Ballettschülerinnen machen am Donnerstag in einer Ballettschule Tanzübungen.
APA/DPA/Friso Gentsch
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Chronik

Kritischer Bericht der Ballettkommission

Ein verheerendes Bild zeichnet die Sonderkommission zur Klärung der Vorwürfe rund um die Ballettakademie der Staatsoper in ihrem am Dienstag veröffentlichen Abschlussbericht. Minister Alexander Schallenberg sieht dringenden Handlungsbedarf.

Mangelnde Strukturen in Bezug auf die Verantwortlichkeiten, unzureichende medizinisch-therapeutische Versorgung der Ballettschüler und fehlendes Problembewusstsein in Bezug auf Kinderschutz und Kindeswohl: Das sind die herausragendsten Missstände, die in dem Bericht aufgezeigt werden. So sieht die Kommission etwa Kinderwohl gefährdet durch „die unzureichend kontrollierte Gesamtbelastung der jungen Tänzer und Tänzerinnen, die sich aus Training, Proben, Auftritten, Wettbewerben und dem Schulbesuch ergeben. Erschwerend kommt das Fehlen einer weisungsfreien Kinderschutzbeauftragten hinzu.“

„Nachvollziehbares Gesamtkonzept“ fehlt

Die Kommission verwies auf bereits getroffene Maßnahmen zur Verbesserung, hielt aber fest, dass die „Vorgehensweise wie auch die Inhalte der getroffenen Maßnahmen bei der Kommission den Eindruck (hinterlassen, Anm.), dass die Motivation dieser Änderungen nicht primär dem Wohl der Kinder und Jugendlichen gilt“. Es fehle nach wie vor an einem nachvollziebaren Gesamtkonzept. Die grundsätzliche Empfehlung der Kommission richte sich daher „darauf, eine Strategie für eine zeitgemäße (klassische) Ballettausbildung auf höchstem Niveau unter Berücksichtigung der Bedürfnisse der potenziellen SchülerInnen und der (schul)rechtlichen österreichischen Rahmenbedingungen zu entwickeln“.

Ballettschüler beim Training
ORF
Die Bilder auf und hinter der Bühne sollen grundsätzlich sehr verschieden gewesen sein

Schallenberg: „Dringender Handlungsbedarf“

Kunst- und Kulturminister Alexander Schallenberg sieht nach der Veröffentlichung des Endberichts der Sonderkommission zur Ballettakademie „dringenden Handlungsbedarf“. Die Aufarbeitung der erschütternden Zustände die Ballettakademie betreffend durch eine unabhängige Expertenkommission habe sich als richtig und unerlässlich erwiesen. Die nun präsentierten Erkenntnisse und Empfehlungen der Sonderkommission würden „klare Handlungsfelder“ aufzeigen, „die es ehestmöglich und ohne Kompromisse aufzuarbeiten gilt“, so der Minister. Die verantwortliche Leitungsebene der Staatsoper müsse sich „der Ernsthaftigkeit und Tragweite der Thematik voll bewusst werden“. Darum werde der Minister noch vor Weihnachten Gespräche mit den handelnden Personen führen.

Staatsoper reduzierte Zahl der Auftritte

Die Wiener Staatsoper betonte in ihrer Reaktion, dass in den vergangenen Monaten bereits Maßnahmen zur Verbesserung getroffen worden seien. So sei etwa die Zahl der Auftritte der Schüler reduziert worden. Dabei werde nun mehr auf den Ausbildungsstand und die Einzelbelastung geachtet. Die Staatsoper verwies darauf, nicht von dem Bericht informiert worden zu sein. Man werde der Kommission nach „sorgfältiger Durchsicht“ eine fundierte Stellungnahme vorlegen. Man gehe davon aus, „dass dabei auch einige nicht mehr dem aktuellen Status entsprechende oder missverständliche Inhalte des Berichts richtiggestellt werden können“.

Kritischer Bericht der Ballettkommission

Ein verheerendes Bild zeichnet die Sonderkommission zur Klärung der Vorwürfe rund um die Ballettakademie der Staatsoper in ihrem am Dienstag veröffentlichen Abschlussbericht.

Mehr Hilfe für Geist und Körper

In der Antwort von Kulturminister Alexander Schallenberg auf eine parlamentarische Anfrage hieß es, die Ballettakademie habe Maßnahmen bereits umgesetzt bzw. in die Wege geleitet. Dazu zählt etwa die Beiziehung der Kinderschutzorganisation Die Möwe, die Psychologen zur Begleitung bei den Aufarbeitungsprozessen bereitgestellt hat. Eine neue Koordinationssstelle in der Staatsoper analysiert „die Ist-Situation“ und „begleitet die Umsetzung und Ausarbeitung von Maßnahmen, koordiniert die Zusammenarbeit mit den externen Institutionen und hat im Auftrag der Geschäftsführung der Wiener Staatsoper eine allgemeine Kontrollfunktion übernommen“.

Darüber hinaus wurde mit dem Schuljahr 2019/20 ein Verhaltenskodex nahe dem Vorbild des Kompetenzzentrums 100% Sport eingeführt, in dem „die Grundsätze hinsichtlich des richtigen Umganges mit den Schülerinnen und Schülern der Ballettakademie festgelegt“ wurden. Dieser werde allen Mitarbeitern der Ballettakademie zur Kenntnis gebracht und von allen unterzeichnet.

Zum Thema Gesundheit wurde mit der Organisation Leistungssport Austria und den in der Ballettakademie tätigen Psychologinnen das neue Unterrichtsfach „Gesundheitsprogramm“ eingeführt, das die Bereiche Ernährungslehre, Athletik/Verletzungsprophylaxe/Leistung/Training, Sportpsychologie und Body Awareness abdecke. Zudem werden den Schülern auf Leistungssportler abgestimmte physiotherapeutische Behandlung und Massagen angeboten. Für das Schuljahr 2019/2020 wurde ein Pilotprojekt entwickelt, „das eine umfassende medizinische Untersuchung aller Schülerinnen und Schüler vorsieht, inklusive Physiocheck, Anthropometrie, Ernährung und psychologische Testung“.

Demütigungen, Drill und Gewalt

Die Kommission war im April vom damaligen Kulturminister Gernot Blümel (ÖVP) eingesetzt worden. Zuvor waren schwere Vorwürfe gegen die Ballettakademie erhoben worden. Vornehmlich durch eine mittlerweile entlassene Ballettlehrerin seien die Schüler dort teils gedemütigt worden, Gewalt und Drill sowie einem ungesunden Körperbild ausgesetzt gewesen. Auch der Vorwurf eines sexuellen Übergriffs durch einen Lehrer stand im Raum. Insgesamt hat die Kommission 16-mal getagt und mit 24 Auskunftspersonen gesprochen. Bei der eingerichteten Clearing-Stelle hätten sich 43 Personen gemeldet, wobei 20 Personen an beratende Stellen weitervermittelt wurden.