Eine Kundgebung von kurdischen und linken Aktivisten am Samstag, 27. Juni 2020, in Wien-Favoriten.
APA/Florian Schrötter
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CHRONIK

Mutmaßlicher Spitzel aus Türkei enttarnt

In Österreich könnte ein Spionagefall mit Ausgangspunkt Ankara aufgedeckt worden sein. Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) berichtete von einer geständigen Person. Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) zeigte sich besorgt über den Einfluss des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan.

Die Staatsanwaltschaft würde nun Anklage wegen Spionage erheben, so der Innenminister am Dienstag bei einer Pressekonferenz. Nähere Details zu der Person gaben weder Nehammer noch der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Franz Ruf, bekannt. So blieb das Geschlecht des mutmaßlichen Spions ebenso unklar wie seine Staatsangehörigkeit und die Frage, ob er sich noch auf freiem Fuß befindet. Nicht einmal, welche Staatsanwaltschaft ermittelt, wurde bekanntgegeben. Es dürfte sich aber um eine Behörde außerhalb Wiens handeln.

Soll im Dienste Ankaras in Österreich spioniert haben

Zu erfahren war immerhin, dass die Person ursprünglich in der Türkei inhaftiert war. Um wieder freizukommen, soll sie zugestimmt haben, im Dienste Ankaras bei Landsleuten in Österreich bzw. türkischstämmigen Einwanderern zu spitzeln.

Dieser Fall steht zwar nicht im direkten Zusammenhang mit den Zusammenstößen zwischen kurdischen Demonstranten und türkischen Gegendemonstranten Ende Juni in Wien, wurde aber von der da eingerichteten Sonderkommission berücksichtigt. Ruf ist nämlich überzeugt, dass auch bei diesen Auseinandersetzungen der türkische Geheimdienst seine Finger im Spiel gehabt habe.

Bei Ausschreitungen in Favoriten mitgefilmt

Ins Treffen geführt wurde vom Innenministerium hier zusätzlich der Fall einer Person, die in der Türkei von den Behörden einvernommen wurde. Dabei wurde dem Mann ein Foto von sich bei einer in Österreich stattgefundenen Kundgebung gegen die türkische Führung gezeigt.

Auch bei den Ausschreitungen in Favoriten war der Exekutive aufgefallen, dass von nicht polizeilicher Seite mitgefilmt wurde – für Ruf einer der Aspekte für typische nachrichtendienstliche Arbeit. Erwähnt wurde vom Generaldirektor auch, dass es zwar in erster Linie eine türkisch-kurdische Auseinandersetzung gewesen sei, aber durchaus andere Nationen mitgemischt hätten – nämlich nicht weniger als 32.

Arm des türkischen Präsidenten „reicht bis Wien-Favoriten“

Für die Regierung ist die Situation jedenfalls beunruhigend. Integrationsministerin Raab meinte bei der Pressekonferenz, der Arm des türkischen Präsident reiche bis Wien, ja bis nach Favoriten. Über Vereine und Moscheen werde Einfluss auf Menschen mit türkischen Wurzeln ausgeübt. Die Türkei wolle dabei die Spaltung in der österreichischen Gesellschaft vorantreiben. Dieser Einfluss sei Gift für die Integration.

Nehammer will das Problem auch internationalisieren. Den deutschen Innenminister Horst Seehofer habe er über den Spionagefall schon informiert. Man müsse sich in Europa gemeinsam gegen den Einfluss Ankaras wehren. Vermutlich sei man erst an der Spitze des Eisbergs angelangt. Diplomatische Schritte bezüglich des Spionagefalls wird laut Nehammer ÖVP-Außenminister Alexander Schallenberg einleiten.

FPÖ erwartet umgehende Konsequenzen

FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl höhnte in einer Pressekonferenz, dass es wohl nur für Nehammer eine Neuigkeit sei, dass die Türkei in Österreich und Wien so etwas wie ein Spitzelwesen betreibe. Er erwarte sich umgehend Konsequenzen im diplomatischen Bereich. Wenn der entsprechende Nachweis erbracht werden könne, müsse es auch zur Ausweisung von Botschaftspersonal kommen.

Das Außenministerium hat nun doch schon jetzt diplomatische Aktivitäten angesichts des vermeintlichen Spionagefalls Ankara betreffend in die Wege geleitet. Man habe die türkische Botschaft um ein Gespräch gebeten, hieß es ohne weitere Erläuterungen Dienstagnachmittag