Der Sitzungssaal des Wiener Gemeinderates im Wiener Rathaus
APA/Hans Klaus Techt
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Politik

Keine Wien-Wahl wie sonst

Die Gemeinderatswahl in Wien findet am 11. Oktober statt. Das hat Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) am Mittwoch bekannt gegeben. Er stellt sich erstmals als Bürgermeister der Wahl. Das ist ein Faktor von mehreren, die die Wahl speziell und spannend machen.

Die gescheiterte ÖVP-FPÖ-Regierung, der Ibiza-Skandal, die Wiederwahl von Sebastian Kurz als Kanzler, die Coronavirus-Pandemie und ihre Auswirkungen, eine Stadtregierung, die Einigkeit demonstriert, aber nicht immer einer Meinung ist, Rücktritte und neue Gesichter, eine neue Partei: All das macht die bevorstehenden Gemeinderats- und Landtagswahlen in Wien zu einer nicht alltäglichen Wahl.

Verluste für rot-grüne Stadtregierung bei letzter Wahl

Die SPÖ, die seit 1945 als stimmenstärkste Partei den Bürgermeister stellt, musste bei der letzten Wahl einen Verlust von 4,75 Prozentpunkten gegenüber 2010 hinnehmen. Sie kam auf 39,59 Prozent und lag damit nur knapp über ihrem historischen Tiefwert von 39,15 Prozent im Jahr 1996. Etwas zurück ging auch das Ergebnis der Grünen. Sie fuhren mit 11,84 Prozent ein Minus von 0,80 Prozentpunkten ein und landeten auf Platz drei.

Nichtsdestotrotz kam es zu einer Neuauflage der rot-grünen Koalition, die seit 2010 in Wien regiert. An zweiter Stelle kam die FPÖ mit satten Zugewinnen von 5,02 Punkten auf schließlich 30,79 Prozent zu liegen. Die ÖVP fuhr mit 9,24 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis überhaupt ein, die NEOS erreichten bei ihrem ersten Antritt in Wien 6,26 Prozent.

Landtagswahl in Wien 2015
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Völlig andere Ausgangslage in Wien

Seit der Wahl 2015 hat sich in der Innenpolitik viel getan, was auch die Ausgangslage für den kommenden Urnengang ändern dürfte. Die SPÖ war – abgesehen vom Burgenland – zuletzt nicht unbedingt mit Erfolgen verwöhnt. Im Roten Wien behauptete man bei der Nationalratswahl zwar nach wie vor Platz 1, rasselte aber um 7,38 Prozentpunkte auf den Wert von 27,11 Prozent. Die ÖVP dürfte indes auch in der Hauptstadt von Sebastian Kurz profitieren. Für die Grünen stehen die Vorzeichen dank des omnipräsenten Klimathemas ebenfalls nicht schlecht. Fraglich ist, inwiefern sich die türkis-grüne Performance auf Bundesebene auf das kommunalpolitische Stimmverhalten niederschlagen wird.

Alles andere als rosig ist die Ausgangslage für die FPÖ. Die seit Ibiza und der Spesen-Affäre ihres Ex-Chefs Heinz-Christian Strache taumelnden Blauen werden in Wien wohl auch Konkurrenz aus den eigenen Reihen bekommen. Die „Allianz für Österreich“ (DAÖ), eine von drei Ex-FPÖ-Mandataren gegründete Splitterpartei, will bei der Wien-Wahl antreten – höchstwahrscheinlich mit Heinz-Christian Strache als Zugpferd.

Alle Parteien mit neuen Spitzenkandidaten

Bemerkenswert ist jedenfalls, dass sämtliche derzeit im Gemeinderat vertretenen Parteien mit anderen Spitzenkandidaten als 2015 ins Rennen gehen werden. Bei der SPÖ ist dies Ludwig statt Häupl, bei der ÖVP Finanzminister und Wiener Parteiobmann Gernot Blümel statt Manfred Juraczka, der nach dem Wahldebakel vor fünf Jahren postwendend zurückgetreten war. Für die FPÖ steigt Strache-Nachfolger Dominik Nepp in den Ring, für die Grünen die Vizebürgermeisterin Birgit Hebein, die im Sommer Maria Vassilakou ablöste. Die NEOS gehen mit Christoph Wiederkehr an den Start, der seit dem Wechsel von Beate Meinl-Reisinger die Geschicke der Wiener Pinken leitet.

Kleinere profitieren vom neuen Wahlrecht

Alle Gruppierungen, die 2015 nicht die Fünf-Prozent-Hürde für den Einzug ins Stadtparlament geschafft haben bzw. heuer erstmals antreten, müssen für einen Antritt genügend Unterschriften sammeln. Auf Landesebene benötigt man pro Wahlkreis 100, auf Bezirksebene je Bezirk 50. Das gilt auch für DAÖ. Will die Allianz in ganz Wien für den Landtag (18 Wahlkreise) und für alle Bezirksvertretungen (23 Wahlkreise) kandidieren, braucht sie somit insgesamt 2.950 Unterschriften. Alternativ reicht die Unterstützung von fünf Nationalratsabgeordneten.

Die heurige Wien-Wahl ist übrigens die erste, die unter dem von Rot-Grün novellierten Wahlrecht stattfindet. Die Änderung betrifft den Umrechnungsmodus der Stimmenprozente auf die Mandatssitze für die einzelnen Fraktionen. Der neue Berechnungsschlüssel beschneidet die bisherige Bevorzugung der stimmenstärksten Partei – also der SPÖ – bei der Mandatszuteilung. Das bringt kleineren Fraktionen einen Vorteil.

Aus Wählersicht ändert sich auch eine Kleinigkeit. So soll dieses Mal rund eine Woche früher als bisher mit der Ausstellung von Wahlkarten begonnen werden. Dafür wurde die Frist, bis wann die Parteien ihre Wahlvorschläge, also die Kandidatenlisten, einreichen müssen, um ein paar Tage vorverlegt. Im Rathaus wird dies damit begründet, dass durch die immer beliebtere Briefwahl die Wahlbehörde mehr Zeit für die Ausstellung der betreffenden Stimmzettel benötigt.