Die Fotografie von Stefan Moses zeigt Hundertwasser in seinem Arbeitszimmer in der „Hahnsäge“
© fotografie stefan moses
Namida AG, Glarus/Kunst Haus Wien
Kultur

Hundertwasser und Schiele in einer Schau

Friedensreich Hundertwasser ist vor 20 Jahren verstorben. Das Leopold Museum widmet dem Künstler und Architekten mit „Hundertwasser – Schiele“ eine große Schau. Im Kunst Haus Wien führt Hundertwassers persönlicher Assistent durch die Ausstellung.

Friedensreich Hundertwasser wurde als Friedrich Stowasser am 15. Dezember 1928 in Wien geboren. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs, den er gemeinsam mit seiner jüdischen Mutter unter schwierigsten Bedingungen überstand, begann er 1948 ein Studium an der Wiener Akademie der bildenden Künste, das er jedoch bereits nach drei Monaten wieder abbrach. In dieser Zeit entdeckte er auch die Kunst der Wiener Moderne für sich. In den folgenden Jahren sollte vor allem der österreichische Künstler Egon Schiele (1890-1918) zu einer zentralen Bezugsfigur werden.

Hundertwasser und sein „geistiger Vater“ Schiele

Das greift nun das Leopold Museum Wien auf und zeigt ab Freitag die rund 170 Werke umfassende Ausstellung „Hundertwasser – Schiele. Imagine tomorrow“. Die von Robert Fleck kuratierte Schau führt von Hundertwassers Verschimmelungsmanifest über Landschaften zur Abstraktion in seinen Werken zu Schieles Haus- und Städtebildern. Vor allem in Hundertwassers Frühwerk wird der zentrale Einfluss Schieles sichtbar. Zeit seines Lebens war sein eigenes eng mit Schieles Werk verbunden und Hundertwasser wählte ihn als seinen „geistigen Vater“, heißt es im Katalog zur Ausstellung.

Fotostrecke mit 9 Bildern

Bildcombo zeigt „Selbstbildnis“ von Friedensreich Hundertwasser aus dem Jahr 1951 und das „Selbstbildnis mit hochgezogener nackter Schulter“, 1912
links: © 2020 Namida AG, Glarus, Schweiz, rechts:Leopold Museum, Wien/Manfred Thumberger; 2020 Namida AG, Glarus, Schweiz
Links: Friedensreich Hundertwasser: 107 Selbstbildnis, 1951; rechts: Egon Schiele: Selbstbildnis mit hochgezogener nackter Schulter, 1912
Friedensreich Hundertwassers Werk „Almhütten auf grünem Platz“, mit der Nummer 127, 1951
© 2020 Namida AG, Glarus, Schweiz
Friedensreich Hundertwasser: 127 Almhütten auf grünem Platz, 1951, Aquarell auf weiß grundiertem Packpapier
Eine Fotografie von Erhard Wehrmann zeigt Hundertwasser vor
einem seiner Werke in Venedig im Jahr 1962
© Nachlass Erhard Wehrmann/courtesy Kunststiftung Poll/Berlin
Erhard Wehrmann: Friedensreich Hundertwasser vor einem seiner Werke, Venedig, 1962
Hundertwassers Werk „Le jardin des morts heureux“, mit der Nummer 170, 1953
© 2020 Namida AG, Glarus, Schweiz
Friedensreich Hundertwasser: 170 Le jardin des morts heureux, 1953, Öl auf weiß grundierter Pressfaserplatte mit „baguette électrique“
Die Fotografie von Stefan Moses zeigt Hundertwasser in seinem Arbeitszimmer in der „Hahnsäge“
© fotografie stefan moses
Stefan Moses: Friedensreich Hundertwasser in seinem Arbeitszimmer in der „Hahnsäge“
Eine Fotografie von Friedensreich Hundertwasser beim Malen in Venedig im Jahr 1983
Peter Femfert/DIE GALERIE Frankfurt am Main
Peter Femert: Friedensreich Hundertwasser, Venedig 1983
Egon Schieles Werk „Waldandacht II“, 1915
Kunsthaus Zug, Alfred Frommenwiler
Egon Schiele: „Waldandacht“ II, 1915, Öl auf LeinwandKunsthaus Zug, Stiftung Sammlung Kamm
Egon Schieles Werk „Der Häuserbogen II („Inselstadt“)“, 1915
Leopold Museum, Wien/Manfred Thumberger
Egon Schiele: Der Häuserbogen II („Inselstadt“), 1915, Öl auf Leinwand
Egon Schieles Werk „Die kleine Stadt“ III, 1913
Leopold Museum, Wien/Manfred Thumberger
Egon Schiele: „Die Kleine Stadt“ III, 1913, Öl, weicher Bleistift auf Leinwand

Reinszenierung der „Linie von Hamburg“

Die Spirale war eines der Markenzeichen von Hundertwasser. Erstmals tauchte sie 1953 auf. Ihre Form war für ihn das Gegenbild der geraden Linie, Metapher für das Werden und Vergehen sowie Symbol für die Zyklen der Natur. In den Jahren 1959/60 sollten Studierende in Hamburg – unter dem Gastdozenten Hundertwasser – eine spiralförmige Linie von ca. zehn Kilometer über Wände, Türen und Fenster eines Klassenzimmers ziehen. Die nicht genehmigte Aktion sorgte für große mediale Aufregung.

60 Jahre später gibt es im Leopold Museum jetzt eine Reinszenierung der „Linie von Hamburg“: Studierende der Universität für angewandte Kunst malen 36 Stunden vor Ausstellungseröffnung spiralförmige Linien in den Ausstellungsraum. Begleitet werden sie dabei vom 83-jährigen Bazon Brock, einem Kunsthistoriker und Weggefährten Hundertwassers, der schon bei der Aktion in Hamburg dabei war. Die Linie soll bei japanischer Musik und philosophischen Gedanken entstehen, heißt es aus dem Museum. Das Ergebnis und Video der Aktion sind dann als Teil der Ausstellung zu sehen.

Studierende der Universität für angewandte Kunst malen 36 Stunden vor Ausstellungseröffnung eine spiralförmige Linie in den Ausstellungsraum.
Leopold Museum/Klaus Pokorny
Die Reinszenierung der „Linie von Hamburg“ im Leopold Museum.

Hundertwasser aus erster Hand

Noch zu Lebzeiten Hundertwassers erfolgte 1991 die Eröffnung des Hundertwasser-Museums im Kunst Haus Wien in Wien-Landstraße. Es bietet die weltweit einzige Dauerausstellung seines Werks. Neben Bildern, Plänen und verschiedenen Modellen realisierter und geplanter Projekte sind dort auch Jugendwerke zu sehen. Zum 20. Todestag veranstaltet das Museum zwei Führungen am Mittwoch.

Fotostrecke mit 4 Bildern

Friedensreich Hundertwassers Werk „Irinaland über dem Balkan“, mit der Nummer 691, 1969
Namida AG, Glarus/Kunst Haus Wien
Friedensreich Hundertwassers Werk „Irinaland über dem Balkan“, mit der Nummer 691, 1969
Die Ausstellungsräume im Kunst Haus Wien
Thomas Meyer/Kunst Haus Wien
Die Ausstellungsräume im Kunst Haus Wien
Die Fassade des Kunst Hauses Wien von vorne
Eva Kelety/Kunst Haus Wien
Das Hundertwasser-Museum in Wien-Landstrraße
Die Ausstellungsräume im Kunst Haus Wien
Thomas Meyer/Kunst Haus Wien

Dabei begleitet der frühere Assistent von Hundertwasser, Martin Stangl, die Besucherinnen und Besucher durch das Museum. Er erzählt dabei Anekdoten, etwa „wie die Müllverbrennungsanlage Spittelau zu ihrer Kappe gekommen ist, wo sich die Bauurkunde im Museum versteckt und warum Hundertwasser eine Kuh in seinem Dachgarten haben wollte“, heißt es vom Museum.

Aufregung mit Nacktreden

Für öffentliche Erregung sorgte der Künstler mit seinen Nacktreden in München (1967 für das „Anrecht auf die Dritte Haut“) und in Wien (1968 bei der Verlesung des Architektur-Boykott-Manifests „Los von Loos“) und 1969, als er sich vor der damaligen Wiener Vizebürgermeisterin Gertrude Fröhlich-Sandner entblößte.

Ausstellungshinweise:

„Hundertwasser – Schiele. Imagine tomorrow“, Leopold Museum, 20. Februar bis 31. August.

Führung „Aus erster Hand“, „KunstHausWien“, 19. Februar, 15.00 und 19.00 Uhr.

Mit seinen Verschönerungsvorschlägen für Fassaden und Fenster, Dachbegrünungen und seinem Feldzug für das Humusklo und für Klärpflanzen regte Hundertwasser zu einem Zeitpunkt die ökologische Diskussionen an, als sich noch keine breite Umweltbewegung formiert hatte. Anlässlich der Verleihung des großen Österreichischen Staatspreises 1981 plädierte der Künstler für „Kultur gegen Kernkraft“ und wetterte gegen eine „entartete“ zeitgenössische Kunst und deren „Mafia“, der er die Aufgabe des Künstlers, diese „Welt zu verbessern, zu verschönern“ entgegenstellte.

Bereits 1981 erhielt Hundertwasser den Österreichischen Naturschutzpreis. 1984 nahm der Künstler dann aktiv an den Aktionen zur Rettung der Hainburger Au teil und gestaltete dafür das Plakat „Hainburg – Die freie Natur ist unsere Freiheit“. Hundertwasser-Posters wurden zu begehrten Kunstobjekten, die in kaum einer Wohnung fehlten. 1985 nominierte ihn der französische Kulturminister Jack Lang zum „Officier de l’ordre des art et des lettres“. 1983 erfolgte die Grundsteinlegung des Hundertwasser-Hauses in Wien, einer Wohnanlage der Stadt Wien.

 Der österreichische Baukünstler und Maler Friedensreich Hundertwasser mit dem Modell  der Thermalbadanlage Blumau
APA/Hartmut Reeh/DPA
Hundertwasser gestaltete zahlreiche Gebäude – auch die Therme in Bad Blumau

Verstarb auf Kreuzfahrtschiff

Für Neuseeland, wo er einen Großteil des Jahres auf seinem Landbesitz lebte, entwarf er eine Flagge. Mit seinem Vorschlag für die Gestaltung neuer österreichischer Auto-Kennzeichen sorgte der Künstler 1988 erneut für Schlagzeilen. Im gleichen Jahr übernahm er auch die künstlerische Gestaltung des Fernwärmewerks Spittelau.

Die Müllverbrennungsanlage Spittelau mit der von Friedensreich Hundertwasser gestalteten Fassade
APA/Helmut Fohringer
Die Müllverbrennungsanlage Spittelau wurde von Hundertwasser gestaltet

Hundertwasser wurde zum gesuchten Gestalter hügelig-bunter Architekturprojekte, er übernahm die Ortsgestaltung von Griffen in Kärnten, baute Autobahn-Raststätten (Bad Fischau), den Thermenhof in Blumau, die Waldspirale in Darmstadt, eine Müllverbrennungsanlage und eine Pump-Station in Osaka oder die Markthalle Altenrhein in der Schweiz.

Seine letzte Reise trat Hundertwasser auf dem Kreuzfahrtschiff Queen Elizabeth II. im Jahr 2000 an. Er erlag an Bord einem Herzversagen und wurde nackt und ohne Sarg auf seiner Farm in Neuseeland bestattet.