Gastronomie am Wiener Naschmarkt
APA/Georg Hochmuth
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Wirtschaft

Polit-Hickhack über Gastrogutscheine

Die vom Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) angekündigten Gastronomie-Gutscheine für Wiener Haushalte sorgen für Verstimmungen in der rot-grünen Rathaus-Koalition. Vizebürgermeisterin Hebein kontert nun mit einer grünen Gutscheinidee.

Nicht zum ersten Mal gibt es Unstimmigkeiten in der Wiener Rathaus-Koalition. Anlass sollen die von Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) angekündigten Gastro-Gutscheine sein. Die Grünen hätten sich die Zustimmung dazu teuer abkaufen lassen wollen, schreibt der Kurier mit Berufung auf anonyme SPÖ-Funktionäre. Vizebürgermeisterin Birgit Hebein (Grüne) soll als Gegenleistung für ihre Zustimmung zum Gutschein „einen Betrag in Millionenhöhe“ gefordert, um diesen für politische Maßnahmen ihrer Wahl verwenden zu können – in Form von Reparaturgutscheinen für Handwerker.

Dadurch habe sich der Beschluss im Gemeinderat verzögert. Die Funktionäre kritisieren laut „Kurier“ an Hebein auch, dass sie unmso unberechenbarer in ihren Entscheidungen werde, je näher der Wahltermin rücke. Schon seit längerem würden die Grünen auffallend lange über Polit-Vorschläge der SPÖ beraten. So habe es schon mehrere Verzögerungen gegeben.

Hebein emotionell, Ludwig betont ruhig

Hebein wollte in ihrer Reaktion den Vorwurf der Verhinderung so nicht stehen lassen und reagierte durchaus emotional: „Wenn sich irgendein Hinterbänkler jetzt wichtig macht, dann stinkt es nach Wahlkampf. Das interessiert mich nicht.“ Sie habe die Aktion von Anfang an begrüßt. Man sei sich in der Stadtregierung einig, ergänzend zum Bund gemeinsam Initiativen zu ergreifen, um die Wirtschaft anzukurbeln und gleichzeitig niemand zu übersehen. „Dass wir diskutieren über die unterschiedlichen Wege – ich nenne das Demokratie“, sagte die Vizebürgermeisterin.

Sendungshinweis

„Wien heute“, 4.6.2020, 19.00 Uhr, ORF 2

Sehr allgemein fiel die Reaktion von Bürgermeister Ludwig auf den Kurier-Artikel aus. Er sei nicht für Blankovollmachten zu haben, sagte er im Interview für „Wien heute“. Was sich einzelne Mandatare vorstellen, tangiere ihn als Wiener Bürgermeister nicht. Er sei jeden Tag mit Wünschen von Parteien oder Personen konfrontiert, das sei nichts besonderes. Zu angeblichen Verzögerungen sagte Ludwig, man könne alles schneller machen. Er habe den Gastro-Gutschein präsentiert, Hebein habe das Projekt auch öffentlich sehr gelobt.

Er habe keinen Grund anzunehmen, dass das aus irgendeinem Grund verzögert werde. Der Beschluss am 24. Juni sei fix. Und es seien die Voraussetzungen geschaffen, um die Gutscheine schon davor zu verschicken. Einpersonenhaushalte bekommen 25, Mehrpersonenhaushalte 50 Euro.

Hebein will „Reparatur-Marie“

Doch kaum scheinen die Wogen rund um die Gastro-Gutscheine geglättet, präsentiert Hebein einen Gutschein-Vorschlag der Grünen: Sie will eine „Reparatur-Marie“ für junge Wienerinnen und Wiener. Alle 16- bis 30-Jährigen sollen ein 25-Euro-Guthaben erhalten, das bei Handwerksbetrieben im eigenen Bezirk eingelöst werden kann. „Wir wollen Kleinunternehmen mit bis zu neun Mitarbeitern unterstützen, die nachhaltig arbeiten“, so Hebein. Gedacht sei etwa an Schuster, Schneider, Uhrmacher, Fahrradwerkstätten oder Upcycling-Betriebe.

Junge Menschen sollen so dazu motiviert werden, Dinge reparieren zu lassen anstatt sie wegzuwerfen. Gleichzeitig würden Betriebe in der Coronavirus-Krise unterstützt. Doch von dieser Idee muss Hebein den Koalitionspartner noch überzeugen. Rund zehn Millionen Euro würde die Aktion kosten. Rund 360.000 junge Menschen würden demnach einen Gutschein erhalten. Hebein will nun auf die Reaktion der SPÖ warten.

Reparatur-Bons bereits fix

Die reagierte am Nachmittag in Form von Umweltstadträtin Ulli Sima (SPÖ). Laut ihr ist eine Unterstützung von Reparaturen bereits fix. Die Ausgabe eines „Reparatur-Bons“ sei bereits am 5. Mai im Umweltausschuss beschlossen worden, teilte das Büro der Stadträtin mit. Ab September könne dieser eingelöst werden.

Im ersten Schritt steht laut Umweltressort ein Fördertopf von 1,6 Mio. Euro zur Verfügung. Die Umsetzung der Maßnahme liege bei der MA 22 (Umweltschutzabteilung). Diese richte gerade eine Datenbank ein. Dort kann man sich ab September registrieren, den laut Rathaus fälschungssicheren Bon herunterladen und mit diesem in das Reparaturgeschäft gehen. Die Förderung werde noch im Reparaturbetrieb unmittelbar von der Bruttorechnung abgezogen, hieß es.

Übernommen werden 50 Prozent der Bruttoreparaturkosten bis maximal 100 Euro – sofern man sich an Betriebe des Wiener Reparaturnetzwerks wendet. Um in dieses aufgenommen zu werden, würden strenge Kriterien gelten, wurde betont. Dazu gehöre unter anderem, dass 50 Prozent der Arbeitsplätze Reparaturplätze sind oder dass der Betrieb ein breites Markenspektrum anbiete. Weiters würden Mitgliedsbetriebe die vollwertige Reparatur ohne Überschreitung des zuvor abgegebenen Kostenvoranschlags garantieren.

Gutscheine und Pop-up-Radwege als Belastungsproben

Der Zank um die Lokal-Bons ist nicht der erste rund um Maßnahmen in der Coronakrise. Die Grünen zeigten sich vor dem Hintergrund des aufkommenden Wahlkampfs für den Urnengang im Herbst bereits verschnupft über die vom Bürgermeister präsentierten Taxigutscheine für Senioren im Wert von bis zu 15 Mio. Euro. Die SPÖ wiederum rümpfte etwa ob der von Hebein ins Leben gerufenen temporären Begegnungszonen und Pop-up-Radwege die Nase.

Für FPÖ nur „leere Versprechungen“

Die Aktion entpuppe sich als „rot-schwarz-grüner Bluff“, reagierte der Wiener FPÖ-Chef Dominik Nepp. Offenbar übernehme die Stadt Wien das Modell Blümel/Kurz, womit präsentierte Hilfen nur leere Versprechen seien und nicht bei den Bürgern ankämen. Leidtragende dieses „unwürdigen Schauspiels“ seien die Wiener Wirte und die Lokalbesucher, die jetzt um diese finanzielle Unterstützung wahrscheinlich gänzlich umfallen werden, sagte Nepp.

Der nicht amtsführende Stadtrat Markus Wölbitsch (ÖVP) übte jedoch seinerseits Kritik. „Rot-Grün blockiert sich seit Jahren gegenseitig. Bei wesentlichen Infrastrukturprojekten wie dem Lobautunnel gibt es ebenfalls ein rot-grünes Patt. Leidtragende sind die Wienerinnen und Wiener – und im Fall des Gastro-Gutscheins die Wiener Gastronomie, die seit drei Wochen auf die Umsetzung dieser städtischen Ankündigung wartet“, sagte er in einer Aussendung. Zudem betonte er die Erfolge der Bundesregierung.