CHRONIK

Kein Scheidungsboom durch Coronavirus

In Wien sind im vergangenen Jahr die Scheidungszahlen auf 3.947 zurückgegangen. Das hat die Statistik Austria heute veröffentlicht. Durch die Coronavirus-Pandemie scheint die Scheidungsrate in Wien jedenfalls noch nicht angestiegen zu sein.

Im Lockdown ab Mitte März hat es Wien so gut wie keine Scheidungen gegeben. Grund dafür ist vor allem, dass die Gerichtsbetriebe bis Ende Mai stark eingeschränkt waren. Am Bezirksgericht Favoriten etwa wurden im ersten Halbjahr um 18 Prozent weniger strittige Scheidungsklagen eingebracht gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres, so Gerichtsvorsteher Robert Schrott gegenüber Radio Wien.

Der Rückgang soll laut Schrott allerdings jetzt langsam aufgeholt werden: „Im Juli hatten wir eine Steigerung im Berich von zehn Prozent. Das ist allerdings nur ein Nachholen all dessen, was während des Lockdwons nicht passiert ist.“

Verzögerungen bei Verhandlungen

Das Nachholen von Verfahren hat auch zur Folge, dass es jetzt zu Verzögerungen bei Verhandlungen kommt, heißt es aus anderen Bezirksgerichten. Ein Grund für Verzögerungen ist auch der Mangel an Räumen. Denn die Abstandsregeln erfordern größere Verhandlungssäle und die sind an den Bezirksgerichten Mangelware.

Für das bisherige Jahr 2020 lagen bei der Statistik Austria noch keine Daten vor. Der Rechtsanwalt Clemens Gärner von der Wiener Familienrechtskanzlei Gärner Perl sprach am Mittwoch in einer Aussendung allerdings bereits von einem „Scheidungsjahr“ 2020 wegen der Coronakrise. „Der Sommer ist eine an sich sehr starke Zeit für Scheidungen. Wir haben diesen Sommer aber einen Anstieg der Scheidungsrate um noch mal 30 Prozent registriert“, betonte Gärner. Darunter seien jedoch auch jetzt in die Wege geleitete Scheidungen von Personen, die das bereits vor der Coronakrise vorhatten. „Andere wiederum sind aufgrund des geballten Zusammenseins erst draufgekommen, dass sie diese Ehe keinesfalls weiterführen wollen“, erläuterte der Anwalt.

Wien und Niederösterreich fast gleich auf

Österreichweit lag die Gesamtscheidungsrate 2019 bei 40,7 Prozent: Das ergibt 16.319 Scheidungen. Davon knapp 4.000 in Wien. Nach Niederösterreich (44,4 Prozent) gab es in Wien die zweithöchste Scheidungsrate (44,1 Prozent), das seit 1991 den negativen Spitzenplatz innehatte.In Tirol war die Gesamtscheidungsrate mit 34,9 Prozent, wie schon seit 2017, am niedrigsten.

Grafik zur Scheidungsrate
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: Statistik Austria
Nach Niederösterreich gab es in Wien die zweithöchste Scheidungsrate

In der Statistik sind österreichweit erstmals auch acht Scheidungen gleichgeschlechtlicher Ehen enthalten. Dabei handelte es sich um Trennungen von vier männlichen und vier weiblichen Ehepaaren. Bei den eingetragenen Partnerschaften gab es zwei Auflösungen von verschiedengeschlechtlichen Partnern.