Soziales

Kindesabnahmen nicht immer nötig

Mehr als 13.000 Kinder und Jugendliche wachsen in Österreich nicht bei ihren Eltern auf, 4.000 davon alleine in Wien. Laut SOS Kinderdorf könnten viele Kindesabnahmen verhindert werden. Dazu brauchte es aber mehr Unterstützung für überforderte Eltern.

Mehr als 13.000 sei eine untragbar hohe Zahl an Kindern, die nicht bei ihren Eltern groß werden können, sagt Clemens Klingan, der Geschäftsleiter von SOS Kinderdorf: „Wie wir auch aus den Berichten der Gefährdungsabklärungen wissen, zum Beispiel aus Wien, passiert der Großteil der Kindesabnahmen nicht wegen Gewalt, nicht wegen sexueller Übergriffe, sondern wegen Überforderung der Eltern, wegen Vernachlässigung der Kinder“, sagte er im Ö1-Morgenjournal.

Betreuung der Eltern wichtig

Die Wiener Kinder- und Jugendanwältin Dunja Gharwal sprach von sehr orientierungslosen Eltern: „Was ich damit meine, ist, dass ihre alltägliche Belastung so groß ist, sie das tägliche Überleben sichern müssen. Sie schaffen es dann oft nicht mehr, ihren Kindern Grundkompetenzen mitzugeben.“ Man müsse intensiv mit den Eltern arbeiten und die Betreuung müsse regelmäßig stattfinden: „Eine Betreuung von Eltern, die alle heiligen Zeiten stattfindet, ist sinnlos. Da werden wir nie vertrauensgewinnend voranschreiten können.“

In Wien hat SOS Kinderdorf ein eigenes Team aus Pädagoginnen, Psychologen und Therapeuten, das Elternarbeit leistet. Außerdem gibt es das sogenannte Eltern-Kind oder Mutter-Kind-Wohnen: „Wo man die Familie 18 bis 24 Monate betreut.“ Dabei geht es darum, mit den Eltern scheinbar triviale Dinge zu üben: Kochen, die Strukturierung des Tages. Etwa, dass die Eltern in der Früh rechtzeitig aufstehen, damit die Kinder rechtzeitig im Kindergarten oder in der Schule sind. „Es gibt da fantastische Erfolgsquoten. Mehr als zwei Drittel der Familien können dann zusammenbleiben“, sagte Klingan.

Vierzig Prozent kommen zu Eltern zurück

Es sei auch wichtig, mit Eltern zu arbeiten, deren Kinder in einer Wohngruppe untergebracht sind. Das habe eine Studie von SOS Kinderdorf aus dem Jahr 2018 gezeigt, berichtete Klingan: „Vier von zehn Kindern, die einmal in Fremdbetreuung waren, kehren wieder in die Familie zurück – entweder in der Kindheit oder als junge Erwachsene. Das bedeutet, dass wir an den Kompetenzen der Eltern arbeiten müssen, weil das Kind in immerhin vierzig Prozent der Fälle wieder zu den Eltern zurückkommt.“

Bei zwei Dritteln aller Kinder, die fremd untergebracht sind, sieht SOS Kinderdorf das Potenzial, dass ihre Eltern sich wieder um sie kümmern könnten. Für eine angemessene Elternarbeit, mit ein bis zwei Kontakten pro Woche, wären Investitionen von rund 25 Millionen Euro jährlich nötig, so Klingan. Angesichts der hohen Kosten, die entstehen, wenn Kinder jahrelang in betreuten WGs leben, sei das eine gute Investition. Außerdem werde man damit dem fundamentalen Recht jedes Kindes auf seine Eltern gerecht.