Der Vorstand der 4. Medizinischen Abteilung Christoph Wenisch in der Isolierstation der Infektionsabteilung des Kaiser-Franz-Josef-Spitals in Wien
APA/Helmut Fohringer
APA/Helmut Fohringer
Wissenschaft

CoV: Virologe Wenisch gegen regionale Lösungen

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat einfachere Coronavirus-Regeln angekündigt. Bundesländer sollen etwa selbst Regeln verschärfen können. Aus Sicht des Wiener Virologen Christoph Wenisch ist das eine politische Entscheidung, keine medizinische.

„Ich denke, es ist so, dass die Altersgruppen unterschiedlich betroffen sind, und nicht die Bundesländer“, sagte Wenisch im „Wien heute“-Studiogespräch mit Elisabeth Vogel. Er glaube, dass in einem kleinen Land wie Österreich Unterschiede zwischen den Bundesländern die Gefahr einer Diskriminierung mit sich bringen. „Diese Gefahr muss abgewägt werden vor potenziellen Vorteilen. Das ist eine eindeutige politische Abwägung und keine, die auf Basis einer Infektion erfolgen muss“, sagte Wenisch. Insofern gebe er diese Frage an die Politik zurück.

Auf Nachfrage sagte Wenisch dann noch, es werde einzelne Ausbrüche geben. Ausbrüche, die schneller entdeckt werden könnten, weil wie etwa in Wien die Testinfrastruktur sehr gut sei. „In manchen Tälern ist die Testinfrastruktur vielleicht nicht so gut, und hier wird man vielleicht nicht so schnell draufkommen“, sagte Wenisch. Er betonte aber relativierend, dass er nichts zu den Bundesländern sagen könne, „weil ich das nicht beurteilen kann, wie es im Bundesland aussieht“.

„Keine Sonderlösungen, sondern für alle gleich“

Auf jeden Fall hängen Infektionen mit dem Coronavirus von der Umgebung ab und von den Altersgruppen. „Insofern denke ich, dass es gescheit ist, wenn man das für alle gleich macht und nicht Sonderlösungen macht, weil das das Potenzial von Diskriminierungen hat“, sagte Wenisch.

Kurz hatte zuvor angekündigt, wegen sinkender Infektionszahlen die Coronavirus-Regeln vereinfachen zu wollen. Im Bedarfsfall sollen die Bundesländer die Möglichkeit haben, Regeln regional zu verschärfen. Das habe gerade deshalb Sinn, weil einige Bundesländer kaum bis keine Neuinfektionen verzeichnen würden, hieß es. „Es sind dort am wenigsten Regeln notwendig, wo auch die Ansteckungsgefahr am geringsten ist“, so Kurz – mehr dazu in Kurz kündigt regionale Änderungen an (news.ORF.at).

Zahl der Infektionsfälle hängt vom Alter ab

Im Studiogespräch berichtete Wenisch von einer aktuellen Studie zur Verbreitung des Coronavirus durch Kinder. Laut dieser zeigt sich, dass die Anzahl von Rezeptoren in der Nase, die das Virus zum Andocken braucht, vom Lebensalter abhängt. Kinder unter zehn Jahren hätten deutlich weniger Rezeptoren als Menschen im Alter von über 25 Jahren. Das heißt, so Wenisch, „Kinder können weniger leicht angesteckt werden, dadurch können sie auch weniger die Viren verbreiten.“ Das würden auch Beobachtungen der vergangenen Monate unterstreichen.

Wenisch sprach von Covid-19 als Erwachseneninfektion. Ist ein Kind infiziert, kann es Viren genauso wie ein Erwachsener produzieren. Nur sei die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein Kind infiziert, viel geringer, eben weil Kinder viel weniger Rezeptoren haben als Erwachsene. Laut Wenisch sind ein infiziertes Kind und ein infizierter Erwachsener gleich infektiös. Aber alle Kinder mit allen Menschen über 25 Jahren verglichen, da werde man sehen, dass Kinder viel weniger betroffen sind.

Masken in Schulklasse „sinnlos“

Wenisch spricht sich dafür aus, Kindern nur dort Masken aufzusetzen, wo es auch Sinn hat. Das sei für ihn sicher nicht in der Klasse, wo ja sowieso eine hohe Infektionsgefahr bestehe, weil man ja längere Zeit drinnen sei. Anders aber am Gang oder beim Anstellen zum Essen, da könnten Masken bei Kindern Sinn haben. Wenisch sprach auch die Wirkung des Medikaments Remdesivir bei Covid-19-Erkrankungen an. Hier zeige eine aktuelle Studie, dass man bei schweren Verläufen eine Woche weniger krank sei und dass die Sterblichkeit von elf auf sieben Prozent gesenkt werden könne – das sei „ein robuster Teilerfolg“.