Birgit Hebein mit Markus Figl im Hintergrund
APA/Georg Hochmuth
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Politik

„Autofreie“ City „noch vor der Wahl“

Die Innenstadt wird „autofrei“ – mit vielen Ausnahmen und „noch vor der Wahl“. Vizebürgermeisterin Birgit Hebein (Grüne) und Bezirksvorsteher Markus Figl (ÖVP) stellten am Mittwoch das neue Verkehrskonzept vor. Eine Umsetzungsstudie soll folgen.

Das Einfahrverbot für den ersten Bezirk, das innerhalb des Rings bzw. Kais schlagend wird und für alle Kraftfahrzeuge – also auch Motorräder oder Mopeds – gilt, soll mit Verkehrsschildern kenntlich gemacht werden. Laut Markus Raab, Chef der für Verkehrsangelegenheiten zuständigen MA 46, könnte die Regelung bei Einhaltung der kürzestmöglichen Fristen schon ab August wirksam werden. Fix sei das aber noch nicht.

„Autofreie City“ mit Ausnahmen

Größtenteils autofrei soll die Wiener Innenstadt werden. Ausnahmen soll es für Anrainer und Benützer von öffentlichen Tiefgaragen geben. Die grüne Verkehrsstadträtin Birgit Hebein und ÖVP-Bezirksvorsteher Markus Figl haben diese ausverhandelt.

Hebein sprach aber davon, dass das Verkehrskonzept jedenfalls noch vor der Wahl in Kraft treten soll. Ob es 20 oder 30 Ausnahmen gebe, sei noch offen, räumte Hebein auf Journalistennachfrage ein. Man sei aber „gut vorbereitet, noch vor der Wahl am 11. Oktober zu starten“. Hebein spricht von einem „historischen Moment“. „Es ist ein guter Tag“, sagte Hebein eingangs auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit Figl am Mittwochvormittag. „Es wurde Zeit.“

„Verkehrsrückgang bis zu 30 Prozent“

Über 16.000 Menschen wohnten im ersten Bezirk. Jeden Tag kämen 50.000 Autos in die Stadt, und diese Zeit sei jetzt vorbei, so Hebein. Die Innenstadt gehöre den „Menschen und nicht den Motoren“. Wien werde „die erste autofreie Stadt“ im deutschsprachigen Raum sein, korrigierte Hebein ihre Aussagen einige Minuten zuvor, als sie noch von der „ersten autofreien Stadt europaweit“ gesprochen hatte.

Insgesamt rechnet die Stadt Wien mit einem deutlichen Minus des Verkehrs. „Der unmittelbare Verkehrsrückgang wird bis zu 30 Prozent betragen“, so Hebein. Nicht nur der fließende, auch der ruhende Verkehr werde gesenkt.

Karte von Wien
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

„Wir müssen handeln“

Die Verteilung des öffentlichen Raums sei nicht mehr zeitgemäß, so Hebein. Der öffentliche Raum sei zu kostbar, er gehöre den Menschen. „Man kann etwas gegen die Klimakrise tun, es geht.“ Arbeitsgruppen und lange Diskussionen alleine reichten nicht mehr. „Wir müssen handeln.“ Allen, die sich jetzt Sorgen machten, sollten die Sorgen genommen worden, so Hebein. Alle, die auf das Auto angewiesen seien, sollten keine Probleme haben, weiter mit dem Auto in die Innenstadt fahren zu können. Hebein nannte konkret Anrainer, Menschen mit Behinderungen, Menschen im Sozial- und Pflegedienst sowie Menschen, die im ersten Bezirk zu frühen oder späten Zeiten arbeiten.

Markus Figl, im Hintergrund Birgit Hebein
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Bezirksvorsteher Figl will möglichst viele Menschen zufriedenstellen, alle sollen sich einbringen können

Figl: „Ordentliches Verfahren“

Man arbeite bereits seit zwei Jahren an einem Gesamtkonzept im Bezirk, sagte Bezirksvorsteher Figl. Je mehr Punkte man jetzt klären könne, desto erfolgreicher werde man sein. „Es gab ein großes Bürgerbeteiligungsverfahren und viele Gesprächsrunden im Bezirk, auf denen unser Gesamtverkehrskonzept für die Innere Stadt basiert. Jetzt gibt es ein ordentliches Verfahren, in das sich alle einbringen können“, so Figl. Eine zügige Abwicklung sei wichtig, aber seine Priorität sei eine „gute Lösung, mit der möglichst viele Menschen zufrieden“ seien, so Figl.

Eine Umsetzungsstudie solle daher beschlossen werden. Das werde natürlich noch eine Zeit dauern, so Figl. Eine Evaluierung solle die Maßnahmen dann weiter begleiten und überprüfen. Ziel sei eine Reduktion des Fließverkehrs und damit auch eine Entlastung des Parkraums zugunsten der Bezirksbewohner. So sollten in einer Pufferzone bis zur Zweierlinie konkret vermehrt Anrainerparkplätze geschaffen werden.

Zahlreiche Ausnahmen

Zu den Details wurde in der Pressekonferenz noch nicht sehr viel bekannt. Gezählte 17 Ausnahmen wurden in den ausgegebenen Presseunterlagen aufgelistet – wobei sich im Laufe des Verfahrens noch Kleinigkeiten ändern könnten, wie betont wurde. Als Ausnahmen vom Fahrverbot genannt wurden Einsatzfahrzeuge, Taxis, öffentliche Verkehrsmittel, Anrainer mit Parkpickerl, Fahrzeuge von Hotelgästen, Diplomatenfahrzeuge sowie Firmenautos – „mit Betriebsstandort im ersten Bezirk, sofern ein Fahrzeug für den Betrieb erforderlich ist“ als auch „mit Betriebsstandort in einem anderen Bezirk mit notwendiger wiederkehrender Servicetätigkeit (Außendienst) im ersten Bezirk“.

Es müsse außerdem Zufahrt zu den – öffentlichen wie privaten – Garagen geben. Liefertätigkeiten sollen auch weiter stattfinden dürfen. Menschen, die im Bezirk arbeiten und außerhalb der „Öffi“-Dienstzeiten unterwegs sein müssen, sind ebenfalls ausgenommen. Die Überwachung müsse die Polizei durchführen, wobei man mittelfristig zu einer elektronischen Lösung kommen will. Auf Zusatztafeln solle auf das Amtsblatt hingewiesen werden.

Hebein und Figl zu Ludwig geladen

Anwesend bei der Pressekonferenz waren neben Hebein und Figl auch Bezirksvertreter von ÖVP, Grünen und NEOS. Auch beim letzten Treffen am Dienstag waren Vertreter aller Bezirksfraktionen mit Ausnahme der FPÖ anwesend. Figl sagte, die FPÖ sei von Anfang dagegen gewesen. Die SPÖ habe sich hingegen konstruktiv eingebracht.

Bei dem Treffen am Dienstag sei auch die SPÖ anwesend gewesen, man bedaure, dass niemand von der SPÖ bei der Pressekonferenz teilnehme, so Hebein auf Journalistennachfrage. Aber man sei in gutem Einvernehmen mit der SPÖ. Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) sei laufend informiert gewesen. Er sei am Dienstag unmittelbar nach der Einigung mit Figl in Kenntnis gesetzt worden. Ludwig will nun Hebein und Figl zu sich bitten, wie er am Mittwoch sagte. Er äußerte Zweifel am Vorhaben – mehr dazu in Ludwig hat Zweifel an „autofreier“ City (wien.ORF.at; 17.6.2020).