Alexander Van der Bellen
APA/ÖPK/Gottschling
APA/ÖPK/Gottschling
Politik

Van der Bellen: Strafbarkeit umstritten

In der Sperrstunden-Causa um den Bundespräsidenten ist umstritten, ob der Vorfall überhaupt strafbar ist. Alexander Van der Bellen war nach der Coronavirus-Sperrstunde in einem Schanigarten. Einer Verfolgung müsste auch die Bundesversammlung zustimmen.

Grundsätzlich gilt, dass das Betreten von Betriebsstätten des Gastgewerbes zwischen 23.00 und 6.00 Uhr aufgrund der Coronavirus-Maßnahmen untersagt ist. „Der Betreiber darf das Betreten der Betriebsstätte für Kunden nur im Zeitraum zwischen 6.00 und 23.00 Uhr zulassen“, heißt es in der von Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) am 30. April erlassenen Covid-19-Lockerungsverordnung (Paragraf 6 Abs. 2).

Ob diese Bestimmungen im Falle von Van der Bellen zum Tragen kommen könnten, ist unter Experten umstritten. In der Lockerungsverordnung ist nur erwähnt, dass der „Betreiber“ den Kunden nach der Sperrstunde die Betriebsstätte nicht betreten lassen darf. In Zusammenhang mit dem Covid-19-Maßnahmengesetz müsse man die Bestimmung aber so lesen, dass sich auch Kunden strafbar machen können, so Karl Stöger, Professor für öffentliches Recht an der Universität Graz, in der „Presse“.

Gastgarten eines Restaurants
ORF/D. Manola
Van der Bellen und seine Frau trafen sich in dem Schanigarten mit Bekannten

Strafen bis zu 3.600 Euro denkbar

In diesem bereits im März beschlossenen Maßnahmengesetz sind u. a. die grundsätzlichen maximalen Strafhöhen bei Verstößen gegen die Maßnahmen vom März festgelegt (Paragraf 3 Abs. 1 und Paragraf 3 Abs. 2): „Wer eine Betriebsstätte betritt, deren Betreten (…) untersagt ist, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von bis zu 3.600 Euro zu bestrafen“, heißt es darin.

Deutlich höhere Strafen drohen den Betreibern: „Wer als Inhaber einer Betriebsstätte nicht dafür Sorge trägt, dass die Betriebsstätte, deren Betreten (…) untersagt ist, nicht betreten wird, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von bis zu 30.000 Euro zu bestrafen.“ Darüber hinaus besteht laut Sozialministerium die Möglichkeit, mittels Organstrafverfügung Geldstrafen einzuheben.

Gegenüber der APA sagte Verwaltungsrechtler Stöger, es bestünden hier unter Experten aber unterschiedliche Rechtsauffassungen. Die Frage sei etwa, ob auch das Verbleiben in der Betriebsstätte nach Beginn der Sperrstunde für den Gast strafbar ist.

Keine eindeutige Rechtsauskunft aus Ministerium

Der Verfassungsjurist Heinz Mayer verwies auch darauf, dass es fraglich sei, ob ein bloßes Verweilen in einem öffentlich zugänglichen Schanigarten überhaupt von der Verordnung erfasst sein kann. Wenn der Wirt seinen Betrieb um 23.00 Uhr zusperre und der Gast im Schanigarten auf der Straße sitzen bleibe, dann sieht Mayer keine Möglichkeit einer Strafe, denn auf dem Sessel könnte ja jeder Platz nehmen.

Problematisch sei das nur, wenn der Gast nach 23.00 Uhr noch etwas ordert bzw. etwas serviert bekommt – oder der Gast nicht aus dem Lokal selbst oder einem nicht öffentlich zugänglichen Gastgarten hinauskomplimentiert wird, so Mayer. Auch aus dem Sozialministerium gab es zu diesen Fragen am Montag vorerst keine eindeutige Rechtsauskunft.

Polizei kontrollierte Van der Bellen nach Mitternacht

Bundespräsident Van der Bellen und seine Frau Doris Schmidauer waren in der Nacht auf Sonntag um 0.18 Uhr – fast eineinhalb Stunden nach der verordneten Coronavirus-Sperrstunde – im Schanigarten eines Italieners in der Wiener Innenstadt von der Polizei erwischt worden, gemeinsam mit Bekannten. Offiziell war das Lokal zu diesem Zeitpunkt jedoch bereits geschlossen.

Van der Bellen gestand den Fehler ein – er habe sich „verplaudert und leider die Zeit übersehen“, sagte er dazu. Auch kündigte er an, allfällige Strafen für den Wirt übernehmen zu wollen.

Behörde müsste Gesuch stellen

Am Montag hieß es seitens der Wiener Magistratsdirektion, dass die entsprechende Sachverhaltsdarstellung der Polizei am Montagvormittag eingelangt sei. Diese werde nun von den zuständigen Bezirksämtern rechtlich geprüft, sagte eine Sprecherin. Ansonsten bitte man um Verständnis, dass man ein laufendes Verfahren nicht kommentieren werde.

Voraussetzung für eine behördliche Verfolgung eines Bundespräsidenten ist in jedem Fall die Zustimmung der Bundesversammlung (gemeinsame Sitzung von Nationalrats- und Bundesratsabgeordneten). Dazu müsste die Behörde ein Gesuch an den Nationalratspräsidenten stellen. In der Bundesversammlung brauchte es dann eine einfache Mehrheit, sagten die Juristen Mayer und Stöger wie auch Verfassungsrechtler Theo Öhlinger.

Keine Schelte von Regierungsspitze

Keinen Kommentar gab es zu dieser Causa am Montag seitens Innenminister Karl Nehammer (ÖVP): „Aus meiner Sicht ist dazu alles gesagt“, erklärte er am Rande einer Pressekonferenz. Auch von der Regierungsspitze kam am Montag keine Kritik. Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) meinte am Rande einer Pressekonferenz lediglich, es gehe allen im Land gleich, egal ob Bundespräsident oder nicht: Alle freuten sich, mehr und mehr zur Normalität zurückkehren zu können.

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) schoss sich vor allem auf die Kritiker aus den Reihen der FPÖ ein. Allein in seinem Heimatbundesland Steiermark habe es mehrere Vorfälle blauer Landtagsabgeordneter gegeben, die an „Corona-Partys“ teilgenommen oder zu diesen angestiftet hätten, so der Vizekanzler.

FPÖ fordert Generalamnestie

Erledigt ist die Sache für SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner: „Ich glaube, das Wichtigste ist an Fehlern, wenn sie gemacht wurden, dass man sie rasch eingesteht, dass man sich entschuldigt und dass man für sie auch einsteht.“ All das treffe auf den Bundespräsidenten zu. Der Bundeskanzler könnte sich daran ein Beispiel nehmen, so Rendi-Wagner mit Blick auf den jüngsten Kleinwalsertal-Besuch von Kurz.

FPÖ-Chef Norbert Hofer nahm die Causa zum Anlass, erneut eine Generalamnestie für alle zu fordern, die wegen Verstößen gegen Coronavirus-Verordnungen Geldstrafen zahlen mussten. Der Bundespräsident sei auch „Schutzherr über die Verfassung“, so Hofer. Die Bedenken namhafter Juristen, wonach viele Coronavirus-Gesetze und -Verordnungen verfassungswidrig seien, habe dieser jedoch unkommentiert gelassen.