Chronik

„Sittenwächter“: Hunderte Opfer befürchtet

Im August hat die Wiener Polizei von tschetschenischen „Sittenwächtern“ berichtet, die Landsfrauen bei zu „westlichem“ Auftreten bedroht hatten. Elf Beschuldigte sind bereits bekannt. Die Polizei geht mittlerweile von Hunderten Opfern aus.

Zudem wurden laut Wiener Polizei einige Gigabit Daten beschlagnahmt, die weitere Straftaten zeigen – Waffenhandel, Freiheitsentziehung, schwere Körperverletzung und Kfz-Diebstahl. Die hierarchisch strukturierte Gruppierung soll seit zumindest Anfang des Jahres agiert haben.

Betroffene wandte sich an Polizei

Die Mitglieder sollen die in ihr Visier geratenen Frauen, in manchen Fällen auch deren Partner und Familien, belehrt, bedroht und verfolgt haben – und zwar, wenn sich diese nicht den Wertvorstellungen der Beschuldigten entsprechend verhalten hatten. Ein Foto in Badebekleidung oder eine Beziehung zu einer nicht tschetschenisch-stämmigen Person reichten aus. Ins Rollen war der Fall gekommen, nachdem sich eine Betroffene an die Polizei gewandt hatte.

„Akten“ von Hunderten Frauen

Die Organisation war auch in geheimen Chatgruppen auf verschiedenen Plattformen organisiert. Die Gruppe führte akribisch „Akten“ von Hunderten Frauen, in denen sowohl deren Aktivitäten im Internet als auch im öffentlichen Raum dokumentiert wurden, berichtete Polizeisprecher Paul Eidenberger am Mittwoch.

Mittlerweile wurden elf verdächtige Tschetschenen namentlich ausgeforscht, darunter eine Frau. Davon befinden sich derzeit vier Personen in Untersuchungshaft. Die Anzeigen lauten auf Gründung einer kriminellen Vereinigung sowie eines verbrecherischen Komplotts und Nötigung lauten.

Hohe Dunkelziffer vermutet

Aufgrund der bisher gesichteten Daten dürfte es aber eine hohe Dunkelziffer weiterer Täter geben, die in verschiedenen Formen den bereits bekannten „Sittenwächtern“ zugearbeitet hatten. Auf Opferseite sind derzeit zehn Frauen bekannt. Die Zahl der Betroffenen könnte im dreistelligen Bereich liegen, da es sichergestellte „Akten“ von Hunderten jungen Frauen gibt. Da viele davon noch nicht identifiziert werden konnten, wisse man nicht, ob diese von der Gruppierung belästigt und damit zu Opfern wurden, heißt es.

Bereits seit mehreren Wochen werden die Chatprotokolle, Bilder und Videos gesichtet und ausgewertet, fertig sei man damit aber noch lange nicht, so Eidenberger. Gesichert wurden auch Videos, auf denen bis dato Unbekannte Personen körperlich misshandeln werden. Die Beamten ermitteln zudem in Sachen Waffenhandel, Freiheitsentziehung, schwere Körperverletzung und Autodiebstahl.