Der Vorstand der 4. Medizinischen Abteilung Christoph Wenisch in der Isolierstation der Infektionsabteilung des Kaiser-Franz-Josef-Spitals in Wien
APA/Helmut Fohringer
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Chronik

Infektiologe: CoV-Therapie deutlich verbessert

Die Ärzteschaft hat viel über das Coronovirus gelernt in den vergangenen Monaten. Wie sich das auf die Therapie auswirkt und warum er sich nicht vor dem Schulbeginn fürchtet, das hat der Leiter der Infektionsabteilung an der Klinik Favoriten, Christoph Wenisch, im Wien heute-Gespräch verraten.

Wenisch nannte zunächst drei wesentliche Erkenntnisse für die Behandlung von Covid-19-Patientinnen und -Patienten. Erstens müsse die antivirale Therapie früher einsetzen. Das seit Anfang Juli eingesetzte Medikament Remdesivir wirke umso besser, je früher es verabreicht werde, sagte Wenisch. Zweitens müsse die überschießende Immunreaktion rechtzeitig behandelt werden. Das passiere mit Cortison, das je nach Krankheitsbild in verschieden hohen Dosen gegeben werde. Zum Dritten werde die Blutgerinnung viel besser beherrscht.

Beim Dagegenhalten gegen die Pandemie gehe es viel um die Organisation, „was wie wer wo machen muss und all diese Dinge, das hat sich in Wien wirklich gut eingespielt“, sagte Wenisch. Dass man ab und zu länger auf ein Testergebnis warten müsse, begründete Wenisch mit der hohen Zahl an Tests in Wien, „da sind ja immer Menschen dahinter, das ist ja keine Industriemaschine, die jetzt zack zack Tests macht“. Das alles laufe jetzt schon viel besser, „und deswegen schaffen wir das jetzt auch seit zweiten Juli durch den Eintrag der Urlauber das irgendwie so hinzukriegen, dass man das gar nicht so bemerkt“.

Christoph Wenisch zum Coronavirus

Virologen und Mediziner haben das Coronavirus im vergangenen halben Jahr kennengelernt und einiges dazu gelernt. Dazu ist der Leiter der Infektionsabteilung am Kaiser-Franz-Josef-Spital, Christoph Wenisch, zu Gast im Studio.

Zweite Welle durch Urlauber

Wenisch sprach von der bereits eingetroffenen zweiten Welle. Das sei erkennbar an den Zahlen der Patienten. Es habe keinen einzigen Tag auf seiner Station gegeben, an dem weniger als 50 Menschen mit einer schweren Covid-19-Infektion behandelt wurden. „Dieser Anteil hat halt zugenommen. Das hat mit Ende Juli mit Eintreten der Reisetätigkeit zugenommen, das heißt, wir haben das immer gemerkt, das sind 50, dann 60, jetzt am Wochenende hatten wir 70 Patienten, das haben wir nicht mehr allein geschafft. Da hat uns ein zweites Krankenhaus schon helfen müssen.“

Für den Herbst zeigte sich Wenisch optimistisch. Die Urlaubszeit sei dann vorbei. Vor allem über die Teststraßen sei er froh. Dadurch werde es möglich, frühzeitig Infektionen zu erkennen, noch bevor die Menschen Symptome haben und Infektionsketten somit gar nicht entstehen könnten. Dass der Anteil jüngerer Erkrankter nun steigt, ist für Wenisch auch klar. Bewohner von Pflegeheimen würden nicht auf Urlaub fahren, sondern jüngere Menschen. „Insofern haben wir jetzt jüngere Kranke, die einen milden Verlauf haben und zuhause die Krankheit aussitzen. Und auch bei den schwereren Fällen ist der Anteil an den Jüngeren deutlich gestiegen“, so Wenisch.

Keine Angst vor dem Schulbeginn

Wenisch befürchtet kaum Auswirkungen durch den bevorstehenden Schulbeginn, „weil Kinder das nicht so übertragen. Vor allem in Kindergarten und Volksschule gibt es kaum Übertragungen, das muss man wirklich differenziert sehen.“ Die Schulen sollten so öffnen, wie das jetzt vorgesehen sei. In der Mittelschule müsse man sich halt überlegen, welche Maßnahmen man bei einem Verdachtsfall setzt, also etwa punktuell mit der Maske arbeitet, „aber ich denke, das sind Dinge, die in der Volksschule keine Bedeutung haben. Auch in der ersten Welle hat die Schule eine untergeordnete Bedeutung gehabt. Das hat man auch gelernt, insofern fürchte ich mich vor dem Schulbeginn gar nicht.“

Ampelsystem dient der Transparenz

Wenisch verwies darauf, dass er in seinem Medizinstudium vor 30 Jahren gelernt habe, dass bei einer Pandemie ein Ampelsystem gefragt sei. Das habe einzig den Sinn, „dass die Menschen verstehen, was passiert“. Es gebe eine gewisse Anzahl an Infektionen, dann müsse eben diese oder jene Handlung gesetzt werden. Das mache transparent und schaffe Nachvollziehbarkeit.

Wenisch verglich dies mit der Lawinenkommission. Wenn Schnee falle, würden Berge gesperrt oder empfohlen, gewissen Touren nicht zu unternehmen.
Auch bei Pandemiemaßnahmen sei es so, „weil die Menschen müssen ja nachvollziehen können, was da mit ihnen passiert, wenn ich Maske aufsetze oder nicht, das muss man ihnen vorher schon zeigen, damit sie abschätzen können, wie muss ich mich verhalten.“

Dauerwelle statt zweiter Welle

Im Ö1-Mittagsjournal betonte Wenisch, man müsse sich nicht vor einer zweiten Welle fürchten, es gebe eine „Dauerwelle“ an Corona-Infektionen und eine kontinuierliche Auslastung an den Spitälern. Der Anstieg der Fälle habe mit der vermehrten Reisetätigkeit zu tun, das sei wenig überraschend. Positiv beurteilt Wenisch, dass man wisse wo die Fälle herkommen. Wichtig sei es, die Infektionsketten zu durchbrechen – mehr dazu in „Dauerwelle, nicht zweite Welle“ (oe1.ORF.at).