Hunderte Menschen demonstrieren gegen Polizeigewalt unter dem Motto Black Lives Matter
APA/Hans Punz
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Politik

50.000 bei „Black Lives Matter“-Demo

Rund 50.000 Menschen haben heute an einer Anti-Rassismus-Demo in der Wiener Innenstadt teilgenommen. Auslöser war der Tod des US-Amerikaners George Floyd bei einem Polizeieinsatz in Minneapolis.

Start der Demonstration war um 17.00 Uhr beim Platz der Menschenrechte in unmittelbarer Nähe zum Marcus-Omofuma-Denkmal, das jenem nigerianischen Asylwerber gewidmet ist, der 1999 bei seiner Abschiebung von Polizisten getötet worden war. Ursprünglich als Kundgebung geplant, gab es so viele Zusagen, dass stattdessen zum Karlsplatz marschiert wurde. Angemeldet waren zunächst 3.000 Personen, laut Polizei seien schließlich rund 50.000 Menschen gekommen.

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Demonstranten
ORF/Chiara Swaton
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",Ich bin kein Rassist’ reicht heutzutage nicht." (Lolu, 29, r.) 
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„Es ist wichtig, Solidarität zu zeigen, weil Rassismus nicht nur in Amerika ein Problem ist, sondern auf der ganzen Welt.“ (Mona, 21) 
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„Man sollte die Veränderung sein, die man in der Welt sehen will.“ (Abas, 38)
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„Ich kann Rassismus nicht verstehen. Wie kann man nur so klein denken.“ (Paul, 21) 
Demonstranten
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„Ich frage mich, wie lange es dauert, bis die Leute endlich verstehen, dass wir alle gleich sind.“ (Sarai, 21) 
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Die Demonstration stand unter dem Motto „#Blacklivesmatter“ – also „Schwarze Leben zählen“. Unter diesem Schlagwort wird in den Vereinigten Staaten schon seit Jahren gegen Polizeigewalt an Afroamerikanern demonstriert. Zuletzt war es nach dem Tod Floyds zu einer Reihe von Demonstrationen in zahlreichen US-Städten gekommen, bei denen es jedoch auch zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstranten gekommen ist. In Wien dürfte es nach erstem Stand jedoch friedlich geblieben sein. Die Polizei nahm ebenfalls an der Demonstration teil: Auf dem Begleitfahrzeug wurde ebenfalls „Black Lives Matter“ gezeigt.

Eindrücke von der Demo

Die Demonstranten zogen vom MuseumsQuartier zum Karlsplatz

„Wir sind müde, wir sind wütend“

„Wir sind müde, wir sind wütend und wir haben Angst, aber wir sind hier“, rief Marie Noel, die die Kundgebung eröffnete und moderierte. „Wir stehen heute hier am Menschenrechtsplatz, am Marcus Omofuma Platz. Omofuma ist einer der tragischsten Fälle von Polizeigewalt in Österreich. Er und viele andere sind ein Symbol für den strukturellen Rassismus, den es hier in Österreich gibt und der leider auch in brutale Gewalt ausarten kann. Wir sind heute hier, um gegen diesen strukturellen Rassismus aufzutreten. Live, mutig, viele von uns, gemeinsam: Black lives matter“, sagte Mireille Ngosso, stellvertretende Bezirksvorsteherin im ersten Wiener Gemeindebezirks (SPÖ) und Aktivistin.

„Uns alle hat der Tod von George Floyd wirklich getroffen. Ich konnte mir das Video nicht bis zum Ende anschauen. Ich habe in ihm meinen Sohn gesehen, meinen Bruder, meinen Onkel, meinen Vater,“ zählte Ngosso auf. „Und ich frage mich, wie lange noch?“

Diese Demo sei für jene da, die kaum oder noch nie von Rassismus betroffen waren. Sie würden jetzt Solidarität zeigen können. „Solidarität zeigen ist mehr, als nur ein Hashtag!“ Solidarität erfordere Inklusion auf allen Ebenen, auch in der Bildung und der Politik. „Akzeptanz und Respekt auf Augenhöhe, das ist das, was wir wollen. Und das nicht nur einmal im Jahr, sondern immer!“, forderte Ngosso.

Berichte über Polizeigewalt

Damien Agbogbe, Initiator des Marcus Omofuma Denkmals und Aktivist, erzählte von seiner persönlichen Betroffenheit. Anfang 2000 sei er in Österreich grundlos von zwei Polizisten festgenommen und zu einer Polizeistation gebracht worden. Drei weitere Polizisten seien dann dazugekommen. „Ich wurde ausgezogen und in den Keller gebracht, wo ein Käfig stand. Ich wurde in den Käfig eingesperrt, mit der Aussage: Affe, das ist dein Ort“. Fünf Stunden lang habe er dort ausharren müssen. Seitens der Polizei habe es geheißen, es handle sich um eine „normale Amtshandlung“.

Agbogbe hatte keine Zeugen und keinen Beweis. „Ich hatte Glück: Ich lebe. Ich stehe hier und spreche zu Ihnen“, sagte er. Die Polizei müsse in Antirassismus geschult werden, forderte er. Nach seiner Rede zog die Kundgebung in Richtung Karlsplatz. Die Polizei sperrte wegen des großen Andrangs alle Straßenzüge rund um den Karlsplatz

Fälle von Rassismus

Auch in Wien sei Rassismus teilweise alltäglich, berichteten mehrere Personen gegenüber „Wien heute“. Oluyemi Ogundele etwa arbeitet als Ingenieur bei der UNO-Atomenergiebehörde. Diskriminierung wegen seiner Hautfarbe passiere im fast täglich. „Zum Beispiel in der U-Bahn: Ich komm rein und setz mich neben eine Frau – sie steht auf und geht zum Ausgang.“

Auch Influencerin Christl Clear berichtet von ähnlichen Vorfällen: „Es fängt beim Taxifahrer an, der einen nicht mitnehmen möchte. Manchmal passiert es auch, dass ich irgendwo auf der Straße gehe und mir jemand etwas hinterherruft.“ Die Influencerin führt Rassismus auf Ignoranz und Unwissen zurück. Die spürt auch der in Salzburg geborene Musiker Mwita Mataro. Er hat deshalb immer einen Reisepass mit. „Im Bekanntenkreis hat man schon oft Fälle, dass sie nach dem Ausweis gefragt werden, obwohl sie nichts gemacht haben.“