Rettungswagen vor Messe Wien
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Chronik

Asylwerber in Messe: „Anlaufschwierigkeiten“

Bei der Coronavirus-Quarantäne von rund 300 Asylwerbern in der Messe Wien räumt die ärztliche Leiterin Susanne Drapalik jetzt „Anlaufschwierigkeiten“ ein. Inzwischen habe sich aber Routine eingestellt. „Ausbruchsversuche“, wie kolportiert, habe es keine gegeben.

Die Entscheidung, die Asylwerber in die Messe zu verlegen, sei am 1. Mai am Abend sehr rasch gefallen, erinnert sich Drapalik. Sie ist Landeschefärztin des Samariterbunds, der für das Betreuungszentrum Messe verantwortlich ist. Alles habe in großer Geschwindigkeit erfolgen müssen. „Am 1. Mai – einem Feiertag – 300 Menschen zu verlegen, ihnen das zu erklären, ihnen gleich Essen anzubieten und Personal, das noch kurz geschult werden muss, bereitstellen zu können, war schon eine Riesenherausforderung, die aber eigentlich geklappt hat.“

26 Infizierte in Asylheim

Die Asylwerber, die im „Haus Erdberg“ wohnten, mussten umgesiedelt werden, nachdem dort eine Reihe von Bewohnern positiv auf das Coronavirus getestet worden waren und das Gebäude selbst unter anderem aus baulichen Gegebenheiten nicht unter Quarantäne gestellt werden konnte – mehr dazu in 26 infiziert: CoV-Tests in Asylheim abgeschlossen.

Neben mehr als einem Dutzend Infizierter in der Halle A der Messe befinden sich nun 277 Personen als Kontaktpersonen in der Halle C in Absonderung. War der Messe-Betreuungsstandort überhaupt für eine derart rasche Besiedelung mit mehreren hundert Personen auf einen Schwung ausgelegt? „Von der Grundkonzeption war das eigentlich nicht vorgesehen“, meint Drapalik: „Aber in einer Krise kann dann halt auch eine Situation auftauchen, mit der man nicht gerechnet hat.“

Schweinefleischgericht „war ein Hoppala“

Mehrfach gab es Kritik an den Zuständen in der Messe, von dort untergebrachten Personen, aber auch von Mitarbeitern. So wurde etwa bekannt, dass Muslimen – noch dazu an Ramadan – ein Gericht mit Schweinefleisch angeboten wurde. „Das war ein Hoppala. Das hätte nicht passieren dürfen. Aber es passieren Fehler – und wir haben das sofort ausgetauscht“, sagte Drapalik. Die Fleischzutat sei auf der Verpackung nicht gleich ersichtlich gewesen.

Inzwischen stünden Speisen, die halal sind, zur Verfügung und würden auch – den Ramadan-Vorschriften gemäß – um 3.00 Uhr früh verzehrt werden können. Freunde von außen könnten ebenfalls Essenspakete abgeben, die dann den Personen überbracht werden.

Zivildiener nach öffentlicher Kritik freigestellt

Fotos in Sozialen Netzwerken zeigten außerdem dicht gedrängte Menschen teils ohne Mundschutz in der Quarantänehalle. Auch Fluchtversuche habe es gegeben, so die Behauptung. Ein dort tätiger Zivildiener, der im Herbst bei der Wien-Wahl für die NEOS kandidieren will und die Zustände in der Messe angekreidet hat, ist inzwischen vom Dienst freigestellt worden. Drapalik argumentiert mit dem Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht: „Das hat nichts mit seinem politischen Hintergrund zu tun.“ Es hätte genug Möglichkeiten gegeben, geortete Missstände intern zu melden. Der Zivildiener habe dies aber nicht getan.

Drapalik räumt ein, dass die Einhaltung der Coronavirus-Regeln am Beginn alles andere als leicht durchzusetzen gewesen sei. „Das war am Anfang schwer. Wir mussten immer wieder sagen: Bitte Masken tragen. Bitte keine Schlangen bilden. Bitte Abstand halten.“ Es seien mehrsprachige Durchsagen gemacht und Zettel aufgehängt worden – in Deutsch, Englisch, Farsi, Arabisch.

Keine „Ausbruchsversuche“

Die größte Herausforderung sei aber gewesen, Leuten, die sich eigentlich gesund fühlen, die Notwendigkeit der Quarantäne zu erklären. „Wenn man fast 300 junge Männer in eine Halle sperrt und ihnen sagt ‚Du darfst nicht mehr hinausgehen‘, ist das nicht so einfach“, so die Medizinerin. „Ausbruchsversuche“ habe es trotzdem keine gegeben. „Manche haben geglaubt, es wäre erlaubt einkaufen zu gehen. Da mussten wir noch einmal erklären, was Quarantäne heißt.“

Auch der Krisenstab der Stadt Wien wies Gerüchte, wonach 28 Personen aus dem Betreuungszentrum abgängig seien, zurück. entschieden zurück. Es seien lediglich 19 Personen in eine andere Betreuungseinrichtung gebracht worden, so der Krisenstab am Donnerstagabend. Es sei niemand abgängig.

Vorwürfe für Hacker Vorwahlkampf

Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) reagierte am Freitag verärgert auf die Vorwürfe zum Betreuungsszentrum in der Messe. Es sei „unerträglich, was da im Augenblick auch vom Innenminister an Gerüchten in die Welt gesetzt wird, nur damit er da schon Vorwahlkampf in Wien machen kann“, nahm Hacker Bezug auf eine Falschmeldung, wonach einige Flüchtlinge abgängig gewesen sein sollen.

Zuletzt hatte es Meldungen gegeben, wonach es zu aggressiven Handlungen gegen das Messe-Personal gekommen sei. Hacker dazu: „Bei 300 Männern im Alter von 20 bis 30 – völlig wurscht, wo die 300 Männer herkommen – finden Sie nicht nur brave Schulbuben, sondern da finden Sie ein schönes buntes Durcheinander der Lebensrealität junger Männer.“ Es sei klar, dass es zu Überreaktionen komme, wenn man diese Anzahl an Menschen plötzlich für 14 Tage de facto einsperren müsse. Generell sei er sehr zufrieden mit der Situation in der Messe, meinte Hacker: „Ich finde, die haben das sehr gut – mit ein paar Hoppalas – in den Griff bekommen.“

Quarantäne noch bis Mitte Mai

Die Lage im Betreuungszentrum sei inzwischen äußerst ruhig, so die ärztliche Leiterin Drapalik. Sollte es zwischendurch trotzdem zu kleineren Reibereien kommen, seien Sicherheitsleute und Dolmetscher an Ort und Stelle. Außerdem hätten die Flüchtlinge Kontakt zu ihren Betreuungspersonen aus dem „Haus Erdberg“, der Psychosoziale Dienst und die Akutbetreuung Wien würden unterstützen.

Die 277 Flüchtlinge mit negativem erstem Test wurden inzwischen ein zweites Mal getestet. Das Ergebnis soll noch vor dem Wochenende vorliegen: „Es hat bisher aber niemand Symptome entwickelt.“ Nach Ablauf der zweiwöchigen Quarantäne – also Mitte Mai – sollen die Personen wieder zurück in das inzwischen vollständig desinfizierte Quartier in Erdberg übersiedeln. Wobei laut der Ärztin auch darüber nachgedacht wird, sie eventuell auf mehrere kleinere Unterkünfte aufzuteilen. „Aber man darf nicht vergessen: Das ist ihr Zuhause.“