Regisseur Claus Peymann am Theater in der Josefstadt
APA/Roland Schlager
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Kultur

Peymann bittet in der Josefstadt zu Tisch

Claus Peymann eröffnet am Donnerstag mit den Thomas-Bernhard-Dramoletten „Der deutsche Mittagstisch“ die neue Saison im Theater in der Josefstadt – und zeigt sich begeistert von einem Haus, auf das er als Burgtheaterchef „etwas herabgeschaut hat“.

Die Wahl auf das Bernhard-Stück sei „aus gegebenem politischen Anlass“ gefallen, sagte Peymann: „Die politische Situation – sowohl in Deutschland als auch in Österreich, ja, man kann sagen: in ganz Europa – hat sich aber so zugespitzt, dass diese scheinbar kleinen, bösen, sehr lustigen Dramolette brandaktuell geworden sind.“

Sie enthielten das Wiederaufflammen nationalsozialistischer Gedanken, verdeckten Rassismus und Antisemitismus bis in die höchsten Kreise, bis hin zu den Ewig-Gestrigen, die sich wieder zusammenscharen und gemeinsam Nazilieder singen. Die Tagespolitik spiele uns in die Hände und werde zum Hilfsdramaturgen für die Josefstadt: „Thomas Bernhard ist ein Prophet. Er hat vorausgesehen, wohin die Chose läuft. Und er hat leider recht behalten.“

Regisseur Claus Peymann am Theater in der Josefstadt
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Regisseur Claus Peymann feiert am 17. September Premiere in der Josefstadt mit „Der deutsche Mittagstisch“.

Herabschauen auf Josefstadt „zu Unrecht“

Sandra Cervik, Raphael von Bargen, Michael König, Bernhard Schir, Peymann zeigte sich begeistert über sein „verrücktes Ensemble im Ensemble, ein Bernhard-Ensemble“: „Mit unseren beiden österreich-affinen „Gästinnen“ Lore Stefanek und Traute Hoess und den acht fantastischen Schauspielern der Josefstadt würde ich am liebsten sofort weiterarbeiten.“ Doch das müsse Direktor Föttinger entscheiden, so Peymann im APA-Interview.

Die Schauspieler seien so gut, dass er eigentlich zu Hause bleiben könnte. Er empfinde das Ensemble als großes Glück, er lerne ja viele der Schauspieler an der Josefstadt in der gemeinsamen Arbeit gerade erst kennen: „Als ich Burgtheaterdirektor war, vor 25 Jahren, haben wir immer etwas herabgeschaut auf „die Josefstadt“. Jetzt stellt sich heraus: zu Unrecht!“, erinnerte sich Peymann.

Peymann bittet in der Josefstadt zu Tisch

Claus Peymann eröffnet mit den Thomas-Bernhard-Dramoletten „Der deutsche Mittagstisch“ die neue Saison im Theater in der Josefstadt – und zeigt sich begeistert von einem Haus, auf das er als Burgtheaterchef „etwas herabgeschaut hat“.

„Das Kulturgut – das ist doch Europa!“

Der Kulturpolitik stellte der 83-Jährige in Coronazeiten ein schlechtes Zeugnis aus. Den Impuls, gegen die Beschneidung des Rechts auf Freiheit zu demonstrieren, könne er verstehen. Nach wie vor gebe es kaum Politiker, die sich für Kunst interessieren oder etwas von ihr verstehen würden: „Wir haben praktisch keine Lobby, niemanden, der uns wirklich hilft.“ In Deutschland seien 700 Milliarden Euro für Firmen ausgegeben worden, die sich ohnehin schon kaputt gewirtschaftet hätten, unabhängig von der CoV-Pandemie.

Veranstaltungshinweis

„Der deutsche Mittagstisch“ ist im Theater in der Josefstadt ab 17. September um 19.30 Uhr zu sehen.

Peymann sieht darin „eine schändliche Missachtung dessen, was Europa ausmacht. Europa definiert sich doch durch die Kultur, nicht durch Konzerne wie die Bahn oder die Fluglinien.“ Das Kulturgut, dass sei Europa, wofür es sich zu kämpfen lohne – man wisse abe rnoch nicht, wie es ausgehe, wahrscheinlich stark geschädigt: „Wir Theaterleute werden allein gelassen mit der Sorge, ob, wann und wie amputiert wir aus dieser Krise wieder herauskommen werden.“

„Absurde, politische Seite der Krise“

Peymann betonte den politischen Aspekt der Coronavirus-Pandemie. Es sei absurd, Menschen in überfüllten Kneipen, dicht an dicht in Straßenbahnen und ausgebuchten Zügen und Flugzeugen: "Aber im Theater müssen wir uns alle sklavisch an die absurdesten Regeln halten. Wo ist da die Logik? Wem wird das am Ende nützen? Und wo bleiben die kleinen Theater, die Träumer, die Künstler? Dass es sich hierbei nicht allein um eine medizinische, sondern auch um eine politische Krise handle, „das macht mir Sorgen“.