Gericht

Antifa-Prozess: Identitärenchef Sellner geladen

Am Landesgericht ist am Mittwoch der Prozess gegen 14 Antifa-Aktivisten wieder auf unbestimmte Zeit vertagt worden. Das Gericht will neben zwei Polizisten nun auch Identitären-Chef Martin Sellner als Zeugen hören.

Die Anklage wirft den 14 Angeklagten versuchte Sprengung einer Versammlung (§ 284 StGB), versuchten Widerstand gegen die Staatsgewalt und versuchte schwere Körperverletzung vor. Das Gericht gab anm zweiten Verhandlungstag weiteren Beweisanträgen der Staatsanwaltschaft Folge. Wann die Verhandlung fortgesetzt wird, ist offen. Es wurde kein konkreter Termin festgelegt.

Neben zwei Polizisten wird jetzt auch Identitären-Chef Martin Sellner als Zeuge geladen. Weder er noch andere Mitglieder der Identitären Bewegung sind in dem 18-monatigen Ermittlungsverfahren formell befragt worden. Die Staatsanwaltschaft hatte bisher Sellners Einvernahme schlicht für nicht erforderlich gehalten.

Mit aufgespannten Regenschirmen gegen Beamte

Am zweiten Verhandlungstag wurden zunächst Vertreter der Polizei zu ihren Wahrnehmungen vernommen. Die Aktivisten sollen am 13. Oktober 2018 mit Gewalt versucht haben, Aktivitäten der Identitären zu verhindern, indem sie mit aufgespannten Regenschirmen gegen eine von Polizeibeamten gebildete Sperrkette andrängten. Zudem ist der angeblich gezielte Wurf mit einem abgebrochenen Schirm auf einen der Polizisten inkriminiert.

Die Befragung der Zeugin durch Richterin Hannelore Bahr, die mit dem Studium von Videomaterial von der Amtshandlung begleitet wurde, ließ jedoch Zweifel an der inkriminierten Gewaltbereitschaft der Manifestanten entstehen. Die Schirme seien „in erster Linie zur Provokation“ aufgespannt worden, stellte ein junger Polizist fest, der Teil der Sperrkette war. Mit den Schirmen wären „vereinzelt Bewegungen in Richtung der Sperrkette“ ausgeführt worden.

„Tumultartige Szenen“

Der Zeuge konnte allerdings nicht ausschließen, dass Beamte nach den Schirmen gegriffen hatten und diese erst dadurch in Bewegung gerieten. Es seien auf alle Fälle „tumultartige Szenen“ entstanden, meinte der Polizist. „Das sind aus Ihrer Sicht tumultartige Szenen?“, wunderte sich die Richterin. „Würde ich schon sagen“, erwiderte der junge Beamte.

Eine Kollegin des Mannes erklärte dem Gericht, Schirme seien grundsätzlich „gefährlich, weil wir nicht sehen, was dahinter ist. Die können dahinter alles haben“. Die Antifa-Aktivisten hätten mit den Schirmen gegen die Polizei „angedrückt, um uns wegzudrücken“. Allerdings seien die Schirme großteils kaputt gewesen, meinte die Zeugin, wobei sie laut auflachte: „Es waren billige, keine hochwertigen Modelle.“

Werfer konnte nicht ausgemacht werden

„Waren die dann überhaupt geeignet dagegen zu drücken?“, warf die Richterin ein. „Ich schätze schon“, erwiderte die Beamtin. Den Demonstranten sei es um eine „Rangelei“ mit dem Ziel, die Sperrkette zu durchbrechen, gegangen. „Warum hätten die die Sperrkette durchbrechen sollen, wenn man auf den Videos sieht, wie links und rechts von der Polizei Journalisten und Schaulustige vorbeigehen?“, wollte die Richterin wissen. „Ich schätze, dass sie die Kundgebung stören wollten“, lautete die Antwort.

Vernommen wurde auch ein Beamter des Wiener Landesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT), der an Ort und Stelle war. Er betonte, aus dem Kreis der Antifaschisten sei ein abgebrochener Schirm in Richtung der Polizei geworfen worden. Den Werfer könne er „nicht konkret zuordnen“, er könne auch nicht beurteilen, ob es sich um einen gezielten Wurf handelte. Er habe aber später erfahren, dass ein Kollege nur dank einer Ausweichbewegung einen Treffer im Gesicht verhindern hätte können.

„Schaut am Video sehr harmlos aus“

Der LVT-Beamte räumte ein, dass das Videomaterial keine brisanten Szenen zeige: „Es schaut am Video natürlich sehr harmlos aus. Aber meine Wahrnehmung vor Ort war eine ganz andere. Ich habe es etwas aufgeheizter, dynamischer in Erinnerung.“ Im Übrigen hätten die Akitivisten einen „Angriff in die Versammlungsfreiheit der Identitären“ vorgenommen, deren Veranstaltung angemeldet gewesen sei, sagte der Beamte: „Eine Störung ist es auch schon, wenn eine nicht angemeldete Veranstaltung so laut ist, dass eine angemeldete ihre Message nicht durchbringt.“