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ORF.at/Sabine Koder
ORF.at/Sabine Koder
Chronik

WWF: Bodenverbrauch gefährdet Gesundheit

Der WWF warnt vor den Auswirkungen von Versiegelung und Verbauung in Österreich. Laut einer Analyse von Umweltmediziner Hans-Peter Hutter entstehen mehr Lärm, Hitzeinseln und Luftverschmutzung.

Das Bewusstsein für die Folgen des Bodenverbrauchs ist jedoch ähnlich gering wie jenes, dass der „Boden“ mehr ist als die Fläche, auf der wir stehen: „Diese Thematik ist in der Gesellschaft noch komplett unterbelichtet“, sagte Hutter (MedUni Wien) am Montag bei einer Pressekonferenz des WWF. Laut seiner umweltmedizinischen Analyse im Auftrag des WWF führt die Versiegelung und Verbauung auch zu höherer Feinstaubkonzentration. Zudem werden die Auswirkungen von Naturgefahren wie Überschwemmungen drastischer.

Belastung des Organismus durch Hitzetage

Die „thermische Unbehaglichkeit“ in den Städten ist durch Verbauung und infolge des Klimawandels zu einem ebenso zunehmenden medizinischen Problem geworden, denn Hitzetage und Tropennächte belasten den menschlichen Organismus bis hin zum vorzeitigen Ableben.

Doch Straßenschluchten mit ihrem völlig reduzierten Luftaustausch sind nicht nur ein Gesundheitsrisiko, „es ist der Verlust von Lebensqualität und Leistungsqualität“, die jeden betreffe, hob Hutter hervor. Jedoch könne hier leicht Abhilfe geschaffen werden, dafür brauche es aber ein Bewusstsein – und keine 0815-Lösungen in der Stadterweiterung, und im Falle bereits verbauter Flächen brauche es Rückgewinnung an freiliegenden Böden.

Hochwasser durch heftige Niederschläge

Der ländliche Bereich bleibt aber ebenso wenig verschont, vor allem durch Hochwasser: Die Ursachen liegen laut WWF-Programmleiterin Hanna Simons darin, dass Flüsse verbaut und Siedlungen in ihre Nähe „hingestellt“ worden seien. Die Hochwassergefahren, die ebenfalls durch die klimawandelbedingten Zunahmen heftiger Niederschläge steigen, hätten daher durch den Bodenverbrauch noch drastischere Folgen.

„Man kann weiter verbauen, aber man muss auch dem Fluss seinen Platz lassen“, erläuterte Simons die Optionen. Hutter warnte, dass natürlich auch Altlasten mit überschwemmt werden, wodurch einst im Boden entsorgte Schadstoffe wieder ihren Weg an die Oberfläche finden.

Lärmbelastung durch Verkehr nicht ernst genommen

Auch der Lärm nehme zu, nicht zuletzt wegen der Coronavirus-Pandemie, sagte Hutter in Hinblick auf die Schanigärten, die heuer eine längere Saison haben. Doch vor allem die vermehrten psychosozialen Folgen von übermäßiger Lärmbelastung durch Straßenverkehr müssten endlich ernst genommen und viel stärker beachtet werden, so Hutter.

Stress, Unsicherheit und die Minderung der geistigen und körperlichen Leistungsfähigkeit seien die Folgen. Auch hier wie bei der Hitze liege die Lösung in Wiederbegrünung. WWW-Leiterin Simons wies ebenfalls auf das Coronavirus hin, denn „wir haben in den vergangenen Monaten gelernt, was Stille wert ist“. Der Mensch brauche die Natur etwa zur Erholung, und es werde vergessen, dass die Natur auch ein „Dienstleister“ sei, der diese Dienste kostenfrei anbiete, etwa im Bereich Ernährung.

Österreich bei Verbauung EU-weit führend

Was die Dienste des Bodens betrifft, so „kann man die physikalischen und mikrobiologischen Eigenschaften nur erahnen“, erläuterte Hutter den Umstand, dass das Wissen um den Boden und damit um das organische Erdreich noch nicht zur Gänze erschlossen wurde. Eines sei aber klar: „Aus medizinischer Sicht ist der Boden die Grundlage des Lebens – und erst in den 70ern Jahren wurde langsam klar, dass er unwiederbringlich ist“, stellte der Public-Health-Experte fest.

Doch der Bodenverbrauch durch Flächenfraß und Verbauung gehe weiter. Im EU-Vergleich sei Österreich geradezu führend in der Zerstörung dieser Lebensgrundlage, 13 Hektar pro Tag würden im Schnitt täglich zubetoniert oder anderwärtig denaturalisiert, so Hutter.

Eigentlich hätte laut der Nachhaltigkeitsstrategie des Bundes der tägliche Bodenverbrauch schon bis 2010 auf maximal 2,5 Hektar gesenkt werden sollen. Der WWF Österreich fordert daher Bund, Länder und Gemeinden auf, ein Maßnahmenpaket zu vereinbaren, das den Bodenverbrauch verbindlich reduziert.