Spitzenkandidaten bei der Elefantenrunde im Rathaus
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Wahl 2020

Ludwig: Wien weiter im Coronavirus-Krisenstab

Die Stadt bleibt im Coronavirus-Krisenstab, der im Innenministerium angesiedelt ist. Das stellte Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) bei der abschließenden ORF-„Elefantenrunde“ zur Wien-Wahl klar. Grüne, ÖVP und NEOS betonten unterdessen erneut ihre Bereitschaft mitzuregieren.

„Selbstverständlich arbeiten wir als Stadt Wien mit allen Krisenstäben, überall dort, wo wir eingeladen sind“, betonte Ludwig in der letzten TV-Konfrontation vor der Wien-Wahl. Die Diskussion sei entstanden, weil die Coronavirus-Zahlen künftig erst um 14.00 Uhr veröffentlicht würden und eine Sitzung des Krisenstabs um 9.00 Uhr daher wenig Sinn habe.

Er habe Gesundheitsstadtrat Peter Hacker ersucht, an der nächsten Sitzung am Freitag persönlich teilzunehmen, um das mit dem Innenminister zu diskutieren, so Ludwig. Hacker hatte zunächst einen Rückzug Wiens aus dem Krisenstab angekündigt, ruderte dann aber wieder zurück – mehr dazu in Wiener Rückzug von Krisenstab nicht fix. Als „nicht ernst zu nehmen“ fand Ludwig nach wie vor das Angebot des Innenministers, dass die Polizei Wien beim Kontaktmanagement unterstützen könnte. In den vergangenen Tagen würden in Wien Botschaften vom Bundesheer bewacht, weil es zu wenige Polizisten gebe, so der SPÖ-Spitzenkandidat. Er frage sich, welche Beamte der Innenminister da zur Verfügung stellen wolle.

Blümel will Hacker Gesundheitsagenden entziehen

ÖVP-Wien-Spitzenkandidat und Finanzminister Gernot Blümel übte anlässlich der Diskussion über den Coronavirus-Krisenstab scharfe Kritik an Gesundheitsstadtrat Hacker. Dieser sei bereits seit dem Frühjahr „auffällig“. „Jetzt, glaub ich, ist der Zeitpunkt, dass der Herr Ludwig dem Herrn Stadtrat wirklich die Gesundheitsagenden entziehen sollte – am besten direkt zum Bürgermeister.“ Blümel erneuerte auch seine Forderung nach einer Vorverlegung der Sperrstunde in der Wiener Gastronomie. „Wenn wir so weitermachen in Wien, dann wird es keinen Wintertourismus geben.“

Blümel
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Blümel übt scharfe Kritik am Wiener Gesundheitsstadtrat

Wiederkehr: „Im Sommer wurde komplett geschlafen“

NEOS-Spitzenkandidat Christoph Wiederkehr forderte deutlich mehr Geschwindigkeit etwa bei den Coronavirus-Tests an Schulen und kritisierte, dass der Sommer nicht für die notwendigen Vorbereitungen genutzt worden sei: „Im Sommer wurde komplett geschlafen.“ FPÖ-Wien-Spitzenkandidat Dominik Nepp will einen „Corona-Tausender für jeden Haushalt“. Unternehmen sollen außerdem ein Jahr lang keine Lohnnebenkosten bezahlen müssen.

Heinz-Christian Strache, der mit dem Team HC Strache den Einzug in den Wiener Landtag und Gemeinderat schaffen will, forderte, dass man Betrieben Steuerschulden für ein halbes Jahr nachlassen soll, die Stadt Wien solle außerdem die Landesabgaben streichen. Die Spitzenkandidatin der Wiener Grünen, Verkehrsstadträtin und Vizebürgermeisterin Birgit Hebein, übte scharfe Kritik an Nepp und Strache: „Ich halte es für grob fahrlässig, wenn Parteien wie Sie Bilder halbstark auf Social Media zeigen, wo sie weder Schutzmaßnahmen noch Masken tragen noch was auch immer.“

Wiederkehr
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NEOS-Wien-Chef Wiederkehr hat die Coronavirus-App installiert

Lkw-Abbiegeassistent als grüne Koalitionsbedingung

Neben der Coronavirus-Krise waren auch mögliche Koalitionen ein Thema in der „Elefantenrunde“. Hebein warb um die Fortsetzung von Rot-Grün – auch wenn sie einige Entscheidungen der SPÖ „mutlos“ gefunden habe – etwa bei der „autofreien“ Innenstadt oder dass man den verpflichtenden Abbiegeassistenten für Lkws nicht mehr umgesetzt habe. Dessen Einführung sei eine klare Koalitionsbedingung. Eine Regierungskoalition an der SPÖ vorbei zu machen schloss Hebein aus.

Blümel warb für „mehr Türkis“ in Wien, etwa bei der Wirtschafts- und Integrationspolitik. Ob er in einer Koalition mit der SPÖ das Finanz- und Wirtschaftsressort beanspruchen würde, wollte er noch nicht sagen. Zunächst gebe es inhaltliche Verhandlungen, dann erst stelle sich die Frage, „wer welches Amt bekommt“. Wiederkehr schloss eine Koalition mit der „Blümel-ÖVP“ erneut aus und warb für eine „Reformkoalition“ der SPÖ mit NEOS – nicht nur im Bereich Bildung: „Die Freunderlwirtschaft, die gehört endlich raus aus diesem Rathaus.“

Strache und Nepp
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Strache wird nicht in den Landtag einziehen, glaubt Nepp

Nepp schließt Wiedervereinigung mit Strache-Partei aus

Strache ging von einer „Fortsetzung der rot-grünen Allmacht in Wien“ aus – seine Partei brauche es dabei als eine „starke rot-weiß-rote heimat- und sozialbewusste Oppositionskraft“. Für Nepp steht hingegen nur die freiheitliche Partei für eine „konsequente patriotische Politik“. Gefragt nach einer möglichen Wiedervereinigung mit der Strache-Partei, sagte er: „Es wird eine Wiedervereinigung geben, nämlich der freiheitlichen Wähler hinter der FPÖ.“ Strache werde den Einzug in den Landtag nicht schaffen.

Nur drei haben Coronavirus-App installiert

Die unterschiedlichsten Meinungskoalitionen zeigten sich bei mehreren Ja-Nein-Fragerunden. Die Frage, ob sie die Coronavirus-App installiert hätten, beantworteten etwa Blümel, Hebein und Wiederkehr gemeinsam mit Ja. Bei einer generellen Impfpflicht waren Parteien alle dagegen – beim Aufsperren der Christkindlmärkte alle dafür. Für eine Frauenquote von 50 Prozent im Wiener Landtag sprach sich nur Hebein aus. Eine dritte Piste für den Flughafen fanden nur Strache und Blümel weiter notwendig, Ludwig legte sich nicht fest.

Hebein
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Hebein kritisiert die SPÖ als „mutlos“

Uneins waren sich die Parteien beim Thema Gemeindebauten. Blümel erneuerte seine Forderung, die Vergabe von Gemeindewohnungen an Deutschkenntnisse zu knüpfen – aus Sicht von Nepp und Strache soll sogar die Staatsbürgerschaft Voraussetzung sein. Nepp kritisierte zudem, ebenso wie Wiederkehr, dass von den von der Stadt versprochenen neuen 4.000 Gemeindewohnungen erst rund 120 gebaut worden seien.

Der NEOS-Spitzenkandidat will außerdem, dass Besserverdienende im Gemeindebau mehr Miete zahlen, für mehr soziale Treffsicherheit. Ludwig warnt jedoch vor größerer Bürokratie – und dass vor allem junge Familien auf den privaten Markt gedrängt werden könnten. Hebein strich hervor, dass in Wien jährlich 10.000 Wohnungen gewidmet würden – davon zwei Drittel leistbar.

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Er habe Hacker ersucht, persönlich an der nächsten Krisenstabssitzung teilzunehmen, so Ludwig

„Autofreie“ Innenstadt für Hebein nicht tot

Hebein verteidigte auch die grüne Forderung, dass Migrantinnen und Migranten bei Jobs in der Gemeinde bei gleicher Qualifikation bevorzugt werden sollen. Es gehe dabei um Sichtbarkeit, weniger Diskriminierung und noch bessere Integration. Bei Ludwig fand das wenig Anklang.

Zankapfel zwischen SPÖ und Grünen war einmal mehr die Verkehrsberuhigung der Inneren Stadt. Für Hebein ist das Projekt noch nicht tot, obwohl Rathausjuristen die geplante Verordnung als verfassungswidrig einstuften. „Das ist ein Wahlkampfgeplänkel, was ich bedaure“, so Hebein. Ludwig betonte, die SPÖ sei für Verkehrsberuhigung in allen Bereichen der Stadt. Im konkreten Fall gebe es jedoch noch viele offene Fragen.

Strache für Park-and-Ride-Anlagen in Niederösterreich

Für eine Verkehrsberuhigung im ersten Bezirk sprach sich auch der Wiener NEOS-Chef Wiederkehr aus, es brauche aber auch dringend Maßnahmen in den Außenbezirken und etwa einen S-Bahn-Ring um Wien. „Die autofreie Innenstadt wäre der absolute Tod für den dortigen Standort, für die dortigen Unternehmer“, sagte hingegen Strache und plädierte stattdessen für den Bau von Park-and-Ride-Anlagen in Niederösterreich, um Wien zu entlasten. Nepp ortet „einen gewissen Autofahrerhass“ und will sich „schützend“ vor die Autofahrer stellen, die Milliarden an Steuern zahlen würden.