Teilnehmer an einer Protestkundgebung der Beschäftigten in der Sozialwirtschaft anl. der KV-Verhandlungen am Donnerstag, 27. Februar 2020 in Wien.
APA/Hans Punz
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Chronik

Sozialwirtschaft sagt Demonstration ab

Die Beschäftigten in der Sozialwirtschaft Österreich (SWÖ) haben ihre für Dienstag geplanten Demonstrationen abgesagt. Grund ist das Coronavirus. Man will aber weiter um die 35-Stunden-Woche kämpfen.

Aus Verantwortung gegenüber den Beschäftigten finden die Demonstrationen nicht statt, hieß es, man habe „keine andere Wahl“. „Es ist natürlich klar, dass wir niemanden gefährden wollen“, sagte Eva Scherz, Verhandlerin für die Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier (GPA-djp). Sie verwies auf die von der Regierung Dienstagmittag verkündeten Maßnahmen, insbesondere auf das Verbot für Freiluftveranstaltungen mit mehr als 500 Besuchern. „Der Erlass lässt uns keine andere Wahl.“

Gleichzeitig betonte Scherz, der Kampf um die 35-Stunden-Woche gehe „natürlich weiter“. Auch die Streiks am 24. und 25. März sollen aus derzeitiger Sicht wie geplant stattfinden. „Die Streiks finden ja grundsätzlich an der Arbeitsstelle statt“ und nicht im öffentlichen Raum. Weiterverhandelt werden soll dann wie vorgesehen am 26. März. Die Demo der in Sozial- oder Gesundheitsunternehmen Beschäftigten hätte am frühen Nachmittag beim Platz der Menschenrechte starten sollen. Dort hätten unter anderem Barbara Teiber, Vorsitzende der Gewerkschaft der Privatangestellten, und Roman Hebenstreit, Chef der Gewerkschaft vida, sprechen sollen.

Demonstration vor dem Sozialministerium am Mittwoch, 12. Februar 2020
APA/Helmut Fohringer
Bereits im Februar demonstrierten Beschäftigte der Sozialwirtschaft vor dem Sozialministerium

Verhandlungen um 35-Stunden-Woche

Die Gewerkschaften GPA-djp und vida verhandeln seit Ende November mit Arbeitgebervertretern der SWÖ über den Kollektivvertrag. Die Arbeitnehmervertreter verlangen wegen der belastenden Tätigkeit in der Branche die Einführung einer 35-Stunden-Woche bei vollem Gehalts- und Personalausgleich. Für Teilzeitbeschäftigte würde eine solche Arbeitszeitverkürzung eine Gehaltserhöhung von 8,6 Prozent bedeuten.

Die Arbeitgeber lehnten diese Forderung bisher ab und verwiesen auf die fehlenden finanziellen Mittel bzw. auf die Befürchtung einer Verschärfung des Personalmangels in der Pflege. In der siebenten Verhandlungsrunde näherte man sich zuletzt zwar etwas an, eine Einigung blieb jedoch aus.

Arbeitgeber sondieren in der Zwischenzeit

Bei den Arbeitgebern wird die Zeit bis zur nächsten Runde genützt, um den Spielraum für die weiteren Verhandlungen auszuloten. Inhaltlich habe man in den vergangenen Wochen bereits viel erarbeitet, berichtete SWÖ-Verhandlungsführer Walter Marschitz am Montag. Deswegen gehe es jetzt weniger um das Austüfteln inhaltlicher Vorschläge als vielmehr um die interne Meinungsbildung in den unterschiedlichen Organisationen und Einrichtungen. Teil der Sondierungen sind Fachgruppensitzungen, bei denen alle Mitglieder eingeladen werden, etwa in der Pflege und in der Kinderbetreuung.

In Sachen Coronavirus hat die SWÖ ein Infoblatt für alle Mitgliederorganisationen vorbereitet. Besonders kritisch sei die Lage natürlich in Pflegeheimen, so Marschitz. „Es ist klar, dass diese Zielgruppe besonders gefährdet ist“, spielte er auf die betreuten Personen an. Die Pflegeheime hätten aber sicher „ausgefeilte Pläne“, um mit der Situation gut zurechtzukommen, sagte Marschitz.

Die Einrichtungen würden sich sehr genau überlegen, was sie tun, und hätten etwa bei der Hygiene nachgeschärft. „Ich bin mir ganz sicher, dass in allen Häusern verstärkt Aufmerksamkeit auf dieses Thema gelegt wird“, beteuerte der SWÖ-Geschäftsführer.

Nächste Verhandlungsrunde am 26. März

Für die Demonstrationskundgebungen der Gewerkschaften ist das Coronavirus „sicher kein Rückenwind“, sagte Marschitz. Er halte es jedoch nicht für verantwortungslos, wenn auch Beschäftigte aus Pflegeheimen zu den Massenkundgebungen gehen würden.

„Ich sehe da keine größere Gefährdung, wie wenn man mit der U-Bahn fährt“, sagte Marschitz und verteidigte hier bezüglich Vorsichtsmaßnahmen sogar das Vorgehen seiner Verhandlungsgegner: „Die Gewerkschaft ist sicher die Letzte, die sich das nicht überlegt“, gehe es doch um „ihre Leute“. Ganz allgemein habe er im Lauf der sich seit Ende November hinziehenden KV-Verhandlungen nicht das Gefühl gehabt, dass bei den Protestmaßnahmen vonseiten der Arbeitnehmer Grenzen überschritten werden.

Zu Streiks wird es dieses Mal erst am 24. und 25. März kommen, kündigten die Gewerkschaften an. Damit wollen sie knapp vor der nächsten Verhandlungsrunde , die am 26. März stattfindet, noch einmal Druck aufbauen.