S-Bahn am Hauptbahnhof
ÖBB/Philipp Horak
ÖBB/Philipp Horak
Verkehr

ÖBB: 70 Prozent weniger Fahrgäste

Die Maßnahmen der Regierung zur Eindämmung des Coronavirus haben in Österreichs Bahnnetz zu einem massiven Rückgang der Fahrgäste geführt. Die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) hatten am Montag im gesamten Bahnnetz um 70 Prozent weniger Fahrgäste als üblich.

Der Umsatz brach um 80 Prozent ein, sagte ÖBB-Vorstandschef Andreas Matthä am Dienstag. Die ÖBB sind Teil der „kritischen Infrastruktur“ in Österreich. Der öffentliche Verkehr werde auch in Krisenzeiten auf jeden Fall aufrechterhalten, schon um die Mitarbeiter in krisenrelevanten Branchen zur Arbeit zu bringen, versicherte Matthä.

Als integrierter Konzern – alles in einer Holding, Personenverkehr, Güterverkehr und Infrastruktur – könne man mit dem Verkehrsministerium und im Krisenstab einfach kommunizieren. Die Bundesregierung habe damit einen Ansprechpartner, der rasch agieren und reagieren könne. „Wir haben als staatliches Unternehmen eine besondere Verantwortung für Österreich und die nehmen wir auch wahr“, erklärt der Bahnchef.

Personenverkehr nur noch in Österreich

Die Fahrpläne werden ausgedünnt – allerdings nicht im Nahverkehr zu Stoßzeiten, damit die Passagiere weiter voneinander entfernt sitzen können und sich nicht drängen müssen. Auch bei den Postbussen gebe es einen starken Rückgang der Fahrgäste, schon weil die allermeisten Schülerinnen und Schüler wegen der Schulschließungen nicht mehr befördert werden. In den Bussen wurde der vordere Einstieg gesperrt, um die Kontakte mit dem Fahrer zu reduzieren.

Im Großraum Wien wird außerdem der Schnellbahnverkehr ausgedünnt: Ab kommenden Donnerstag wird ein Teil der Züge aus dem Betrieb genommen, wie das Unternehmen mitteilte. Die Kapazitäten werden um bis zu 16 Prozent reduziert. Die an den Wochenenden und vor Feiertagen verkehrende Nacht-S- Bahn entfällt komplett.

Flughafenbusse entfallen großteils

Da die Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie auch den Flugverkehr weitgehend lahmlegen, werden die Busse der Vienna Airport Lines zum Teil nicht mehr verkehren. Die Linien vom Donauzentrum und vom Schwedenplatz zum Flughafen werden eingestellt. Die über den Westbahnhof und den Hauptbahnhof führende Linie ist in stündlichen Intervallen unterwegs.

Der Bahn-Personenverkehr ist durch die Grenzschließungen und strengen Einreisebestimmungen mit den Nachbarländern im Wesentlichen nur mehr national möglich. Auch fast alle Nachtzüge fallen aus, nur mehr die Verbindungen innerhalb Österreichs, Wien-Feldkirch und Graz-Feldkirch, werden angeboten. Der Güterverkehr wird international weiter betrieben – „ohne Staus an der Grenze“, wie der ÖBB-Chef betont.

Toilettenpapier aus Nordeuropa

Er appelliert an alle, die auf Lkw-Transporte setzen, umzudenken und verstärkt die Bahn in Anspruch zu nehmen. An den Grenzen werden nicht nur die Lokführer, sondern die ganze Lok ausgetauscht. Verstärkt werden von der Bahn Güter zur Versorgung wie Lebensmittel transportiert. Aber auch Toilettenpapier, das zuletzt wegen Hamsterkäufen teilweise ausverkauft war, wird nun in großen Mengen per Bahn aus Europas Norden nach Österreich gebracht, um die Lager der Supermärkte zu beliefern.

Die großen Tunnelbaustellen sind ebenfalls von der Coronavirus-Krise betroffen. Italien hat die Bauarbeiten am Brenner-Basistunnel auf italienischer Seite behördlich eingestellt. Auf österreichischer Seite, in Tirol, gelten besonders strenge Regelungen für Ausgangsbeschränkungen. „Dort wird jetzt runtergefahren“, so Matthä. Bei einem Tunnelbau könne man aber nicht so einfach die Arbeit einstellen, denn es brauche Schutz- und Stützmaßnahmen, die Zeit und Geld kosten. Auch das Hochfahren nach der Krise werde aufwendig und teuer sein.

„Vernünftige Lösungen“ für österreichische Baustellen

Bei den anderen Tunnelbaustellen – Koralm und Semmering – werde man von Fall zu Fall mit den Baufirmen reden und Lösungen suchen. Wenn Baufirmen nicht mehr liefern können bzw. zu wenig Bauarbeiter zur Verfügung haben, weil durch Grenzschließungen ausländische Beschäftigte nicht mehr nach Österreich kommen, oder weil sie ihren Beschäftigten keine adäquaten Unterkünfte bieten können, werde man „vernünftige Lösungen finden“, so der Bahn-Chef: „Wir werden keine Pönalen ausstellen“.

Gekaufte Tickets

ÖBB-Tickets von und nach Italien, Slowakei, Tschechien, Polen, Slowenien, Deutschland und der Schweiz für Reisen mit Gültigkeit bis 13. April 2020 können kostenlos über das ÖBB Kundenservice unter 05-1717 storniert werden.

Wichtig sei es jedoch, die Baustellen im Betrieb fertigzustellen, um keine gesperrten Gleise zu haben. Nach der Krise werden die Baustellen wieder hochgefahren, dann werde über das große Bauvolumen rasch die heimische Wertschöpfung angekurbelt.

Kurzarbeit nicht ausgeschlossen

Von der ÖBB-Belegschaft sind laut Matthä 30.000 im Betriebseinsatz, 6.000 arbeiten im Ausland (unter anderem bei der ungarischen Güterbahn MAV-Cargo). Etwa 4.000 Mitarbeiter können ins Homeoffice gehen. Die ÖBB-Belegschaft habe einen sicheren Arbeitsplatz, „der Verkehr muss aufrechterhalten werden“, versicherte der Bahn-Chef. Bei den Schichten werde umgestellt, damit die jüngeren Mitarbeiter bei Bedarf bei ihren Kindern zu Hause bleiben können.

Kurzarbeit wolle er bei kleineren Sparten nicht ganz ausschließen, etwa im Catering-Bereich, Stellenabbau komme aber nicht infrage. Man habe auch Verantwortung für die Partnerunternehmen, etwa beim Nachtzug. Großen Dank richtet der ÖBB-Chef an die gesamte Belegschaft, die als „ÖBB-Familie“ in dieser Krise Großartiges leiste, zusammenrücke und innovativ werde – etwa bei digitalen Arbeitsformen und Homeoffice. „Nach der Krise geht es wieder vorwärts“, gibt er sich zuversichtlich.

Wiener Linien mit 60 Prozent weniger Passagieren

Nicht nur bei den ÖBB, auch bei den Wiener Linien ist die Kundenfrequenz am zweiten Tag der einschneidenden Coronavirus-Maßnahmen massiv eingebrochen. Am Dienstag wurden 60 Prozent weniger Fahrgäste registriert.

Am Mittwoch könnte das Aufkommen weiter sinken. Denn dann tritt ein „angepasster Fahrplan“ in Kraft. Sprich: Die Intervalldichte wird nach dem Modell des Ferienfahrplans reduziert. Am Wochenende wird es auch keine Nacht-U-Bahn geben, die ansonsten in den Nächten auf Samstag und Sonntag verkehrt.