Schlichter, Rudolf 1890–1955. “Damenkneipe" (Women’s Pub) c. 1925, Watercolour over ink on paper, 60 × 50.9cm. Private collection.
akg-images
akg-images
Kultur

Avantgarde des Nachtcafes im Belvedere

Dem künstlerischen Nachtleben in der Zeit von 1880 bis in die 1960er Jahre widmet sich eine Ausstellung im Unteren Belvedere und der Orangerie: „Into the Night“ erweckt Kabaretts, Cafes und Clubs als Treffpunkte unterschiedlichster Kulturen und Positionen zu neuem Leben.

Aufwendig nachgebaut und originalgetreu rekonstruiert werden das Pariser Chat Noir oder das Kabarett Fledermaus ebenso lebendig wie das Rasht 29 in Teheran und das Cafe L’Aubette in Straßburg. Künstlerische Elemente und architektonische Details wurden nachgebaut und illustriert. Im Unteren Belvedere wird das Schattenspiel des Café Chat Noir wieder lebendig. Susanne Wengers Fassadengestaltung für den Mbari Mbayo Club in Oshogbo wurde ebenso nachempfunden wie die Wandbemalungen von Uche Okeke für den Mbari Artists and Writers Club in Ibadan, beide in Nigeria.

Ausstellungsansicht INTO THE NIGHT
Foto: Johannes Stoll / Belvedere, Wien

In der Orangerie werden der Kino- und Tanzsaal des Café L’Aubette wie auch der berühmte Barbereich mit Mosaikfliesen aus dem Wiener Kabarett Fledermaus nachgebaut. Die Fliesen wurden im Zuge eines Forschungsprojekts der Universität für angewandte Kunst Wien für die Ausstellung rekonstruiert. Insgesamt sind etwa 320 Objekte – Gemälde, Zeichnungen, Drucke, Fotografien, Filme und Archivmaterialien – zu sehen. Ergänzt wird die Präsentation durch Theateraufführungen, Konzerte, Lesungen und Tanzperformances, die als Teil der Ausstellung zu sehen sind und das nächtliche Leben der einzelnen Szenerien auferstehen lassen.

Cafes, Klubs, Kabaretts

  • Chat Noir, Paris, 1880s
  • Loie Fuller im Folies Bergère, 1890er Jahre
  • Kabarett Fledermaus, gegr. 1907
  • Cave of the Golden Calf, London, 1912-1914
  • Cabaret Voltaire, Zürich, 1916
  • Bal Tik Tak, Rom, 1921
  • Fortunato Depero’s Cabaret del Diavolo, Rom, 1922
  • Café de Nadie, Mexico City, 1920er
  • Café L’Aubette, Strasburg, 1926-28
  • The Mbari Artists and Writers Club, Ibadan, Nigeria, 1960er
  • Mbari Mbayo, Oshogbo, Nigeria, 1960er
  • Rasht 29, Teheran, 1966-69

Die Ausstellung wurde in Kooperation mit dem Barbican, London, realisiert und war dort vom 4. Oktober 2019 bis zum 19. Jänner 2020 zu sehen.

Erlebnisse für alle Sinne auf vielen Bühnen

„Die Ausstellung bietet einen neuen und spannenden Zugang zur bekannten Kunstgeschichtsschreibung. In der ersten umfassenden Schau zu diesem Thema werden die alternativen Schauplätze der Moderne gezeigt, die sich als kreative Freiräume zum Nährboden kulturellen Denkens entwickelten“, beschreibt Stella Rollig, Generaldirektorin des Belvedere, die Ausstellung. Kabaretts, Cafes und Clubs als Orte des Austauschs zwischen Kunst, Architektur, Design, Literatur, Tanz und Musik, aber auch als Orte, die Freiräume von gesellschaftlichen Zwängen und politischer Unterdrückung boten.

Ausstellungsansicht INTO THE NIGHT
Foto: Johannes Stoll / Belvedere, Wien

In Paris nahm das Chat Noir in den 1880ern mit seinem Schattentheater die Kinokultur vorweg. Das 1907 von Protagonist_innen der Wiener Werkstätte gegründete und entworfene Kabarett Fledermaus markierte den Übergang vom Secessionismus zum Expressionismus. Im inhaltlichen Kontext der Lokale werden Werke von Künstlerinnen und Künstlern wie Hans Arp, Otto Dix, Theo van Doesburg, Aaron Douglas, Hannah Höch, Josef Hoffmann, Elfriede Lohse-Wächtler, Oskar Kokoschka, Jeanne Mammen, Koloman Moser, Henri Rivière, Sophie Taeuber-Arp, Henri de Toulouse-Lautrec oder Prince Twins Seven Seven gezeigt.

Auch Theater, Musik und Tanz

Gemälde, Zeichnungen, Drucke, Fotografien, Filme und Archivmaterialien: Insgesamt sind etwa 320 Objekte zu sehen. Ergänzt wird die Präsentation durch Theateraufführungen, Konzerte, Lesungen und Tanzperformances, die als Teil der Ausstellung zu sehen sind und das nächtliche Leben der einzelnen Szenerien auferstehen lassen. Im trockenen Pressedeutsch von den Veranstaltern schlicht als Kunstvermittlungsprogramm bezeichnet, warten auf die Besucherinnen und Besucher ganz besondere Programmpunkte.

Ausstellungshinweis

„Into the Night. Die Avantgarde im Nachtcafe“. 14. Februar bis 1. Juni 2020. Unteres Belvedere und Orangerie. Täglich 10.00 bis 18.00 Uhr, Freitag 10.00 bis 21.00 Uhr. Regulärer Eintritt 14 Euro.

„UItraschall – eine Hommage auf das Kabarett Fledermaus“ ist so einer. Bernd Remsing liest Satirisches aus Wien um 1900 von Roda Roda und Peter Altenberg sowie Alfred Polgars und Egon Friedells legendäre Texte für das Kabarett Fledermaus. Der literarische Streifzug umfasst ebenso den mehr als 250-mal aufgeführten Einakter Goethe wie Karl Kraus’ Kritik am Gesamtkunstwerk der Wiener Werkstätte. Musikalisch begleitet wird er von Fiaker Fiasko mit Wienerliedern, inspiriert von Punk, Jazz und Uromas Liederfundus.

„Susanne Wenger und der künstlerische Aufbruch in Nigeria“ am 25. März ist ein anderer Höhepunkt. Wenger war 1947 Mitbegründerin des Wiener Art-Club. 1950 ging sie nach Nigeria und initiierte dort Kunstworkshops, woraus sich der Mbari Mbayo Club und die „New Sacred Art“ entwickelten. 2005 wurde der Heilige Hain der Yoruba in Oshogbo mit Wengers Monumentalskulpturen als UNESCO-Weltkulturerbe anerkannt. Die Führung leiten Wolfgang Denk (Leiter Susanne Wenger Foundation) und Künstler Moussa Kone.