter meinte zu Beginn seiner Urteilsbegründung, sämtliche Belastungszeuginnen hätten einen „außerordentlich glaubwürdigen“ Eindruck gemacht: „Wir haben nicht den Eindruck gehabt, dass die drei lügen, dass die drei sich geirrt haben, dass die drei sich gegen Sie verschworen haben.“

Urteil nicht rechtskräftig

Bei einem Strafrahmen von bis zu zehn Jahren erschien dem Gericht eine fünfjährige Freiheitsstrafe tat- und schuldangemessen. Mildernd waren Peter Seisenbachers bisherige Unbescholtenheit, der lange zurückliegende Deliktszeitraum und dass seit rund 15 Jahren keine weiteren strafbaren Handlungen des Judo-Olympiasiegers von 1984 und 1988 bekannt geworden sind.

Andrea Kandioler (ORF) vom Seisenbacher-Prozess

ORF-Reporterin Andrea Kandioler berichtet vom Prozess gegen Judo-Olympiasieger Peter Seisenbacher.

Erschwerend wertete der Senat demgegenüber das Zusammentreffen mehrerer Verbrechen und Vergehen, dass es mehrere Opfer gegeben hat und den langen Deliktszeitraum. Das erste Mädchen, an dem sich Seisenbacher laut erstinstanzlichem Urteil vergriffen hat, war neun Jahre alt, als er die ersten Missbrauchshandlungen setzte. Diese dauerten mehrere Jahre an.

Auf die Frage, ob er das Urteil verstanden habe, nickte der gefasst wirkende Seisenbacher kurz. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, der Verteidiger erbat Bedenkzeit. Die Staatsanwältin gab vorerst keine Erklärung ab.

Peter Seisenbacher vor Gericht
APA / Helmut Fohringer
Seisenbacher am Montag am Straflandesgericht Wien

Seisenbacher bestritt Vorwürfe

„Haben Sie das Gefühl gehabt, dass sie gelogen haben?“, sprach der Richter den Angeklagten direkt zu Prozessbeginn auf die beiden Hauptbelastungszeuginnen an, die am vergangenen Montag unter Ausschluss der Öffentlichkeit ausgesagt hatten und dabei ihre bisherigen Angaben aufrechterhalten haben sollen.

Laut Anklage soll sich Seisenbacher an den beiden damals Unmündigen als ihr Trainer vergangen haben. „Sie sagen die Unwahrheit“, insistierte Seisenbacher. In Bezug auf jene ehemalige Schülerin, die er der Anklage zufolge mehrere Dutzende Male missbraucht haben soll, erklärte der 59-Jährige, es sei „sicherlich ein Teilaspekt“ der gegen ihn erhobenen Anschuldigungen, dass er sie bei einem Studien-Aufenthalt in Japan nicht unterstützt habe. Er glaube daher beweisen zu können, „dass sie hier ein Märchen erzählt hat“.

„Ich wusste, da passiert etwas“

Die langjährige Lebensgefährtin Seisenbachers erklärte im Anschluss im Zeugenstand, der Olympiasieger habe zu den beiden Schützlingen „ein ganz normales freundschaftliches Trainer-Schüler-Verhältnis“ gehabt. Was Berührungen betrifft, sei ihr nichts aufgefallen: „Wenn ich nur ansatzweise ein komisches Gefühl gehabt hätte, dass da etwas mit Mädchen ist, dann hätte ich sicher keine Beziehung mit ihm geführt.“ Die beiden Mädchen hätten hin und wieder auf ihre Kinder aus einer vorangegangenen Beziehung aufgepasst.

Vernommen wurde auch ein Mann, der seinerzeit in Seisenbachers Judo-Verein trainiert und an Wochenenden an Trainingslagern teilgenommen hatte. „Es gab komische Situationen, wo ich mich sehr unwohl gefühlt habe“, schilderte der mittlerweile 29-Jährige. Bei einer Gelegenheit habe er in der Nacht im Matratzenlager in Seisenbachers Schlafsack „eindeutige Bewegungen wahrgenommen, die ich sehr komisch gefunden habe als kleines Kind“. Er sei damals acht oder neun Jahre alt gewesen. Die Bewegungen beschrieb der Zeuge als „ruckartig“ und „schaukelig“: „Ich wusste, da passiert etwas.“ Im Schlafsack hätte sich eine zweite Person befunden, nahm der 29-Jährige an.

Detaillierte Befragung ohne Öffentlichkeit

Bei einer anderen Gelegenheit habe er beim Übernachten in einem Trainingslager eine der laut Staatsanwaltschaft von sexuellen Übergriffen Betroffene halbnackt am Rücken neben ihrem Schlafsack liegend wahrgenommen: „Sie war wie eingefroren.“ Seisenbacher habe sich über das Mädchen gebeugt. Ihm sei klar gewesen, „dass mir das kein Mensch glauben wird. Ich war immer der Träumer, der Fantasierer“, gab der Zeuge an.

Vor der Einvernahme einer Frau, die als 16-Jährige einen sexuell konnotierten Annäherungsversuch Seisenbachers während eines Judo-Sommerlagers im August 2001 abgewehrt haben soll, und der detaillierten Befragung einer weiteren Zeugin, die als ebenfalls 16-Jährige mit Seisenbacher eine einvernehmliche sexuelle Beziehung unterhalten hatte, wurde die Öffentlichkeit ausgeschlossen.

Zusätzliche Beweisanträge abgewiesen

Der Schöffensenat wies sämtliche zusätzlichen Beweisanträge des Verteidigers ab. Der Anwalt hatte unter anderem die zeugenschaftliche Befragung mehrerer ehemaliger Schüler Seisenbachers sowie von drei Ex-Trainern in Seisenbachers früherem Judo-Verein verlangt, um damit zu beweisen, dass die inkriminierten Missbrauchshandlungen nicht stattgefunden hatten. Für den Senat hatten die Beweisanträge keine Relevanz.

Anklägerin für „unbedingte Freiheitsstrafe“

„Die Beweislage reicht aus, um den Angeklagten im Sinn der Anklage schuldig zu sprechen“, sagte die Staatsanwältin in ihrem Schlusswort. Den vom Angeklagten behaupteten „Promi-Malus“ gebe es nicht: „Für ihn gelten die gleichen Regeln wie für alle anderen.“

Daher wäre in diesem Fall die für schweren sexuellen Missbrauch von Unmündigen gesetzlich vorgesehene Höchststrafe von zehn Jahren „nicht vertretbar“, hielt die Staatsanwältin fest. Seisenbacher sei bisher unbescholten und habe dem Ermittlungsstand zufolge seit über 15 Jahren auch keine strafbaren Handlungen gesetzt. Allerdings habe dieser zwei unmündige Mädchen missbraucht, eines davon über mehrere Jahre.

Die Staatsanwältin sprach sich daher für eine „naturgemäß unbedingte Freiheitsstrafe“ aus, was eine Haftstrafe von mehr als drei Jahren voraussetzen würde. Nur in diesem Fall wäre eine gänzliche oder teilweise bedingte Strafnachsicht gesetzlich ausgeschlossen.

Verteidiger verlangte Freispruch

Der Verteidiger verlangte dagegen einen Freispruch. Seisenbacher sei nicht „der böse Narzisst, der Mephisto“. „Ich und viele, viele andere Leute sind von seiner Unschuld überzeugt“, betonte der Verteidiger. Er zählte „Risikofaktoren“ auf, die er den Belastungszeuginnen unterstellte.

Diese könnten aus Eifersucht, aufgrund schwerer Enttäuschungen oder psychischer Probleme die Unwahrheit gesagt haben, mutmaßte der Anwalt: „Ihre Angaben sind nicht derart valide, dass man einen unbescholtenen Mann verurteilten könnte.“ Demgegenüber ortete der Verteidiger „ausreichend Argumente, um den Ausführungen des Herrn Seisenbacher Glauben zu schenken.“ Seisenbacher selbst verzichtete auf ein Schlusswort.

Prozess mit drei Jahren Verspätung

Der Doppelolympiasieger hätte sich bereits am 19. Dezember 2016 vor Gericht verantworten sollen. Doch der damals auf freiem Fuß befindliche Angeklagte kam nicht zur Verhandlung. Er tauchte ab und setzte sich zuerst nach Georgien und dann in die Ukraine ab. Zivilfahnder des Bundeskriminalamts spürten ihn dort im August 2017 auf.