Es war ein denkwürdiger Abend im Wiener Musikverein: Vor 100 Zuschauern spielten am 5. Juni 2020 die Wiener Philharmoniker unter Daniel Barenboim im Goldenen Saal.
Dieter Nagl for Musikverein / POOL
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Kultur

Philharmoniker-Neustart im Musikverein

Es war ein denkwürdiger Abend im Wiener Musikverein: Vor 100 Zuschauern spielten am Freitagabend die Wiener Philharmoniker unter Daniel Barenboim im Goldenen Saal. Auch das Wiener Konzerthaus hat den Betrieb wieder aufgenommen.

Fünf Prozent Auslastung im sonst rund 2.000 Personen fassenden Musikverein wäre eine miserable Quote – in Normalzeiten.Zu Coronavirus-Zeiten entspricht das 100 Prozent, schließlich dürfen aus Virenprävention im Juni lediglich 100 Menschen eine Veranstaltung besuchen. Sie konnten Mozarts Konzert für Klavier und Orchester (KV 595) erleben, das Barenboim vom Klavier aus dirigierte, bevor Beethovens 5. Symphonie intoniert wurde – auf eine Pause hatte aus CoV-Gründen ebenso verzichtet wie auf eine Öffnung der Büfetts.

TV-Hinweis

Am Sonntag zeigt ORF2 in der „Matinee“ ab 9.40 Uhr das Konzert. Ö1 strahlt es ebenfalls am Sonntag ab 11.03 Uhr live aus.

Außergewöhnlich war die bis dato ungehörte Akustik des Goldenen Saales, wenn sich bei personeller Gleichheit zwischen einem voll besetzten Beethoven-Orchester und lediglich 100 Menschen im Publikum die Klangcharakteristik des legendären Konzertraumes gänzlich wandelt. Der warme, satte Klang, der auch schallschluckenden 2.000 Menschen zu verdanken ist, weicht einem kathedralengleichen Hall.

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Es war ein denkwürdiger Abend im Wiener Musikverein: Vor 100 Zuschauern spielten am 5. Juni 2020 die Wiener Philharmoniker unter Daniel Barenboim im Goldenen Saal.
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Die Wiener Philharmoniker mit Stardirigent Daniel Barenboim im Goldenen Saal des Musikvereins
Es war ein denkwürdiger Abend im Wiener Musikverein: Vor 100 Zuschauern spielten am 5. Juni 2020 die Wiener Philharmoniker unter Daniel Barenboim im Goldenen Saal.
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Es war ein denkwürdiger Abend im Wiener Musikverein: Vor 100 Zuschauern spielten am 5. Juni 2020 die Wiener Philharmoniker unter Daniel Barenboim im Goldenen Saal.
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Es war ein denkwürdiger Abend im Wiener Musikverein: Vor 100 Zuschauern spielten am 5. Juni 2020 die Wiener Philharmoniker unter Daniel Barenboim im Goldenen Saal.
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Musikvereinsintendant Thomas Angyan und Staatsoperndirektor Dominique Meyer, die beide mit Monatsende ihre Ämter aufgeben, erhielten im Wiener Musikverein die Ehrenmitgliedschaft der Philharmoniker verliehen.
Wiener Philharmoniker, Terry Linke
Musikvereinsintendant Thomas Angyan (r.) und Staatsoperndirektor Dominique Meyer (l.) erhielten auf offener Bühne die Ehrenmitgliedschaft der Philharmoniker verliehen

Zwei Mal Ehrenmitgliedschaft der Philharmoniker vergeben

Musikvereinsintendant Thomas Angyan und Staatsoperndirektor Dominique Meyer, die beide mit Monatsende ihre Ämter aufgeben, erhielten auf offener Bühne die Ehrenmitgliedschaft der Philharmoniker verliehen. „Es ist sehr emotional für mich“, so Meyer. „Die Cohabitation zwischen Philharmonikern und Staatsoper ist potenziell eine schwierige – aber es war eine reine Freude.“ Der Ruf des Musikvereins hänge auch mit dem Klang der Philharmoniker zusammen und umgekehrt. „Es ist deshalb eine Auszeichnung, die mir unglaublich viel bedeutet und die mich wirklich berührt“, so Angyan.

Levit eröffnete im Konzerthaus

Im Wiener Konzerthaus hat am Freitagabend der russisch-deutsche Pianist Igor Levit Mozart gespielt – gemeinsam mit den Wiener Symphonikern. Er trat wegen der Platzbeschränkungen im Zuschauerraum gleich zwei mal hintereinander im Mozartsaal auf. „Es gibt kein zu kleines oder zu großes Publikum. Es gibt Menschen, die uns Musikern, in diesem Fall jetzt den Kollegen vom Orchester und mir, das Wichtigste und das Wertvollste schenken, was sie haben, nämlich ihre Zeit“, sagte Levit gegenüber der ZiB2.

Musikhäuser des Landes öffnen wieder

Im Wiener Musikverein haben die Wiener Philharmoniker erstmals nach der Corona-Zwangspause wieder aufgespielt. Und im Wiener Konzerthaus hat der russisch-deutsche Pianist Igor Levit

Staatsoper startet ebenfalls mit 100 Besuchern

Am Montag startet auch die Wiener Staatsoper ihr angesichts der Corona-Lockerungen aufgestelltes Ersatzprogramm für den Juni. „Die Lust an der Musik überwiegt die Angst“, zeigte sich Direktor Meyer vor Journalisten beeindruckt davon, dass alle 14 Konzerte binnen 30 Minuten ausverkauft waren. Dabei war es vermutlich so schwer wie nie, an Staatsopernkarten zu kommen.

Schließlich werden pro Abend coronabedingt nur je 100 Besucher zugelassen. Für alle anderen, die leer ausgegangen sind, werden die Abende als kostenloser Livestream auf www.staatsoperlive.com übertragen. „Es ist besser als nichts“, so Meyer, auch wenn ein Zyklus aus Liederabenden und Arienzusammenstellungen des Ensembles keine Aufführung ersetze. Da man angesichts der erzwungenen Sperre jedoch alle geplanten Renovierungsarbeiten vorgezogen habe, bliebe nur der Platz vor dem Eisernen Vorhang anstelle der Bühne.

Chance auf „alle Ensemblemitglieder“

Neben Solostars wie Günther Groissböck, der am Montag (8. Juni) den Auftakt markiert, oder Kollegen wie Camilla Nylund und Juan Diego Florez sind auch Abende des Ensembles angesetzt, die sich den verschiedenen Schulen widmen. „Es ist eine Möglichkeit, dass man noch einmal alle Ensemblemitglieder sieht“, verwies Meyer auf den Umstand, dass auch einige dieser Sänger mit dem Ende seiner Direktion aus der Staatsoper scheiden werden.

Den krönenden Abschluss soll dann ein Galakonzert mit Orchester und Sängern bilden, die Meyer in seiner Amtszeit ins Ensemble geholt hatte, darunter heutige Größen wie Daniela Fally, Stephanie Houtzeel oder Benjamin Bruns. Am Ende wird die Finalfuge aus dem „Falstaff“ Dominique Meyers Zeit in Wien beenden. Er hoffe, beim Gesundheitsministerium noch durchzusetzen, dass man am 27. Juni doch mehr als die 100 zugelassenen Besucher in die Staatsoper einladen könne: „Wenn man drei Tage später schon 250 Personen begrüßen darf, könnte man dem Wiener Publikum doch ein kleines Geschenk machen.“

Er selbst könne, bevor er sich dann endgültig nach Mailand zur Scala verabschiede, seinem Nachfolger Bogdan Roscic jedenfalls trotz Coronakrise ein bestelltes Haus übergeben. Ob am Ende ein Minus in der Bilanz stehen werde, könne er noch nicht sagen: „Aber wir haben kein Feuer am Dach.“ Nachfolger Bogdan Roscic werde er Rücklagen in Höhe von 15 Mio. Euro hinterlassen. Und ganz von der Donau will sich Dominique Meyer auch nicht verabschieden – habe er doch einen Lehrauftrag an der Universität übernommen: „Ich werde Wien also nicht vollends verlassen.“