Mann in Schutzanzug mit Aufschrift 141 Ärztefunk Wien
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Chronik

Einsatz von Ärztefunkdienst hielt CoV-Zahlen klein

Die Wiener Ärztekammer zieht eine erste Coronavirus-Bilanz und beruft sich dabei auf eine mathematische Studie. Diese zeige, dass der Epidemieverlauf ohne den Einsatz des Ärztefunkdienstes fast dreimal so heftig sein hätte können.

Coronavirus-Proben zu Hause nehmen, testen und Verdachtsfälle zu Hause isolieren – so habe der Epidemieverlauf in Wien um das bis zu Dreifache reduziert werden können, sagte der Vizepräsident der Ärztekammer, Johannes Steinhart, am Samstagabend gegenüber „Wien heute“.

Man habe mit dieser Strategie die Spitäler, aber auch die Ordinationen geschützt, damit keine infizierten Menschen in die Wartebereiche kommen, wo – wie in Italien – sehr viele weitere Infektion stattfinden hätten können. Durch den Einsatz des Ärztefunkdienstes habe man die Möglichkeit gehabt, „die Leute sofort zu separieren“.

60 Prozent aller Fälle in Wien

Die Wiener Ärztekammer beruft sich auf eine Studie des Physikers, Komplexitätsforschers und Ökonomen Stefan Thurner. Er rechnete aus, wie es sich konkret ausgewirkt hätte, wenn der Wiener Ärztefunkdienst keine Infektionen bei den Menschen zu Hause entdeckt und in der Folge keine Quarantäne stattgefunden hätte.

Studie: Wiener Maßnahmen funktionieren

Hotels, Bäder oder Fitnesscenter – während am 29. Mai die nächsten Öffnungsschritte passieren, zieht die Wiener Ärztekammer eine erste Coronakrisen-Bilanz. Ihre Studie zeigt auch, wie sich die frühzeitige Isolation von Verdachtsfällen in Wien ausgewirkt hat.

Im Zeitraum vom 8. März bis 27. April wurden in Wien vom Ärztefunkdienst exakt 1.436 positive Fälle gefunden, das entspricht etwa 60 Prozent aller Infektionsfälle in Wien. Ende April hätte es ohne den Einsatz des Ärztefunkdienstes statt der knapp 2.400 Infektionsfälle in Wien zwischen 3.900 und 6.700 Fälle gegeben, heißt es in der Studie. „Das ist ein mathematisches Berechnungsmodell, es basiert auf Differenzialgleichungen. Sie müssen eine Reihe von Paramentern eingeben in dieses Modell“, sagte Thurner im „Wien heute“-Interview.

Große Differenz bei Sterbefällen

300 bis 530 Patienten und Patientinnen wären laut der Studie am Höhepunkt der Epidemie im Spital gelegen, tatsächlich waren es 200 – bis zu 100 Menschen auf Intensivstationen (tatsächlich waren es 40). „Das Spektakulärste sind sicher die Sterbefälle. Ende April haben wir über 100 Tote in Wien gehabt. Man muss davon ausgehen, dass es mindestens 170 Tote gewesen wären“, so der Studienautor weiter.

Am 28. Februar fuhr der Ärztefunkdienst das erste Mal zu Menschen nach Hause, die als Coronavirusverdachtsfall galten, und nahmen dort Abstriche für die Testung vor. Durch die aktuell niedrigen Infektionszahlen verringerte sich die Aufgabe des Ärztefunkdienstes mittlerweile wieder. Derzeit komme er mehr in der Betreuung und weniger in der Probenabnahme zum Einsatz, heißt es. Im Fall einer zweiten Welle soll der Ärztefunkdienst aber wieder zur Probenabnahme bei den Verdachtsfällen zu Hause herangezogen werden.