Gesundheitsstadtrat Peter Hacker sitzt an einem Tisch
APA/Herbert Pfarrhofer
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Politik

Hacker hält Nehammer nicht für zuständig

Der Coronavirus-Cluster sorgt für einen politischen Schlagabtausch. Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) rügte die Stadt Wien. Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) sieht aber keinerlei Zuständigkeit bei Nehammer.

Rund um den großen Coronavirus-Cluster in Wien und Niederösterreich haben sich Montagvormittag noch mehrere hundert Personen in Quarantäne befunden. Bisher wurden „mehr als 400 Absonderungsbescheide“ ausgestellt, sagte Andreas Huber, Sprecher des medizinischen Krisenstabs der Stadt. Die Nachverfolgung der Ansteckungskette war jedoch noch nicht abgeschlossen – mehr dazu in Rund um CoV-Cluster mehr als 400 in Quarantäne.

Innenminister Nehammer bezeichnete die Infektionszahlen in der Bundeshauptstadt in einer eigens einberufenen Pressekonferenz als „besorgniserregend“. Man müsse eine zweite Welle unterbinden, „es braucht ein Miteinander, kein Gegeneinander“, so der Innenminister. Er bot der Stadt – wie auch am Wochenende – eine verstärkte Zusammenarbeit an. Die Transparenz und die Zusammenarbeit seien ausbaufähig, sagte Nehammer, dessen Parteikollege und Finanzminister Gernot Blümel für die ÖVP bei der Wien-Wahl im Herbst als Spitzenkandidat antritt.

„Arbeiten bestens mit Gesundheitsministerium zusammen“

„Wir arbeiten engstens und bestens mit dem Gesundheitsministerium zusammen. Das ist die gesetzlich festgelegte Kommunikationslinie“, stellte Hacker am Montag klar. Das Gesundheitsministerium untersteht den Grünen, mit denen die Wiener SPÖ in der Stadtregierung koaliert.

Hacker wunderte sich über das „Durcheinander“ im Bund. Dort gebe es inzwischen drei Krisenstäbe – im Gesundheits- und im Innenministerium sowie im Bundeskanzleramt. „Das Epidemiegesetz schreibt klar vor, dass der zuständige Minister allein der Gesundheitsminister ist. In Wirklichkeit ist es ein bisschen merkwürdig, dass es neben dem großen Stab im Gesundheitsministerium einen gleichrangigen Stab im Innenministerium gibt. Wir haben schon im März die Frage gestellt, was eigentlich die Grundlage für diesen Stab ist. Und nur weil die ÖVP da jetzt Wahlwerbung machen möchte mit ihren Stäben, da spielen wir sicher nicht mit“, sagte Hacker gegenüber „Wien heute“.

Alle vom Innenminister geforderten Informationen lägen beim Bund – und zwar beim für Epidemien zuständigen Gesundheitsministerium, so Hacker. Das betreffe nicht zuletzt Angaben zu jener Leiharbeitsfirma, die mit Infektionen in den Post-Zentren Wien-Liesing und Hagenbrunn (NÖ), im Asylwerberheim Erdberg und in einem Wiener Kindergarten zusammenhängen dürfte.

Hacker hält Nehammer für nicht zuständig

Der Coronavirus-Cluster sorgt für einen politischen Schlagabtausch. Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) sieht aber keinerlei Zuständigkeit bei Nehammer. Im Studio erklärt er seine Sicht der Dinge.

„Ziemlich unerträgliches Wien-Bashing“

Er habe sich deshalb auch über die heutigen – Nehammers zeitgleich geäußerter Kritik widersprechenden – Aussagen von Ressortchef Rudolf Anschober (Grüne) gefreut, wonach es einen guten Informationsaustausch mit Wien gebe. „Wir machen jeden Tag Videokonferenzen, hören uns, schreiben uns SMS“, führte Hacker aus. Er sehe hingegen keinerlei gesetzliche Grundlage für einen Erklärungsbedarf gegenüber dem Innenminister. Womöglich sollte sich der Bund intern besser koordinieren, riet er. In Wien gebe es in Sachen Covid-19 im Übrigen eine „exzellente Zusammenarbeit“ mit der Polizei, die auch im medizinischen Krisenstab der Stadt vertreten sei.

„Ich befürchte, dass das mit Inhalt nichts zu tun hat, sondern parteipolitisches Gezänk ist“, ärgerte sich der Stadtrat: „Es versteht niemand, warum die ÖVP versucht, daraus Körberlgeld zu machen. Ich kenne auch niemanden, der dafür großen Applaus spendet.“ Man könne eigentlich angesichts des heutigen Auftritts von Nehammer nur den Kopf schütteln und sich nicht weiter damit beschäftigen, so Hackers Resümee. Wie die ÖVP für die Wien-Wahl im Herbst wahlkämpfen wolle, wenn sie ständig auf Wien hinhaue, sei ihm sowieso ein Rätsel – „aber das ist nicht mein Problem“. Für Hacker sei es „ein ziemlich unerträgliches Wien-Bashing auf typischem ÖVP-Niveau“.

Abgesehen vom politischen Schlagabtausch kündigte Hacker gegenüber „Wien heute“ an, nach den bekanntgewordenen Fällen in Deutschland auch in Wien verstärkt in der fleischverarbeitenden Industrie testen zu wollen. Erste Tests habe es schon gegeben. „Wir haben drei große Betriebe geprüft. Wir haben bei zwei Betrieben überhaupt kein Problem gesehen und bei einem ein kleines Problem. Wir wollen diese kleinen Probleme erkennen, um eine flächendeckende Ausbreitung in Wien zu erkennen“, so Hacker.

Ludwig verwundert über widersprüchliche Aussagen

Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) nahm die „teils gegensätzlichen Aussagen der Bundesregierung“ zur Lage in Wien mit „Verwunderung“ zur Kenntnis, wie er per Aussendung mitteilte. Anschober sowie Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) hätten die Kooperation mit der Wiener Landesregierung und den Wiener Behörden gelobt und von einer sehr guten Zusammenarbeit gesprochen.

„Keine 15 Minuten später hat Innenminister Nehammer in einer eigenen Pressekonferenz eine ‚Mahnung an die Stadt Wien‘ ausgerufen und eine mangelnde Zusammenarbeit seitens der Stadt Wien beklagt“, so Ludwig. Er verlangte von der Bundesregierung, „dass sie in Zeiten einer Krise klar, verständlich und mit einer Stimme mit den Bundesländern und mit der Bevölkerung kommuniziert“, so Ludwig. Alles andere sorge für Verunsicherung.