Matthias Asboth, Leiter der Dramaturgie, Herbert Föttinger, Direktor, Günter Rhomberg, Aufsichtsrat, Schauspieler Michael Dangl  im Rahmen einer PK Theater in der Josefstadt "Spielzeit 2019/20
APA/Hans Punz
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Kultur

CoV: Föttinger rechnet mit Politik ab

Im Zeichen des Coronavirus ist die Programmpräsentation des Theaters in der Josefstadt gestanden. Direktor Herbert Föttinger kündigte sechs Uraufführungen an. Die Bundesregierung und ihre Einschränkungen des Kulturbetriebs kritisierte er schon jetzt.

„Diese Pandemie ist eine Zumutung für die Freiheit der Kunst“, so Föttinger, und: „Diese Bundesregierung ist eine Zumutung für die österreichische Kulturnation.“ Er kritisierte die Plan- und Empathielosigkeit der Regierung und zeigte großes Verständnis für das jüngste „Wut-Video“ des Kabarettisten Lukas Resetarits: „Wir möchten endlich von der Bundesregierung Perspektiven haben.“ Nach einem Vier-Augen-Gespräch mit Kulturminister Werner Kogler (Grüne) am 24. April noch zuversichtlich, richtete Föttinger nun deutliche Worte an Kanzler Kurz: „Vergessen Sie Ihre Umfragewerte und handeln Sie jetzt!“

Herbert Föttinger, Direktor Theater in der Josefstadt
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Herbert Föttinger

Kurz, aber auch Finanzminister Blümel (beide ÖVP), der ja auch Kulturminister gewesen sei, dürften sich jetzt ihrer Verantwortung nicht entziehen. "Die Zeit des Lavierens muss vorbei sein“, forderte Föttinger klare Perspektiven für künftigen Proben- und Spielbetrieb ein. „Halbgare Möglichkeiten zulasten der Freiheit der Kunst darf es nicht geben.“ Schließlich gelte: „Nur dort wird Kunst entstehen, wo sie frei sein kann.“ Jeder Eingriff in das Kunstschaffen stelle „eine Form der Zensur dar“, bei der als nächstes Pressfreiheit, Meinungsfreiheit und Handlungsfreiheit in Gefahr gerieten.

„Künstlerische und ökonomische Katastrophe“

Föttinger las zu Beginn der Pressekonferenz einen Teil des Kunst- und Kulturkapitels des geltenden Regierungsprogramms vor. Er forderte einen Rettungsschirm von Kurz, „der uns sicher durch diese Krise bringt“: „Wenn Ihnen Theater, wenn Ihnen Kunst und Kultur irgendetwas wert ist, dann müssen wir das jetzt von Ihnen hören.“ Ein Spielbetrieb unter den aktuellen Abstandsregeln bedeute für die Josefstadt 170 Zuschauer – eine „künstlerische und ökonomische Katastrophe“, wie es Föttinger nannte.

Föttinger hatte gemeinsam mit Stiftungsvorstand Günter Rhomberg und Chefdramaturg Matthias Asboth auf der Bühne Platz genommen, für „eine analoge Pressekonferenz mit Erlaubnis des Innenministeriums“, für die man sich auf 60 Teilnehmer geeinigt habe. „Jede Hauptprobe ist bei uns besser besucht“, ätzte Föttinger in Richtung Journalisten, die zur Gewährung des Sicherheitsabstandes Platzkarten erhalten hatten. Man wolle aber „keine Situation wie im Kleinwalsertal“, spielte er auf den Kurz-Besuch an.

(v.l.), Matthias Asboth, Leiter der Dramaturgie, Herbert Föttinger, Direktor, Günter Rhomberg, Aufsichtsrat
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(v.l.), Matthias Asboth, Leiter der Dramaturgie, Herbert Föttinger, Direktor, Günter Rhomberg, Aufsichtsrat

Finanziell steht Wasser bis zum Hals

„Bei einer normalen Finanzvorschau müssten wir sagen: Wir sind pleite!“, sagte Günter Rhomberg, Vorsitzender im Stiftungsvorstand der „Theater in der Josefstadt – Privatstiftung“. Derzeit sei man alleine gelassen: „Wir brauchen Planungsgrundlagen und Planungssicherheit.“ Das Theater sei mit 400 Beschäftigten auch ein ganz normaler Wirtschaftsbetrieb, der derzeit Gefahr laufe, nicht mehr aufsperren zu können. Daher erwarte man sich „von der Regierungsspitze, konkret auch vom Bundeskanzler und dem Finanzminister, dass es eine Perspektive für die Kulturbetriebe gibt, und nehmen das ‚Koste es, was es wolle‘ wörtlich.“

Rhomberg konstatierte einen Mangel an kompetenten Kulturpolitikern in Österreich, Föttinger erinnerte daran, dass rund 200.000 Menschen im Kultursektor arbeiten und eine Wertschöpfung von fast sechs Milliarden Euro erwirtschaften. Es brauche „eine Kulturmilliarde oder zwei, aber das muss es der Kulturnation Österreich wohl wert sein“. Den Einnahmenentgang bis Ende der Saison bezifferte Föttinger mit vier Millionen Euro, eine Spielzeit mit nur 170 zugelassenen Besuchern pro Vorstellung bedeutete acht Millionen Euro Verlust.

Theaterdirektor Föttinger rechnet mit Politik ab

Im Zeichen des Coronavirus ist die Programmpräsentation des Theaters in der Josefstadt gestanden. Direktor Herbert Föttinger kündigte sechs Uraufführungen an. Die Bundesregierung und ihre Einschränkungen des Kulturbetriebs kritisierte er schon jetzt.

„Berge und Baumärkte“

Im Laufe der Pressekonferenz wurden Stellungnahmen zur aktuellen Lage von Claus Peymann, Peter Turrini, Daniel Kehlmann und David Schalko verlesen. Daniel Kehlmann zum Beispiel schrieb: "Die Regierung hat auf die Pandemie früh reagiert, früh hat sie auch einen strukturierten Ausstiegsplan aus den epidemiologischen Maßnahmen vorgelegt; eigentlich eine beeindruckende Leistung; nur schade, dass dabei die Kultur ganz vergessen wurde.

Österreichischen Politikern ist es immer recht, sich auf ihre Kulturnation, auf Lipizzaner, Philharmoniker, Oper, Burg und Josefstadt sowie den mit Preisen überhäuften österreichischen Film zu berufen, aber wenn all das mit einem Mal von einer weltweiten Katastrophe überrollt wird, ist in der Politik, die sich sehr für Möbelhäuser und Baumärkte interessiert, niemand erreichbar. Ich hätte nicht gedacht, dass in meiner Lebenszeit der sonst so wolkige Begriff ‚Freiheit der Kunst‘ noch solche Konkretheit annimmt – aber die Theater müssen wieder spielen dürfen.

Man muss es den Künstlern erlauben, aufzutreten, muss ihnen zumindest einen Weg skizzieren, ihren Lebensunterhalt verdienen zu können! Das ist die Mindestforderung, die primitivste Notwendigkeit. Ansonsten droht ein Massensterben und ein Exodus, die damit enden könnten, dass dieses Land im Ausland tatsächlich nur noch mit seinen Bergen und Baumärkten renommieren kann."

Erstmals Jelinek-Stück auf dem Spielplan

Auch wenn die Umstände nicht klar sind: Föttinger kündigte dann für die nächste Saison sechs Uraufführungen an. Am 17. September wird mit den Thomas-Bernhard-Dramoletten „Der deutsche Mittagstisch“ in der Regie von Claus Peymann eröffnet. Man habe fünf Produktionen in die nächsten zwei Saisonen verschieben müssen, „um jene vier Produktionen, die wir nicht aufführen konnten, retten zu können“, sagte Föttinger. Chefdramaturg Matthias Asboth nannte es einen „sehr österreichischen, sehr politischen Spielplan“, der sich inhaltlich am Jubiläum 75 Jahre Zweite Republik und an der herrschenden Krise der Demokratie orientiere.

Mit „Rechnitz“ steht erstmals ein Stück von Elfriede Jelinek auf dem Spielplan des Theaters in der Josefstadt. Man verhandle über die Rechte an einer Uraufführung, in der es um aktuelle Fragen gehen werde: „Wie verändert sich eine Gesellschaft, wenn Normen nicht mehr gelten? Wie weit ist der Humanismus tatsächlich in der Gesellschaft verankert?“. „Leben und Sterben in Wien“ heißt ein Auftragsstück, das Thomas Arzt über die Zeit 1927 bis 1934 schreibt. „Er macht uns hier einen Horvath’schen Kosmos auf“, skizzierte Asboth und lobte „die poetische und schonungslose Sprache“ des Autors.