Ein Flugzeug der Austrian Airlines AUA
ORF.at/Christian Öser
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Wirtschaft

AUA-Chef: „Ohne Staatshilfe wird es nicht“ gehen

Die Austrian Airlines (AUA) verhandeln derzeit mit der Regierung über die Rettung. „Ohne Staatshilfe wird es sich nicht ausgehen“, sagte AUA-Chef Alexis von Hoensbroech. Die Gewerkschaften sind für eine Rettung der AUA, aber unter Auflagen.

Nach den Worten von Hoensbroech geht es hauptsächlich um Staatsgarantien. Aber auch die nicht rückzahlbaren Hilfen für entgangenes Geschäftsvolumen wären für die AUA interessant, sagte der AUA-Chef der „Presse“. Aus der Krise werde auch die AUA mit einer Belastung herauskommen. Heuer werde sie „einen großen Verlust schreiben und einen größeren Überbrückungskredit haben, den wir zurückführen müssen“.

Kaum ein Unternehmen in Österreich sei so von der Coronavirus-Krise betroffen wie die AUA. Alle Fluggesellschaften auf der Welt sprächen zurzeit mit den jeweiligen Staaten über Hilfen, sagte der AUA-Chef in dem Zeitungsinterview (Samstag-Ausgabe). Denn eine Fluglinie halte es nicht sehr lang aus, auf dem Boden zu stehen.

 AUA-CEO Alexis von Hoensbroech anl. einer PK der Austrian Airlines AG (AUA)
APA/Hans Punz
Als Instrumente nennt der AUA-Chef einen Überbrückungskredit, staatliche Kreditgarantien und tilgungsfreie Zuschüsse

„Jede Summe, die zurzeit diskutiert wird, ist falsch“

Kolportiert wurden zuletzt Summen von 500, 750 oder 800 Millionen Euro, die die österreichische Lufthansa-Tochter heuer vom Staat benötigen würde. „Jede Summe, die zurzeit diskutiert wird, ist falsch“, so von Hoensbroech. Denn es hänge davon ab, wie lange die Situation dauere. „Wir gehen davon aus, dass es länger dauert, daher wird es sich ohne Hilfe nicht ausgehen.“

Der Manager sieht die AUA in Österreich und für den Standort in einer systemkritischen Rolle. „Wenn Ryanair weg ist, dann kommt halt easyJet. Aber wenn die AUA weg ist, baut keiner ein neues Langstreckennetz auf.“

Gegen staatliche Minderheitsbeteiligung

In einer staatlichen Minderheitsbeteiligung sieht der AUA-Chef indes wenig überraschend nicht den richtigen Weg. Warum die Gesellschaft Staatshilfe aus Österreich bekommen und nicht die deutsche Mutter Lufthansa das notwendige Geld einschießen soll, begründet von Hoensbroech in dem Interview so: „Was würden Sie sagen, wenn Sie deutscher Steuerzahler wären und Ihre Staatshilfen nach Österreich oder die Schweiz durchgereicht würden?“

Es müsse immer zuerst im betreffenden Land geklärt werden, wie diese nicht selbst verschuldete Krise gelöst werden kann. Dabei müsse natürlich sichergestellt sein, dass das Geld in Österreich bleibt, so der Airline-Chef.

„Absurd“ findet er die Diskussion, dass die AUA kein österreichisches Unternehmen sei. Er verwies auf die beim Verkauf an die Lufthansa eingerichtete österreichische Privatstiftung, wo die Mehrheit liegt. Die AUA habe mehrere tausend österreichische Mitarbeiter, die Flugzeuge seien in Österreich registriert und sie fliege nur von Österreich aus. In Deutschland gehöre der deutsche VW-Konzern auch mehrheitlich Österreichern.

Gewerkschaft: Mindestlohn muss eingehalten werden

Geht es nach den Gewerkschaften, sollten auch andere Airlines Staatshilfe erhalten, die für die Piloten und Flugbegleiter zuständige Gewerkschaft vida hat dafür am Freitag aber Auflagen formuliert. „Eine wesentliche Bedingung ist, dass sich Airlines an österreichisches Recht und an Mindestlöhne halten müssen beziehungsweise dem Abschluss eines Branchen-KV zustimmen“, sagte vida-Gewerkschafter Daniel Liebhart.

Liebhart kritisierte den Preiskampf des vergangenen Jahres. „Das ist jenes Kapital, das jetzt dringend gebraucht werden würde, um die Krise zumindest teilweise aus eigener Kraft überstehen zu können“, so Liebhart. Der Gewerkschafter übte dabei auch Kritik an der Wirtschaftskammer, die die „Lohndrückerei“ zugelassen habe. Für die Gewerkschaft ist jedenfalls klar: „Große Summen an Staatshilfen darf es nur geben, wenn der Staat Miteigentümer im entsprechenden Umfang wird und im Aufsichtsrat mit Stimmrecht vertreten ist.“

Schneider: „Reine" Subventionierung nicht sinnvoll“

Auch der Linzer Ökonom Friedrich Schneider stellte sich gegen Zuschüsse ohne Gegenleistung. „Natürlich ist eine ‚reine‘ Subventionierung der AUA im Besitz der Lufthansa nicht sinnvoll; der Staat könnte sich beteiligen oder Aktien dafür bekommen, sodass er dann bei späteren Gewinnen davon profitiert“, schrieb der emeritierte Uniprofessor der APA.

Schneider machte eine grobe Schätzung der Kosten eines Konkurses der AUA und kam zu dem Schluss, dass dieser volkswirtschaftlich einen Wertschöpfungsverlust von 1,5 Milliarden Euro mit sich bringen würde. Dazu kämen rund 500 Millionen Euro an geringeren Steuer- und Sozialabgaben bei der AUA selbst. Laut Schneider würden neben den rund 7.000 Arbeitsplätzen bei der AUA zwischen 6.000 und 9.000 weitere Arbeitsplätze verloren gehen.

Schneider gab auch zu bedenken, dass Österreich in Krisenzeiten ohne die AUA weniger unabhängiger wäre beim Zurückholen von Urlaubern und beim Transport von wichtigen Gütern wie Schutzausrüstung und Medikamenten.

Forscher fordern Ausrichtung am 1,5-Grad-Ziel

Die Nachhaltigkeitsforscher Ulrich Brand und Alexander Behr vom Institut für Politikwissenschaften der Universität Wien argumentierten hingegen, dass die aktuellen enormen wirtschaftlichen Probleme als klimapolitische Chance gesehen werden sollten. „Viele Studien zeigen“, so Behr, „dass das Flugzeug vor allem das Transportmittel von relativ wenigen Menschen ist, die viel fliegen. Eine relative Minderheit treibt dadurch die Klimakrise überproportional voran.“

Die öffentliche Unterstützung der Luftfahrtindustrie im Zuge der Coronavirus-Krise sollte daher an konkrete Bedingungen geknüpft werden. Diese Hilfe müsse klar an die Ausrichtung am 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens von 2015 gekoppelt sein, zu dem sich auch Österreich verpflichtet hat.

„Staat sollte Sperrminorität erhalten“

Brand und Behr schlugen vor, die Staatshilfe mit dem Verbot von Kurzstreckenflügen, der Einführung einer Kerosinsteuer und einer höheren Ticketabgabe zu flankieren. Sie erinnerten, dass das Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) für das Jahr 2016 errechnet habe, dass die weitgehende Steuerbefreiung des Flugverkehrs einer indirekten Subventionierung von etwa einer halben Milliarde Euro entspricht. „Wenn jetzt gut gehandelt wird und den Beschäftigten klimafreundliche Arbeitsplätze angeboten werden, können wir die notwendige Reduktion des Flugverkehrs erreichen“, so Brand.

„Die Politik müsste in der aktuellen Krise“, so Brand, „auch darüber nachdenken, ob der Staat eine Konversion der Luftfahrtunternehmen zu öffentlichen Transportdienstleistern anstößt.“ Hier wäre zu diskutieren, so der Professor, ob etwa die AUA, bisher Teil von Lufthansa, von der öffentlichen Hand übernommen wird, denn dann gäbe es deutlich stärkere Lenkungsmöglichkeiten.

Zumindest aber sollte der Staat bei den aktuell verhandelten Rettungsmaßnahmen künftig eine Sperrminorität erhalten, um gesellschaftlich und klimapolitisch erwünschte Entscheidungen auch über den Coronavirus-Notstand hinaus durchsetzen zu können, forderte der Wissenschaftler.