Fußball-Kopfballtraining mit Jugendlichen
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Mehr Vorsicht bei Kopfball-Training

Der englische Fußballverband hat Kopfball-Übungen für Kinder im Grundschulalter abgeschafft. In Wien sieht man die „radikale“ Maßnahme kritisch. Kopfbälle bei Kindern bleiben weiterhin erlaubt – mit Softbällen und richtiger Technik.

Der Österreichische Fußball-Bund (ÖFB) reagiert auf die neue Regelung in England gelassen. Peter Schöttel, Sportdirektor des ÖFB, verrät gegenüber „Wien heute“, dass entsprechende Maßnahmen bereits in den letzten Jahren im Bereich des Kinderfußballs gesetzt wurden. Es sei jetzt zwar der englische Verband, der diesen Schritt tätige. In Österreich werde aber schon längere Zeit darüber diskutiert.

„Wir denken über Light-Bälle nach und befinden uns in einem laufenden Prozess, wie wir auf das Thema reagieren“, so Schöttel. Wenn die medizinischen Gründe dafür sprechen, dass man etwas verändern muss, dann könne das nur ein europaweites, ein UEFA Thema sein, sagt Schöttel.

Ergebnis „nicht wissenschaftlich belegt“

Der Wiener Sportmediziner und Rapid-Klubarzt Thomas Balzer weist darauf hin, dass die Schlussfolgerungen der Untersuchung des englischen Fußballverbands nicht wissenschaftlich bewiesen seien. Es gebe zwar Studien, die zeigen, dass bei gewissen Sportarten mit häufigen Schädel-Hirn-Traumata Erkrankungen wie Parkinson oder Demenz in folge gehäuft auftreten.

„Damit kann man umgekehrt aber nicht beweisen, dass das Kopfballspiel für Kinder automatisch dazu führt. Es ist aber sicherlich eine Aufgabe für Trainer im Bereich des Jugend- und Kindertrainings, das zu minimieren“, so Balzer. Das Kopfballspiel solle bei Kindern nicht mutwillig forciert werden. Man sei aber auch sensibler als früher. Der Fußball habe sich gewandelt, denn der Ball sei heute mehr in der Luft und damit häufen sich Zusammenstöße.

Richtige Technik und weiche Bälle

Laut Balzer ist der Kernpunkt der ganzen Sache, „dass man Kindern mit Softbällen und dem geeigneten Material die Technik des Kopfballspiels richtig lernt.“ Das sieht auch der Trainerausbilder Johannes Uhlig so. Man hat das Kopfballspiel bei Kindern in Österreich bereits in den 90er Jahren bei der Ausbildung der Trainerinnen und Trainer thematisiert.

Fußball-Trainingsbroschüre
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Der ÖFB hat bereits in den letzten Jahren Maßnahmen im Bereich des Kinderfußballs gesetzt

„Mit leichten Bällen zu hantieren und zu spielen ist eine Grundvoraussetzung, damit die Kinder nicht schon Vorschäden haben“, so Uhlig. Bei der Technik komme es darauf an, die richtigen Schlüsselpunkte in der Bewegung zu erlernen. Das heißt, dass die Spielerinnen und Spieler den Ball mit der Stirn treffen, die Augen offen haben und ihre Nackenmuskulatur anspannen. Analysen hätten aber auch ergeben, dass das Köpfeln bei U8- und U9-Spielen eher wenig vorkommt.

„Radikale Studie“

Uhlig bezeichnet die Studie aus England als radikal. „Wenn das so ist, dass diese Regeln eingeführt werden sollen, muss man sich überlegen, ob das Kopfballspiel überhaupt noch adäquat ist.“ Jedoch sagt auch er, dass es keine einschlägigen wissenschaftlichen Beweise für die vermuteten Hirnerkrankungen durch Kopfbälle gebe. Man vermute und spekuliere, dass es eine wesentliche Rolle dabei spiele. „Wenn wir diese Studie ernst nehmen, müssen wir überlegen, ob man das Kopfballspiel im Kinderbereich nicht verbieten müsste“, so Uhlig.

Fußballprofis öfter mit Hirnkrankheiten

Der Hintergrund für die neue Regelung in England ist eine Untersuchung aus dem vergangenen Jahr, die vom englischen Fußballverband FA und der Spielergewerkschaft PFA in Auftrag gegeben wurde. Diese kam zum Ergebnis, dass Fußballprofis im Vergleich zur britischen Gesamtbevölkerung mit einer 3,5-mal höheren Wahrscheinlichkeit an einer degenerativen Hirnkrankheit sterben. Eine Ursache dafür lieferte die Untersuchung nicht.