Der Mathematiker und Simulationsexperte Nikolas „Niki“ Popper bei einem APA-Interview
APA/Herbert Neubauer
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Bildung

Experte: Einzelne Schulschließungen weiter nötig

Bei der Wiederöffnung der Schulen sollte man laut dem Simulationsexperten Niki Popper von der Technischen Universität (TU) Wien bei positiv getesteten Fällen schnell reagieren und Schulen auf Zeit sperren können. Auch der Abstand sei entscheidend.

Wo es technisch und organisatorisch möglich sei, sollte an Schulen die Dichte so weit wie möglich reduziert werden. Klassen sollten nicht voll besetzt sein, zwischen den Gruppen soll es zur Sicherheit zu wenig Vermischung kommen und die Hygienemaßnahmen müssten eingehalten werden, sagte der Experte.

„Zur Frage des Einflusses der Schulen auf die Ausbreitung von Covid-19 gibt es gerade eine intensive internationale Diskussion und noch viele Unklarheiten. Aber wir sehen in den Simulationsrechnungen, dass die genannten Punkte viel an möglichen Ausbreitungen reduzieren“, so Popper. Die Berechnungen seines Teams an der TU Wien dienen der Regierung mit jenen des Complexity Science Hub (CSH) Vienna als Entscheidungsgrundlage bei den Coronavirus-Maßnahmen.

Teilsperre oder Schließung auf Zeit

In den Berechnungen sehe man auch, dass positiv getestete Fälle möglichst schnell und konsequent aus dem System geholt werden müssen. „Es ist wichtig, dass man jetzt schon einen Modus mitdenkt, wie man dann einen Teil einer Schule oder eine Schule lokal für ein, zwei Wochen zumacht. Das muss man jetzt schon mitdenken, damit die Menschen wissen: Deswegen bricht jetzt nicht die Welt zusammen.“

Der Schaden sei in diesem Fall viel überschaubarer, als wenn alle Schulen zugemacht würden. Die Berechnungen zeigten aber, dass das sehr effektiv sei. „Man kann wahrscheinlich viel hochfahren, wenn man beim Auftreten von Infektionsclustern lokal schnell und schlau reagiert. Dann können wir sehr viel an negativen Ausbreitungseffekten abfangen.“

Eine Schließung nur jener Schulen mit Krankheitsfällen könnte laut Popper fast genauso gut wirken wie eine Schließung aller Schulen. „Allerdings nur, wenn man gescheit und intensiv testet und die infizierten Knotenpunkte schnell rausholt. Wir sehen in unsere qualitativen Rechnungen, dass das gut funktioniert.“

Auswirkungen der Öffnung sehr schwierig einzuschätzen

Anders als vor vier Wochen habe man heute mehr Testkapazitäten, und Popper hofft, dass diese Maßnahmen jetzt besser umsetzbar sind. Außerdem sei man schneller im Rausholen von positiv getesteten Personen aus dem System, indem etwa Schulen oder Arbeitsstätten geschlossen werden. „Wir hatten mehr Zeit, uns vorzubereiten. Vor vier Wochen wäre das wohl nicht so schnell und effizient gegangen.“

Wie sich die Öffnungen der Schulen quantitativ auf die Infektionszahlen in der Gesamtbevölkerung auswirken könnten, ist laut Popper wegen der Verkettung mit verschiedenen anderen Maßnahmen sehr schwierig einzuschätzen. Die Rückkehr der Maturaklassen und der Abschlussklassen der Berufsschulen ab 4. Mai sei allerdings sicher kein Problem, weil es sich nur um wenige Menschen handle.

Abstand im Kindergarten „völlig illusorisch“

Eine spezielle Herausforderung seien sicher die Kindergärten. „Dort ist es völlig illusorisch, Abstand zu halten. Wenn ein Kind in einer Gruppe das Coronavirus hat, muss ich in der Simulation davon ausgehen, dass es die anderen fünf bis zehn ebenfalls haben.“ Deshalb plädiert das Team um Popper auch hier für möglichst kleine Gruppen. Zusätzlich sollte man überlegen, die Kindergartenpädagoginnen und -pädagogen möglichst regelmäßig zu testen. „Da kann ich relativ schnell sehen, wenn wo etwas passiert.“

Schulen öffnen im „Schichtbetrieb“

Ab 15. Mai soll nach den Maturantinnen und Maturanten auch der Unterricht für die restlichen Schülerinnen und Schüler schrittweise beginnen. Wie das im Detail vonstattengehen soll, führte am Freitag ÖVP-Bildungsminister Heinz Faßmann aus. Eine zentrale Rolle spielt dabei die „Verdünnung“ an den Schulen. So soll in einem „Schichtbetrieb“ immer nur die Hälfte der Klasse anwesend sein.

Nach den Maturantinnen und Maturanten, die mit 4. Mai in die Schulen zurückkehren, sollen am 15. Mai die Schülerinnen und Schüler in den Volksschulen, den Mittelschulen und den Unterstufen den Unterricht wieder aufnehmen. Am 29. Mai folgt der Rest, also alle älteren Schülerinnen und Schüler – mehr dazu in news.ORF.at.