Coronavirus-Test in Labor
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Gesundheit

Corona-Ampel: Wien bleibt gelb

Trotz steigender Coronavirus-Fälle wird Wien auf der Corona-Ampel weiter auf Gelb eingestuft. Am Freitag wird als Verschärfung der Mund-Nasenschutz-Pflicht für ganz Österreich bekannt gegeben.

Die Maskenpflicht soll auch außerhalb des Lebensmittelhandels und von Apotheken und Banken österreichweit in geschlossenen Räumen ausgeweitet werden. Alle Veranstaltungen österreichweit sollen auf Gelb-Niveau gestellt werden. Das heißt, indoor sind 2.500 Plätze (ohne zugewiesene Plätze 100), outdoor 5.000 Plätze möglich. Die Details werden am Freitag bei einer Pressekonferenz verkündet.

Wien bleibt auf der Corona-Ampel laut APA ebenso gelb wie Graz und der Bezirk-Kufstein. Neu dazu kommen Innsbruck-Stadt und Schwaz in Tirol, sowie die niederösterreichischen Bezirke Korneuburg und Wiener Neustadt, wie die APA aus der Kommission erfuhr.

Hacker für schärfere Maßnahmen

Schärfere Maßnahmen hatte am Donnerstag neben Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) auch Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) gefordert. Nötig seien entweder neue bundesweite Regelungen oder die Möglichkeit, regional Maßnahmen zu verhängen, erklärte Hacker. Die Fallzahlen gingen im urbanen Raum, also nicht nur in Wien, unmissverständlich nach oben, warnte Hacker. Darum sei es nötig, die Maßnahmen wieder zu verschärfen: „Wir brauchen einige Spielregeln wieder.“

Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) am Montag, 17. August 2020, im Rahmen der Pressekonferenz „Zusätzliche ÄrztInnen im Wiener Gesundheitsverbund“ im Wiener Rathaus.
APA/Herbert Neubauer
Hacker für neue bundesweite Regelungen oder Möglichkeit zu regionalen Ausnahmen

Gelb oder Orange?

Wien sei jedoch im „juristischen Dilemma“, die Vorkehrungen nicht selbst treffen zu können. Möglich wäre laut dem Stadtrat etwa, dass in die jeweiligen Verordnungen ein Passus eingefügt wird, dass abweichende regionale Regelungen getroffen werden können. Hacker wünscht jedenfalls, zusätzliche Maßnahmen abseits des Familienverbands zu schaffen. Die neue strengeren Maßnahmen sollen also für den Handel oder für allgemein zugängliche Innenräume, aber auch für Zusammenkünfte im Freien getroffen werden.

Mit der Entwicklung der Coronavirus-Ampel sei er nun zufrieden, so der Ressortchef. Denn es seien nach Arbeitsgesprächen mit dem Bund zusätzliche Paramenter eingefügt worden. Berücksichtigt würden nun etwa auch die unterschiedlichen Teststrategien. Wien testet etwa Kontaktpersonen systematisch – womit auch Fälle ohne Symptome aufgedeckt werden, wie im Rathaus immer wieder betont wird. Hacker wäre auch mit Orange auf der Corona-Ampel einverstanden gewesen: „Das soll ja kein Larifariinstrument sein.“

Wien vor schärferen Corona-Maßnahmen

387 neue Infektionen in 24 Stunden, Virologen sprechen von einer besorgniserregenden Situation, Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) fordert vom Bund per Verordnung schärfere Maßnahmen. Personal für die Kontaktverfolgung soll aufgestockt werden.

Nehhammer kritisiert Wien scharf

Aus dem türkisen Teil der Bundesregierung kamen scharfe Töne Richtung Wien: „Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ, Anm.) muss endlich die Realität akzeptieren“, sagte Innenminister Karl Nehammer (ÖVP). Vor einer Woche sei die Ampelschaltung auf Gelb noch als politisch motiviert kritisiert worden, eine Woche später seien die Zahlen der Neuinfizierten „mehr als alarmierend“, so Nehammer. „Ich habe die Hoffnung, dass dieses Mal die Ampelschaltung und die damit verbundenen notwendigen und strengeren Maßnahmen von der Stadt Wien akzeptiert werden.“

Hacker warf Nehammer daraufhin Wahlkampf als Intention vor: „Nehammer kann’s nicht lassen“, so Hacker am Nachmittag. „Offenbar ist er schon im Wahlkampffieber.“ Die Wiener FPÖ kann Forderungen nach verstärkten Maßnahmen wenig abgewinnen. „Jetzt findet offenbar ein Wettstreit zwischen der schwarz-grünen Bundesregierung und der rot-grünen Stadtregierung statt, wer es schafft, den Menschen mehr Angst und Schrecken einzujagen“, sagte Parteichef Dominik Nepp.

NEOS: „Erneut eine Woche verloren“

NEOS-Wien-Gesundheitssprecher Stefan Gara forderte in einer Aussendung eine entschlossenere Vorgangsweise der rotgrünen Stadtregierung: „Tagelang ist Gesundheitsstadtrat Hacker nach der Ampel-Präsentation nur durch polemische Interviews aufgefallen. So haben wir erneut eine Woche verloren, in der die Stadt schon Maßnahmen hätte setzen können. Wir brauchen beispielsweise schnellstens umfangreiche Stichprobentests an Schulen."

Ähnlich der Tenor in der Wiener ÖVP: „Wochenlang hat SPÖ-Stadtrat Hacker die Entwicklung der Corona-Zahlen in Wien verharmlost. Das war fahrlässig und verantwortungslos", heißt es in einer Aussendung.

Fälle in Schule in Hernals

Unterdessen wurden in Wien wenige Tage nach Schulbeginn auch einige Fälle in Schulen bekannt. So sollen laut einem „Heute“-Bericht im Gymnasium Geblergasse in Hernals zwei Klassen wegen Verdachtsfällen nach Hause geschickt worden sein. In einem weiteren Fall soll ein getesteter Schüler vor Vorliegen des Testergebnisses in die Schule gekommen sein. Da er positiv war, mussten sich laut dem Bericht die Klassenkollegen bzw. die Lehrer in Quarantäne begeben.

In Wien stiegen die Zahlen laut medizinischem Krisenstab der Stadt Wien binnen 24 Stunden – Stand Donnerstag (8.00 Uhr) – wieder um 387 Fälle an – auf insgesamt 9.946 bisher bestätigte Infektionen. Die Zahl der mit dem Virus in Zusammenhang stehenden Todesfälle beträgt 224. Ein 77-jähriger Mann ist verstorben. 7.137 Personen sind wieder genesen. In den vergangenen Tagen waren die Zahlen ebenfalls hoch. Am Freitag wird die Regierung bei einer Pressekonferenz erneut die Risikogebiete mittels Ampelsystem präsentieren.

Virologin: „Besorgniserregend“

Die Virologin Elisabeth Puchhammer-Stöckl wertete den anhaltenden Anstieg am Donnerstag als einigermaßen „besorgniserregend“. Die Entwicklung der vergangenen sieben Tage weise leider in Richtung „Anstieg“. Es brauche angesichts der Zahlen eine verbesserte und raschere Fallidentifikation und Kontaktnachverfolgung, so die Wissenschaftlerin, die als eine von fünf Expertinnen und Experten Teil des 19-köpfigen Ampel-Gremiums ist. Ungeachtet der aktuellen Frage, ob die seit Montag erhöhten Tageswerte zum Teil auf Nachmeldung von früheren Testungen zurückzuführen sind, gehe der längerfristige Trend „wirklich hinauf“.

Österreich war sehr lange „gut unterwegs“, sei nun aber mit einer anderen Entwicklung konfrontiert. Die sogenannte Sieben-Tage-Inzidenz, die angibt, wie viele neu gemeldete Coronavirus-Infektionen pro 100.000 Einwohner im Zeitraum einer Woche auftreten, gehe momentan hierzulande gegen 30. Während dieser Indikator in Frankreich und vor allem Spanien derzeit um ein Vielfaches höher liegt, stehe man in Deutschland hingegen bei einem Wert um zehn, gab die Virologin vom Zentrum für Virologie der Medizinischen Universität (MedUni) Wien zu bedenken.

Tests dauern zu lange

Mit steigender Anzahl an Fällen kommt der verlässlichen und vor allem schnellen Diagnosestellung und Kontaktnachverfolgung eine noch entscheidendere Bedeutung zu. Nicht nur in Österreich dauere es aber mitunter immer noch mehrere Tage, bis diese Maßnahme ins Rollen kommt. Hier handle es sich aber „um das Mittel, das die Epidemie derzeit bekämpfen kann. Das ist auch der Tenor aus verschiedenen Ländern“, so Puchhammer-Stöckl.

An einer Bewertung von etwaigen Effekten des Schulstarts in Ostösterreich könne man sich erst in einiger Zeit seriös versuchen. In Deutschland, wo das Herbstsemester teils schon deutlich früher begonnen hat, gebe es zwar „etliche Fälle an Schulen, aber noch keine großen Clusterausbrüche“.

Vorsicht bei Impfstoffprognosen

Dass nun der britische Pharmakonzern AstraZeneca seine weltweiten Tests mit einem vielversprechenden Coronavirus-Impfstoffkandidaten wegen eines Krankheitsfalls bei einem Studienteilnehmer unterbrochen hat, zeige, dass man mit Prognosen zur künftigen Verfügbarkeit von Impfstoffen „sehr vorsichtig sein muss“.

Wenn erste Medienberichte stimmen, und es sich bei dem Fall in Großbritannien tatsächlich um eine transversale Myelitis – eine seltene Art der Rückenmarksentzündung, die mit schweren neurologischen Komplikationen ähnlich einer Querschnittslähmung einhergehen kann – handelt, „ist es extrem wichtig, dass das jetzt abgeklärt wird“. Hier handle es sich um eine mögliche schwere Nebenwirkung. Man kenne dieses Krankheitsbild etwa als sehr seltene Komplikation nach Viruserkrankungen, aber auch als Symptom bei Multipler Sklerose, so Puchhammer-Stöckl.