Autorin und Journalistin Melisa erkurt
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Buch zu „Generation Haram“ erscheint

Wie werden aus Bildungsverlierern Gewinnerinnen und Gewinner? Dieser Frage geht die Autorin und Journalistin Melisa Erkurt in ihrem Buch „Generation Haram“ nach. Die Autorin hat selbst als Lehrerin an Wiener Brennpunktschulen unterrichtet.

Wenn Melisa Erkurt eine Schulklasse betritt, dann nicht mehr um Kinder zu unterrichten. Heute gibt sie viel mehr ihre Erfahrungen als ehemalige Lehrerin weiter und jenen eine Stimme, die oft keine haben oder die falsch verstanden werden. Die sogenannte „Generation Haram“: Meist muslimische Buben, die den Mädchen „haram“, also Verbote, zurufen.

„Wenn sie zum Beispiel einen tiefen Ausschnitt anhatten, wenn sie über Menstruation gesprochen haben. Die haben die Mädchen wirklich mit diesen Rufen eingeschränkt. Wenn ich dann mit den Burschen länger gesprochen habe, dann bin ich d’rauf gekommen, dass sie nicht wirklich irgendwelche islamistischen Jungmachos sind, sondern Jugendliche, die sich verloren fühlen“, sagt Erkurt im Gespräch mit „Wien heute“.

„Schule funktioniert dort, wo die Bobo-Kinder sind“

Denn es sei, beschreibt Melisa Erkurt in ihrem Buch, schon in der Volkschule klar, dass Kinder mit Migrationsbiografie und aus unteren sozialen Schichten, kaum den Bildungsaufstieg schaffen. „Es ist auch Wohnpolitik. Auch wenn wir jetzt eine Ganztagesschule hätten. Dann würden ja die Bobo-Eltern ihre Kinder trotzdem an Schulen in guten Bezirken schicken und wir hätten wieder keine Durchmischung. Wir sehen aber: Schule funktioniert dort, wo die Bobo-Kinder sind“, so Erkurt.

„Generation Haram“: Neues Buch von Melisa Erkurt

Wie werden aus Verlierern Gewinner und zwar in Sachen Bildung? Dieser Frage geht Autorin und Journalistin Melisa Erkurt in ihrem neuen Buch nach.

Auch die eigenen Deutschförderklassen sieht die 1991 in Bosnien geborene Pädagogin kritisch. „Wenn wir von Parallelgesellschaften reden, dann ist das ja ein Mikrokosmos einer Parallelgesellschaft, eine Deutschförderklasse. Man pfercht die zusammen, die nicht gut Deutsch können und die bleiben dann unter sich.“

„Nicht ausgebildet um Hülyas und Alis zu unterrichten“

Die Lehrerausbildung sei nach wie vor nur auf Eltern ausgerichtet, die ihren Kindern daheim helfen können, nicht aber auf multikulturelle Klassen ohne Ressourcen zu Hause. Dies könne zu Überforderung von Lehrern führen, die dann ihre Schüler diskriminieren. „Ich verstehe es. Ich wurde auch nicht ausgebildet um Hülyas und Fatimas und Alis zu unterrichten, sondern nur Lenas und Markus“, so Erkurt.

Buchhinweis:
Melisa Erkurt: Generation Haram. Zsolnay, 192 Seiten, 20 Euro.

Obwohl Erkurt in Wien ein Studium abschließt, als Deutschlehrerin unterrichtet, für den Falter eine Kolumne schreibt und beim ORF als Journalistin tätig ist, zählt sie sich selbst zu den Bildungsverliererinnen. „Weil meine Biografie genau die einer Bildungsverliererin hätte sein sollen. Muslimisches Mädchen, Migrationshintergrund, Arbeiterkind, Flüchtlingsmädchen. Ich scheine in keiner Uni-Statistik auf. Menschen mit meiner Biografie schaffen es eigentlich nicht einmal bis zu Matura“.