Der beinahe menschenleere Stephansplatz in der Wiener Innenstadt
APA/Roland Schlager
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Wirtschaft

Deutsche sollen Wiener Tourismus ankurbeln

Trotz der Wiedereröffnung der Hotelbetriebe stehen dem Wiener Fremdenverkehr infolge der Coronavirus-Krise schwere Zeiten bevor. Beim Neustart setzt die Bundeshauptstadt in der ersten Phase einmal auf Gäste aus Österreich sowie aus Deutschland und der Schweiz.

Denn immerhin gibt es für 15. Juni die Perspektive, dass die Grenzen zu den beiden Nachbarländern wieder aufgehen, meinte Wien-Tourismus-Chef Norbert Kettner am Freitag. Und Besucher der sogenannten DACH-Region sorgen üblicherweise für 40 Prozent der Nächtigungen in Wien. Deshalb wird schon im Juni die erste Kampagne vor allem in Österreich, Süddeutschland und der Schweiz gestartet. Motto: „Weltreise in Wien“.

Von Russland bis in die Tropen

Geworben wird damit, dass sich dank der vielen internationalen Facetten gewissermaßen die ganze Welt in der Hauptstadt entdecken lässt – von Venedig (Dogenhof) über Athen (Theseustempel) bis zu den Tropen (Palmenhaus in Schönbrunn) oder Russland (Russisch-Orthodoxe Kathedrale zum Heiligen Nikolaus). „Wir machen aus der Not eine Tugend“, erklärte Kettner. Sollten weitere Grenzöffnungen stattfinden, könne die Kampagne jederzeit auch dort eingesetzt werden.

Der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig während eines Pressetermins des Wien-Tourismus zum Thema „Tourismus in Wien“ vor dem Riesenrad in Wien
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Die Pressekonferenz, bei der die Pläne präsentiert wurden, fand vor einem Wiener Wahrzeichen statt

Denn es sei auch klar: „Von 60 Prozent unserer Märkte sind wir derzeit abgeschnitten“, verwies Kettner auf die globalen Reisebeschränkungen. Das heurige Jahr sei insofern nicht mehr zu retten. Die Monate März und April seien ein Totalausfall gewesen. Zuletzt gingen die Übernachtungen um satte 98,2 Prozent auf 29.000 zurück. Wirtschaftsstadtrat Peter Hanke (SPÖ) rechnet für das Gesamtjahr mit einem Rückgang der touristischen Nächtigungen von 40 Prozent und einer Halbierung des Hotellerie-Umsatzes.

Zehn Jahre zurückgeworfen

Laut Kettner sperrt vorerst nicht einmal die Hälfte der Wiener Beherbergungsbetriebe – nämlich rund 45 Prozent – auf. Zwei Prozent hätten schon für immer ihre Pforten geschlossen. Wie sich die Situation mittelfristig entwickle, könne man erst im Herbst sagen. Hotels würden jedenfalls mindestens 50 Prozent Auslastung brauchen, um über die Runden zu kommen. „Ob wir das schaffen, weiß ich nicht.“ Angesichts all dieser Zahlen resümierte der Tourismusdirektor: „Wir werden ungefähr zehn Jahre zurückgeworfen in der Gesamtentwicklung.“

Wohl erst 2024 werde man sich wieder auf einem ähnlichen Niveau wie vor der Coronavirus-Pandemie befinden. Nichtsdestotrotz will der Wien-Tourismus in den kommenden Monaten alles daran setzen, für einen baldigen Aufschwung zu sorgen. Bürgermeister Michael Ludwig sandte mit Verweis auf niedrigen Infektionszahlen im Vergleich zu anderen Weltmetropolen die Botschaft aus: „Sie können ruhig zu uns kommen und sich wohl und sicher fühlen.“

Buchungsplattform für Wiener Hotellerie

Punkten will man auch mit neuen Services – etwa mit der App ivie, einer Art digitaler Reiseführer durch die Stadt. Derzeit würden drei City-Walks zu Beethoven, der Ringstraße und der Wiener Moderne angeboten. Das Angebot soll nach und nach erweitert werden. Und ivie richtet sich auch an Wienerinnen und Wiener, die selbst noch unbekannte Flecken ihrer Stadt entdecken wollen.

Wien setzt auf heimische Touristen

Wien setzt – gezwungenermaßen – vor allem auf heimische Touristen. Ein schwieriges Unterfangen.

Das gilt zudem für die „Experience Edition“ der Vienna City Card. Diese ist ab Mitte August digital für 25 Euro zu haben und gilt ein Jahr. Inhabern winken etwa Sonderführungen oder 20-Prozent-Rabatte bei teilnehmenden Gastronomen.

Um die Hotellerie selbst zu unterstützen, können ab sofort direkt über die Wien-Tourismus-Homepage Zimmer gebucht werden. Dadurch sollen herkömmliche Buchungsplattformen umgangen werden, um den Beherbergungsunternehmen Provisionszahlungen zu ersparen. Für die Branche stellt man außerdem via „Dashboard“ täglich aktualisierte Daten aus 25 Märkten zur Verfügung, um besser planen zu können. Abrufbar sind diverse Coronavirus-Kennzahlen, aufrechte Reiseverbindungen oder die jeweiligen Quarantäne-Regelungen.

Der Wiener Prater
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Der Prater öffnete am Freitag seine Pforten

Prater öffnete wieder

Ein erstes positives Erlebnis gab es für die Betreiber des Wiener Riesenrads. Gemeinsam mit Bürgermeister Ludwig startete Miteigentümerin Nora Lamac die Sehenswürdigkeit. Nach mehr als 70 Jahren Dauerbetrieb sei das Riesenrad durch das Coronavirus in Zwangspause versetzt worden. Zuletzt war das Riesenrad aufgrund der Schäden nach dem Zweiten Weltkrieg stillgestanden.

Aber nicht nur die Waggons der 1897 eröffneten Eisenkonstruktion stehen den Besuchern wieder offen, sondern alle Attraktionen. Mitarbeiter wurden mit Masken ausgestattet, Desinfektion stehe bereit, die Fahrgastkapazität bei Geisterbahn, Ringelspiel und Co. wurde aufgrund der Coronavirus-Vorgaben um rund die Hälfte reduziert, sagte Praterverband-Präsident Stefan Sittler-Koidl. Vor den Kassenhäuschen der einzelnen Attraktionen wird mit Markierungen auf den nötigen Abstand beim Anstellen hingewiesen.

Schwierige Situation für Kongresse

Nicht allzu viel Bewegung dürfte es in absehbarer Zeit allerdings beim für Wien wichtigen Kongresstourismus geben. „Wir verlieren pro Monat 100 Mio. Euro an Wertschöpfung und Steuern“, rechnete Kettner vor. Trotz der jetzigen Flaute gebe es aber bereits „Anfragen aus aller Welt“ für das kommende Jahr. Und mit einzelnen Veranstaltern werde bereits für 2024/25 verhandelt.

Stadtrat Hanke forderte in diesem Zusammenhang die Bundesregierung auf, klare Regeln und Zeithorizonte für den Kongresstourismus zu liefern, um Planungssicherheit zu haben. Wien wünscht sich außerdem die Verlängerung der Kurzarbeit für den Tourismussektor bis zum Ende des ersten Quartals 2021 sowie eine „schnelle und gute Lösung“ für die AUA.