Der neue Direktor der Wiener Staatsoper Bogdan Roscic
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Kultur

Roscic: Staatsoper „muss neue Leute entdecken“

Zehn Premieren stehen in der ersten Spielzeit der Staatsoper unter der neuen Direktion von Bogdan Roscic an. Bereits im ersten Jahr sollen wichtige Säulen des Repertoires ausgetauscht werden. Roscic setzt zunächst stark auf Übernahmen und Koproduktionen.

„Das Haus spielt sehr viel, vielleicht mehr als jedes andere Opernhaus der Welt. Man muss 250 Abende Oper besetzen. Das geht gar nicht nur mit den paar ganz bekannten Namen. Da muss die Staatsoper, und das hat sie auch immer, und das werde ich ganz ausführlich fortsetzen, neue Leute entdecken“, sagte Roscic im Gespräch mit „Wien heute“. Es gebe Sängerinnen und Sänger, die anderswo schon große Erfolge gefeiert hätten, aber an der Staatsoper noch nicht debütiert haben. Und es würden auch sehr junge Leute zum Teil an der Staatsoper selbst im Rahmen eines Opernstudiums ausgebildet.

Ob die Spielzeit tatsächlich wie geplant im September beginnen kann, ist angesichts der Coronavirus-Krise derzeit nicht ausgemacht. „Das weiß keiner, aber ja ich rechne damit“, sagte Roscic. Er habe jedenfalls auch einen Plan B, C und D. Und wenn wegen des Coronavirus der Spielbetrieb stark eingeschränkt werden müsse, dann „muss man sich alles ganz anders überlegen, da soll man nicht eine Schmalspurversion dessen wozu das Haus eigentlich da ist, veranstalten. Sondern, da sollte man das Haus, zumindest eine Zeit, radikal neu denken. Aber da will ich mich nicht damit beschäftigen, weil ich andere Szenarien für wahrscheinlicher halte“, sagte Roscic.

Langfassung „Wien heute“-Interview mit Bogdan Roscic

„Butterfly“-Übernahme zum Auftakt geplant

An einem Haus wie der Wiener Staatsoper mit seinen 350 Vorstellungen pro Jahr und seinen rund 130 Produktionen bilden die Komponisten Wolfgang Amadeus Mozart, Richard Wagner, Giuseppe Verdi und Giacomo Puccini den Sockel des allabendlichen Geschehens. „Madama Butterfly“, „Die Entführung aus dem Serail“, „La Traviata“, „Carmen", Parsifal“, heißen einige der Premierenabende, mit denen Roscic für ein neues Basisprogramm am Haus sorgen will.

Der eiserne Vorhang
APA/Roland Schlager
Ob die Spielzeit tatsächlich wie geplant am 6. September beginnen kann, ist angesichts der Coronaviruskrise offen

Um auf diese Menge zu kommen, setzt die neue Direktion für die kommende Saison stark auf Übernahmen aus anderen Häusern sowie auf Koproduktionen. Eröffnet wird der Reigen laut Plan durch die in London und New York seit 2005 mit großem Erfolg gespielte „Butterfly“ des 2008 verstorbenen Anthony Minghella mit Sopranstar Asmik Grigorian in der Hauptrolle, gefolgt von Hans Neuenfels’ ikonischer Fassung der „Entführung“ aus der Stuttgarter Oper (1998) und Dmitri Tcherniakovs Inszenierung von „Eugen Onegin“ aus Moskau.

Für Wien neu adaptiert

Calixto Bieitos „Carmen“ wurde seit 1999 auf 29 Bühnen weltweit gezeigt, Barrie Kosky inszenierte „Macbeth“ ursprünglich für Zürich. Beide Regisseure kehren danach mit neuen Arbeiten zurück: Bieito wird 21/22 „Tristan und Isolde“ erarbeiten, Kosky startet mit dem „Don Giovanni“ eine neue Da-Ponte-Trilogie. Die nun nach Wien geholten Produktionen gastieren nicht, sie werden für die hiesigen Bedingungen adaptiert, neu einstudiert und gehen ins Repertoire über. In den weiteren Spielzeiten soll es dann verstärkt Eigenproduktionen geben.

Bogdan Rosic
APA/Georg Hochmuth
Zehn Opernpremieren plant der neue Operndirektor Bogdan Roscic in der ersten Spielzeit 2020/21

Erste große Eigenproduktion Henze gewidmet

Die erste neue Eigenproduktion soll am 13. Dezember Premiere haben und Hans Werner Henze gewidmet sein. „Das verratene Meer“ ist eine Erstaufführung am Ring, Jossi Wieler und Sergio Morabito inszenieren, Simone Young dirigiert, und mit Vera-Lotte Boecker wird ein Neuzugang im Solistenensemble in der Hauptrolle vorgestellt. Die zweite großen Eigenproduktion ist ein neuer „Parsifal“: Unter der musikalischen Leitung von Generalmusikdirektor Philippe Jordan singen Jonas Kaufmann und Elina Garanca, die ihr weltweites Debüt als Kundry gibt, Regie führt Kirill Serebrennikow, der Russland aktuell nicht verlassen darf.

„La Traviata“ mit Pretty Yende als Violetta ist als Koproduktion mit der Pariser Oper die erste Arbeit von Simon Stone am Haus, in der nächsten Saison folgt sein „Wozzeck“. „Faust“ in der Regie von Frank Castorf ist eine Koproduktion mit der Stuttgarter Oper, „L’incoronazione di Poppea“ hat als Koproduktion in der Regie von Jan Lauwers in Salzburg bereits 2018 Premiere gehabt. In Wien wird der Concentus Musicus im Orchestergraben spielen und so die unter Dominique Meyer begonnene Tradition barocker Werke mit Gastorchestern fortsetzen.

Zu den hervorstechenden Wiederaufnahmen zählen „Elektra“ in der zwischenzeitlich eigentlich abgelösten Inszenierung von Harry Kupfer und mit der Rückkehr von Franz Welser-Möst ans Dirigentenpult, die französische Urfassung von „Don Carlos“ mit Ildar Abdrazakov und Jonas Kaufmann und „Le Nozze“ in der ebenfalls zwischenzeitlich abgelösten Inszenierung von Jean-Pierre Ponnelle. Otto Schenks „Rosenkavalier“ wird musikalisch neu einstudiert.

Neustart für Ballett

Einen Neustart bedeutet die neue Direktion auch für das Ballett der Staats- sowie der Volksoper, das mit Martin Schläpfer nunmehr nicht nur einen neuen Direktor, sondern auch einen Chefchoreografen erhält. Dementsprechend viele Kreationen Schläpfers stehen auch auf dem Saisonprogramm. Im großen Haus stellt er sich mit einer Uraufführung vor: „4“ zur vierten Symphonie Gustav Mahlers bringt sämtliche Tänzerinnen und Tänzer der Compagnie in einer Arbeit zusammen.

Aber auch das Prinzip dreiteiliger Abende behält Schläpfer mitunter bei, etwa bei „Tänze Bilder Sinfonien“, wo Arbeiten von Balanchine und Ratmansky neben der Uraufführung seiner eigenen Kreation zu Schostakowitschs Fünfter stehen.