NEOS-Klubobmann Christoph Wiederkehr überreichte der FPÖ einen Aluhut
ORF
ORF
Politik

Gemeinderat: Disput mit Aluhut

Am Dienstag hat die FPÖ mit einem Transparent gegen die neue Sitzordnung, laut der Mandatare zwecks Abstandsregel auch auf die Besuchertribüne ausweichen müssen, ihren Unmut kundgetan. NEOS bedachte die Blauen daraufhin mit einem Aluhut.

Seit Ausbruch der Pandemie finden Sitzungen des Gemeinderats und Landtags im Rathaus unter speziellen Spielregeln statt. Neben verkürzten Redezeiten und einer regelmäßigen Desinfektion des Rednerpults gehört dazu auch eine neue Sitzordnung. Einzelne Abgeordnete müssen seither auf die Tribüne ausweichen, damit die Bänke nicht allzu dicht besetzt sind.

FPÖ will „zurück zur alten Normalität“

Die FPÖ ignorierte den neuen Sitzplan – wie bereits am Montag in Aussicht gestellt – nun erstmals. Sämtliche blauen Mandatare saßen wie vor Coronavirus-Zeiten ohne Abstand an ihren angestammten Plätzen. „Wir wollen zurück zur alten Normalität“, sagte Klubobmann Anton Mahdalik.

FPÖ-Klubobmann Anton Mahdalik protestierte mit einem Schild gegen die Sitzordnung im Wiener Gemeinderat
ORF
FPÖ-Klubobmann Mahdalik setzte als Zeichen des Protests auf ein Schild

Als die Fraktionen die Vereinbarung zum geänderten Sitzungsablauf Mitte März beschlossen, sei die Situation eine andere gewesen: „Es wurde der Teufel an die Wand gemalt, es wurde – wie wir heute wissen – bewusst Angst gemacht.“ Das sei inzwischen nicht mehr aktuell. Während FPÖ-Mitglieder ein Transparent mit dem Slogan „Zurück zur Demokratie. Schluss mit dem rot-schwarz-grünen Ständestaat“ entrollten, forderte Mahdalik die Rückkehr zu den gewohnten Spielregeln: die Entfernung des „Glaskobels“ beim Rednerpult, die Wiedereinführung der Fragestunde und ein Ende der Redezeitverkürzungen.

NEOS: „Das hat mit Dummheit zu tun“

Während die SPÖ-Abgeordneten mit „Wir halten Abstand aus Respekt“-Taferln konterten, reagierte NEOS-Klubobmann Christoph Wiederkehr deftiger. „Das hat nichts mit Demokratie zu tun, sondern das hat mit Dummheit zu tun“, richtete er den Blauen aus. Man könne darüber diskutieren, ob oder inwiefern die Sitzungen im Juni wieder nach alter Ordnung abgehalten werden können. Aber es sei „lächerlich und widersinnig“, hier darauf zu bestehen, keinen Abstand mehr zu halten: „Sie sind die Aluhut-Fraktion des Gemeinderats“, sagte Wiederkehr und überreichte Mahdalik eine ebensolche Kopfbedeckung.

Lockerungen für Juni-Sitzungen denkbar

Gemeinderatsvorsitzender Thomas Reindl (SPÖ) verwies auf die Sonderfraktionsvereinbarung, mit der im März einstimmig die seither gültigen Vorgaben festgelegt wurden. Die einseitige Auflösung durch eine Fraktion sei in der Stadtverfassung und der Geschäftsordnung nicht vorgesehen: „Wir machen das auch zu unserer Sicherheit und zur Sicherheit unserer Mitarbeiter.“

Die Rechte der Opposition würden insofern nicht beschnitten, als Fragen statt mündlich schriftlich gestellt werden könnten und darüber hinaus weiterhin die Möglichkeit etwa von Dringlichen Anträgen, Dringlichen Anfragen und für die Einberufung von Sondersitzungen bestehe, so Reindl. Lockerungen im Sitzungsablauf könnte es trotzdem bald geben. Reindl sagte, die Fraktionen hätten vereinbart, bis 4. Juni entsprechende Vorschläge zu machen, um die Juni-Sitzungen – dann findet nicht zuletzt die zweitägige Budgetdebatte statt – weniger strikt ablaufen zu lassen.

Tumult und Aluhut im Gemeinderat

Wieder eng zusammen sitzen wollen die Freiheitlichen im Gemeinderat. Warum sie das so sehen und wie sie dafür einen Aluhut bekommen berichtet Elisabeth Tschank.

Fünf ÖVP-Forderungen an Stadtregierung

Die ÖVP wollte mittels Dringlichen Antrags die Kooperation mit der Bundesregierung erzwingen. Der nicht amtsführende Stadtrat Markus Wölbitsch (ÖVP) gab zu bedenken, dass seit Mai-Beginn rund 60 Prozent der landesweiten Neuinfektionen und aktuell mehr als die Hälfte der „aktiven Fälle“ in Wien verzeichnet würden. Seit einer Woche liege die Reproduktionszahl in Wien außerdem über eins. Wölbitsch sprach insgesamt von „besorgniserregenden Fakten“: „Man kann von keinem Politiker, der Wien liebt, erwarten, dass er sich da zurücklehnt.“

Also werde seine Partei fünf Forderungen einbringen, darunter die nach mehr Coronavirustests. Außerdem appellierte Wölbitsch einmal mehr an die Stadt, das „Angebot“ von Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) zu nutzen, was die Einhaltung von Quarantänevorschriften und die Nachverfolgung von Infektionsketten anbelangt. So hätte der große Cluster in Wien und Niederösterreich rund um zwei Postzentren eventuell verhindert werden können, mutmaßte der ÖVP-Stadtrat. Außerdem pochtesss man auf eine „umfassende Kooperation und Kommunikation“ mit dem Krisenstab des Innenministeriums.

Markus Wölbitsch im Gemeinderat
ORF
Der nicht amtsführende Stadtrat Wölbitsch trägt das Hickhack zwischen ÖVP und Stadt in den Gemeinderat

Bürgermeister Michael Ludwig und Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (beide SPÖ) hatten in den vergangenen Tagen wiederholt betont, dass Wien hervorragend mit dem Bund kooperiere – und zwar mit dem zuständigen Stab von Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne). Und mit der Wiener Polizei gebe es bereits eine sehr gute Zusammenarbeit in Sachen Quarantäneüberwachung.

FPÖ-Misstrauensantrag gegen Hacker

Mit Wahlkampf habe die Sache nichts zu tun, so Wölbitsch und ÖVP-Gesundheitssprecherin Ingrid Korosec gleich mehrmals, „parteipolitisches Hickhack sei nicht angesagt“. Korosec: „Der Kampf gilt nicht einer Einzelperson oder einer Partei, sondern einzig und allein dem Virus.“ Insofern werde die ÖVP auch den Misstrauensantrag der FPÖ gegen Hacker nicht unterstützen. Dieser sollte im anschließenden Sondergemeinderat eingebracht werden. Dabei wollte die FPÖ ihre eigene Bilanz zum Coronavirus-Krisenmanagement der Stadt ziehen.