Die Sir-Karl-Popper-Schule
ORF
ORF
Chronik

Skurriler Streit über Schulessen

In der Sir-Karl-Popper-Schule im 15. Bezirk hat ein kurioser Streit über einen Essenslieferanten zu einem Essensboykott geführt. Dabei geht es nicht primär um die Qualität des Essens, sondern darum, welcher Lieferant die Schule beliefern soll.

Die Elternvereine der Volksschule und der Neuen Mittelschule im Haus protestieren, weil ihre Kinder nicht das von ihnen gewünschte Schulessen bekommen, von „Zwangsbelieferung“ ist die Rede: „Letztes Jahr haben unsere Eltern abgestimmt, dass wir einen gewissen Anbieter wollen. Dann wurde trotzdem im September von der MA 56 und dem Landeselternverband ein anderer Anbieter gewählt, und wir werden seit September zwangsbeliefert“, sagte Francesca Shorrock, Vizevorsitzende des Volksschulelternvereins, gegenüber „Wien heute“.

Essen landete im Müll

„Ab Mitte des Semesters wurde uns zugesichert, dass wir (mit Semesterwechsel, Anm.) wechseln können, doch dieser Wechsel hat leider nicht stattgefunden“, so Shorrock weiter. Daher wurde das gelieferte Schulessen letzte Woche boykottiert, wie die „Wiener Zeitung“ vor einer Woche berichtete. Ein anderer Ersatzanbieter verköstigte in der ersten Woche nach den Semesterferien die Kinder provisorisch mit Snacks.

Ein Plakat „Iss+zahl+schweig=Schulautonomie neu“
ORF
Mit einem Transparent weist der Elternverein auf das Essensdilemma hin

„Seit diesem Boykott werden wir weiter zwangsbeliefert von dem ersten Anbieter, den wir nicht gewählt haben“, berichtete die Elternvertreterin. Die unappetitliche Folge: 120 Menüs landeten letzte Woche täglich im Müll. Dabei geht es laut den Eltern gar nicht um die Qualität des gelieferten Essens: „Das Essen ist total in Ordnung, wenn die Eltern sich das ausgesucht hätten, wäre das auch gar kein Problem“, sagte Shorrock. „Wir wollen eigentlich nur, dass die Entscheidung der Eltern respektiert wird.“

Keine Kosten als Zwischenlösung

Diese Woche wird nun nichts mehr weggeworfen. Als „Zwischenmahlzeit“ bis zur endgültigen Lösung essen die Kinder die gelieferten Menüs. Die für Wiener Schulen zuständige MA 56 hatte sich eingeschaltet und wissen lassen, dass den Eltern diese Woche keine Kosten verrechnet werden, „um Lebensmittelverschwendung zu verhindern und eine gesunde Ernährung sicherzustellen“, wie es in einer Stellungnahme gegenüber „Wien heute“ heißt.

„Währenddessen wird versucht, im direkten Gespräch mit den Elternvereinen an einer Lösung für das restliche Semester zu arbeiten. Die Abteilung ist bemüht, zwischen den Beteiligten zu vermitteln. Die Entscheidung über einen Wechsel des Essensanbieters ab September 2020 obliegt natürlich den Eltern der Schulen“, heißt es in der Stellungnahme weiter. Ein Wechsel während dieses Schuljahres sei allerdings aus vertraglichen Gründen nicht mehr möglich, so die MA 56.

Automatismus für günstigeren Anbieter

Grundsätzlich ist es so geregelt, dass automatisch der günstigste Anbieter zum Zug kommt, wenn ein Elternverein keine gegenteilige Entscheidung fällt – und wenn bei der Bestellung keine Formalfehler passieren. Für dieses Schuljahr hatten die Elternvereine die Wahl zwischen zwei Essensanbietern: Gourmet und Max Catering. Nur diese beiden Anbieter erfüllten die strengen Kriterien der MA 56, was etwa den Bioanteil von 50 Prozent und die Einhaltung von Hygienerichtlinien betrifft.

Wenn von Elternseite nicht anders gewünscht, bekommt also derzeit Gourmet als der etwas günstigere Anbieter den Zuschlag. Die Preisdifferenz zwischen den beiden Lieferanten beläuft sich pro Kopf und Jahr auf 40 Euro. In diesem Schuljahr werden 58 Prozent der Schulen von Gourmet, 42 Prozent von Max Catering beliefert. Beide Unternehmen sind in den schwelenden Konflikt in der Sir-Karl-Popper-Schule gar nicht involviert.

Landeselternverband mit Schlüsselrolle bei Vergabe

Laut Auskunft des Landeselternverbands der Wiener Pflichtschulen versuchen derzeit sogar sechs Anbieter, die Kriterien für das nächste Schuljahr zu erfüllen. Es werde künftig „bis zu vier Anbieter“ geben, so die „persönliche Einschätzung“ von Karl Dwulit, Vorsitzender des Landeselternverbands. Der Verband hat bei der Auftragsvergabe eine Schlüsselrolle. Er gibt die Entscheidungen der einzelnen Schulen an die MA 56 weiter.

Skurriler Streit über Schulessen

In der Sir-Karl-Popper-Schule sprechen Eltern von Zwangsverpflegung. Mit der zuständigen MA 56 wird jetzt verhandelt.

Streit um Vertretungsbefugnis

Im Landeselternverband ist man im nun vorliegenden Streitfall der Ansicht, dass einer der beiden Elternvereine der Sir-Karl-Popper-Schule zum Zeitpunkt der Essensbestellung letztes Frühjahr nicht vertretungsbefugt gewesen sei. „Bei der Entscheidungsfindung hat es keinen Elternverein an diesem Schulstandort der NMS gegeben, der entscheidungsbefugt wäre“, so Dwulit gegenüber „Wien heute“.

Außerdem sei es ein übliches Prozedere, dass im ersten Jahr der Ganztägigkeit automatisch der günstigste Anbieter gewählt werde. Die Sir-Karl-Popper-Schule hatte nämlich erst in diesem Schuljahr mit dem Ganztagsbetrieb begonnen. Aus diesen Gründen sei der günstigere Anbieter zum Zug gekommen, so Dwulit.

„Gegessen wird, was auf den Tisch kommt“

Das stimme nicht, das Votum sei gültig, konterten die Elternvertreter. Sie haben sich bereits einen auf Vereinsrecht spezialisierten Anwalt genommen und sehen sich im Recht. „Wir haben uns von einer Anwaltskanzlei unterstützen lassen, die das auch nochmals geprüft hat, und alle rechtlichen Gründe, die sie (die Gegenseite, Anm.) uns sagen, treffen auf uns nicht zu und haben überhaupt keinen Halt“, so Shorrock.

Keine Stellungnahme gab es von den Direktorinnen an der Schule. Es fehlt die Erlaubnis der Bildungsdirektion. Auf der Homepage der Volksschule findet sich zu dem Konflikt aber ein längeres, prominent platziertes Statement unter dem Titel „Gegessen wird, was auf den Tisch kommt“. Darin heißt es unter anderem: „Was wir suchen? Eine Lösung, die verhindert, dass ein Elternverein einer öffentlichen Wiener Schule ernsthafte rechtliche Schritte in Erwägung ziehen muss, um der Schulautonomie und Schulpartnerschaft Leben einzuhauchen.“

Wiener ÖVP kritisiert Intransparenz

Als „intransparent“ bezeichnete die Bildungssprecherin der Wiener ÖVP, Sabine Schwarz, die Situation der Essensvergabe. "Obwohl die Eltern eine klare Präferenz hatten, fährt hier die Stadt einfach drüber und bevorzugt auf diese Weise auch einen konkreten Anbieter“, so Schwarz in einer Aussendung am Mittwoch. Und weiter: „Diese Zwangsverordnung durch die SPÖ-nahe Elternvertretung ist schon lange bekannt. Seit Monaten versuchen wir, die Entscheidungsfreiheit der Eltern wiederherzustellen.“

Tatsächlich gab es bereits im Vorjahr einige Direktoren anderer Schulen, die öffentlich kritisierten, dass aufgrund kleiner formaler Fehler bei der Anmeldung kein Anbieterwechsel möglich gewesen sei. Wie der Konflikt gelöst wird, ist jedenfalls vorerst offen. Klar ist: Derzeit liegt er wohl allen Beteiligten schwer im Magen.