Ein Radabstellplatz in Wien
ORF.at/Matthias Lang
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Verkehr

Radfahrboom ohne Abstellplätze

Die Coronavirus-Krise ist zumindest für die Radhändler gut ausgegangen. Wien erlebt einen regelrechten Radboom. Doch die Infrastruktur kann nicht immer mithalten. Gerade bei den Abstellflächen hinkt die Stadt hinterher, kritisiert die Radlobby.

Eine Million Fahrräder gab es 2013 in Wien, so zumindest die damalige Schätzung vom Verkehrsministerium. 61 Prozent der Haushalte hatten zumindest ein Fahrrad, mehr als ein Auto (59). Doch wohin mit dem Fahrrad, wenn man nicht gerade damit fährt? Das ist nicht immer so einfach, meint Roland Romano, Sprecher der Radlobby. Denn in Wien gibt es laut aktuellen Zahlen der Stadt Wien 49.974 Radabstellplätze. Laut einer Studie der Technischen Universität (TU) Wien wären aber 65.000 nötig.

Ein Radabstellplatz in Wien
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Auf der Mariahilfer Straße findet man kaum freie Radabstellplätze

Gründerzeitviertel ohne Abstellplätze

Im Jahr werden etwa 2.500 Radabstellplätze errichtet. Von 2010 bis 2019 ist die Anzahl von 27.249 auf 49.101 angestiegen. Heuer wurden – trotz der Coronavirus-Krise – 873 Abstellplätze errichtet. Von der statistisch geforderten Zahl ist man jedoch weit entfernt. Bis 2030 müssten laut einer Forderung der Initiative „Platz für Wien“ noch 72.000 weitere Abstellplätze entstehen. Die Berechnung basiert auf den Zielen der Stadt Wien zur Mobilitätsvielfalt (STEP 2025).

Romano macht den Mangel an einem Beispiel fest: „Der Bedarf ist in Innenstadtgebieten am höchsten, in Gründerzeitvierteln, wo sehr viele Leute in der Nähe von Radwegen oder verkehrsberuhigten Bereichen wohnen. Aber die Gründerzeithäuser haben keine Radräume. Das heißt, wir haben in dicht bebauten Gebieten eigentlich einen flächendeckenden Mangel an Radabstellplätzen.“ Die Radlobby pocht darauf, die Stellplätze schnell aufzustocken.

Keine Alternative zum Wiener Bügel

Martin Blum, Radbeauftragter in der städtischen Mobilitätsagentur, sind diese Problemgebiete bekannt. Er nennt sie „Hotspots“: „Die sind meistens auch an U- oder S-Bahn-Stationen. Wir versuchen, an diesen Hotspots neue zu errichten, das wird auch laufend evaluiert. Das Problem dort ist, dass gerade an diesen Punkten der Platz sehr knapp ist.“ Denn auch andere Bedürfnisse müssen befriedigt werden, wie etwa Parkbänke, Aufenthalts- oder Fußgängerflächen.

Die Wiener Bügel, wie die Radständer genannt werden, seien als Parkplätze eigentlich ideal. „Die haben sich sehr bewährt. Man kann das Fahrrad mit einem Schloss direkt am Rahmen verbinden. Das ist ganz wichtig, dass man nicht nur die Vorderräder einklemmt, wie es das bei manchen Bügeln gibt“, sagt Blum. Romano sieht das genauso: „Radbügel im öffentlichen Raum sind die beste Variante, um flächendeckend Radabstellplätze anzubieten.“

Ein Radabstellplatz in Wien
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Räder dürfen auch so abgestellt werden, dass sie den Verkehr nicht behindern

Räder in der Garage

Allerdings kann man ein Fahrrad auch anders abstellen. Die Straßenverkehrsordnung (StVO) erlaubt, wenn keine Radabstellanlage zur Verfügung steht, das Abstellen so, dass die Räder weder umfallen können noch verkehrsbehindernd sind. Also etwa auf breiten Gehsteigen (über 2,5 Meter) oder auch in der Parkspur dürfen Fahrräder abgestellt werden.

Der feine Unterschied

Ein Radabstellplatz ist ein Platz für ein Fahrrad, eine Radabstellanlage fasst mehre -plätze zusammen, etwa mit Bögen.

Eine andere Möglichkeit, um Räder zu parken, wird derzeit an zwei Bahnhöfen angeboten: Die Radgarage. Am Hauptbahnhof und am Bahnhof Liesing gibt es eine servicierte Unterstellmöglichkeit. In Liesing „dort wird gerade evaluiert, wie das läuft und ich hoffe, dass in den kommenden Jahren weitere derartige Anlagen folgen werden“, sagte Blum. Ein Zielbahnhof wäre etwa der Bahnhof Floridsdorf. Dort seien die Abstellanlagen immer gut ausgelastet. Ob und wo neue Radabstellplätze entstehen ist übrigens dem Bezirk überlassen, der auch dafür finanziell aufkommen muss.

Druck von Anrainern

Radabstellplätze werden mittlerweile größtenteils auf Parkspuren errichtet. Das sei zwar gut so, meint Verkehrsforscher Ulrich Leth von der TU Wien, der auch Teil der Initiative „Platz für Wien“ ist. Allerdings könnte der Druck von Anrainerinnen und Anrainern vor allem im Bezirk stärker sein. „Dann kann es natürlich sein, dass die Abstellplätze gleich gar nicht kommen.“ Er rechnet vor, dass auf einem Pkw-Stellplatz bis zu zehn Räder Platz finden. Zu wenige Radbügel sieht Leth vor allem in der Inneren Stadt, der Landstraße, Favoriten, Floridsdorf und Liesing.