Beschmierte Statuen von Südstaaten-Generälen in den USA, zerstörte Figuren wie jene von Amerika-Entdecker Christoph Kolumbus oder das Denkmal von Unternehmer und Sklavenhändler Edward Colston im britischen Bristol, gestürzt und ins Hafenbecken geworfen: Das sind nur einige Beispiele der vielen Beschmierungen und Denkmalstürze der vergangenen Wochen. Im Zuge der Black-Lives-Matter-Prosteste wurden sie Ziel von Vandalismus.

Sich der Geschichte der Großeltern stellen
In Wien werden etwa das sogenannte Russendenkmal am Schwarzenbergplatz oder die Karl-Lueger-Statue am gleichnamigen Platz im ersten Bezirk regelmäßig seit Jahren beschmiert. Die Denkmäler zu entfernen, ist für den Historiker Oliver Rathkolb aber keine Lösung: „Ich glaube, mit Denkmalstürzen kommt man nicht weit. Man simuliert eine Art anständige, politisch korrekte Geschichte und die haben wir nicht gehabt. Wir müssen uns der Geschichte unserer Großeltern, Ur-Großeltern genauso wie unserer eigenen Geschichte stellen.“
Historiker über Beschmierung von Lueger-Denkmal
Immer wieder ist das Denkmal für den ehemaligen Wiener Bürgermeister Karl Lueger Grund für Diskussionen. Lueger gilt als einer der Mitbegründer des politischen Antisemitismus. Im Zuge der „Black Lives Matters“-Demos ist das Denkmal jetzt beschmiert worden.
Klar sei indessen auch: „Rassismus werde ich nicht beseitigen, wenn ich Denkmäler stürze.“ Der Historiker hat eine Zusatztafel neben dem Lueger-Denkmal gestaltet. Sie zeigt die zwiespältige Persönlichkeit des berühmten Bürgermeisters der Jahrhundertwende. Einerseits Modernisierer der Stadt, andererseits antisemitischer Populist.
Umstrittene Denkmäler sollen Nachdenken hervorrufen
Rathkolb schlägt eine künstlerische Gestaltung der umstrittenen Denkmäler vor: „Ich glaube auch, dass gerade Denkmäler von umstrittenenen Politikern, Generälen, Feldherren durchaus auch angebracht sind, im öffentlichen Raum, um ein Nachdenken hervorzurufen. Das heißt, diese Denkmäler müssen durch verschiedenste Interventionen, sei das künstlerischer oder inhaltlicher Art ins 21. Jahrhundert gesetzt werden.“

Doch es geht nicht nur um Denkmäler, sondern auch um Benennungen von Straßen oder Geschäften. So wurde die Mohrenapotheke in der Wipplinger Straße kürzlich umbenannt. Der Experte hat sich jahrelang mit umstrittenen Wiener Straßnennamen auseinandnergesetzt und sieht Umbenennungen eher kritisch. Rathkolb: „Ich akzeptiere natürlich, dass das für viele Schwarzamerikaner beispielsweise oder Menschen mit dunkler Hautfarbe extrem verletzend ist. Ich denke, da muss man aber neue Wege suchen, und vielleicht gemeinsam auch einen neuen Zugang finden.“