Ludwig mit Maske
ORF.at/ Roland Winkler
ORF.at/ Roland Winkler
Wahl 2020

Ludwig lässt alle Koalitionsoptionen offen

Die Wien-Wahl ist geschlagen. Die SPÖ gewinnt dazu, die ÖVP kommt auf Platz zwei. Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) hat sich in einer ersten Stellungnahme alle Koalitionsoptionen offengelassen und sich explizit nicht auf den bisherigen grünen Partner festgelegt.

Im Vordergrund stünden für ihn die „Interessen der Wiener Bevölkerung“, sagte Ludwig in einer Sonder-ZIB zur Wahl. Er warte jetzt aber erst das endgültige Ergebnis ab. „Aber die Hochrechnungen stimmen mich zuversichtlich, dass ich mit mehreren Partnern reden kann.“ Er stehe zu seinem Wort. Er habe vor der Wahl gesagt, dass er eine Koalition nur mit der FPÖ und dem Team HC Strache ausschließe und das gelte auch nach der Wahl, so Ludwig. „Alle anderen Koalitionsoptionen sind möglich.“

Auf die Frage, ob er der ÖVP den Finanzstadtrat überlassen würde, antwortet Ludwig, dass er bereits einen guten Finanzstadtrat habe, aber Verhandlungen nicht vorgreifen wolle. „Ich habe angekündigt, mit allen zu reden, dann wird man sehen, wo es die größte politische Schnittmenge gibt.“ Dass Rot-Grün vom Wähler bestätigt worden sei, wollte Ludwig explizit nicht so sehen. Außer der FPÖ seien „alle Parteien bestätigt worden“, aus den Hochrechnungen ergeben sich noch keine Koalitionen, so der Bürgermeister.

Die Spitzenkandidaten Wahl 20
ORF
Die Spitzenkandidatin und die Spitzenkandidaten in einer ersten Reaktion nach der Wien-Wahl

Ludwig will Koalitionsgespräche „rasch beginnen“

Die anstehenden Koalitionsgespräche will Ludwig „rasch beginnen“, damit es auch zeitnah eine neue Stadtregierung gebe, so Ludwig in einer Aussendung. Es gehe nun darum, in „Sondierungsgesprächen abzuwägen, mit welcher Partei am ehesten eine Kooperation möglich ist“.

Mit Grünen, ÖVP und NEOS gebe es jeweils „Berührungspunkte, aber auch Punkte, wo wir uns unterscheiden“. Für Ludwig seien jedenfalls sozialer Zusammenhalt und das gute Miteinander in der Stadt „Grundprämisse, und daran werde ich auch den Koalitionspartner messen“.

Im Ö1-Morgenjournal äußerte er sich positiv zu einer möglichen Zusammenarbeit mit NEOS. „Aus meiner Sicht gab es eine positive Veränderung insbesondere auch in gesellschaftspolitischen Fragen. Man wird sehen, wie weit es möglich ist in wirtschaftspolitischen Fragen zu kooperieren“, sagte Ludwig.

Blümel freut sich über „Sensation“

Blümel hat sein Ergebnis als „Sensation und Wahnsinn“ bezeichnet. „Ich kann es gar nicht glauben“, sagte er in einer ersten Reaktion auf die erste Hochrechnung, wonach sich die ÖVP von 9,2 auf knapp 18,7 Prozent verdoppelt hat. „Wir sind von Platz vier auf Platz zwei vorgerückt und haben den größten Zugewinn in der Geschichte der ÖVP erreicht. Ich bin tief dankbar“, so Blümel.

Das Wahlergebnis bezeichnete er als „gemeinschaftlich erkämpften Sieg“ mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). „Ich bin froh, dass dieser Transfer auf die Wiener ÖVP gelungen ist.“ Ob er jetzt vom Finanzministerium nach Wien wechselt und als Vizebürgermeister zur Verfügung steht, beantwortete Blümel mit: „Natürlich bin ich angetreten, um mitzuregieren.“ Jetzt müsse aber einmal das Endergebnis abgewartet und dann verhandelt werden.

Ob er auch den Finanzstadtrat für sich beanspruchen würde, wollte Blümel noch nicht sagen. „Wir warten jetzt das Endergebnis ab“, dann werde verhandelt. Und wenn man sich näher komme, werde über Ämter gesprochen, so Blümel.

Reaktionen der Spitzenkandidaten

Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ), Vizebürgermeister Dominik Nepp (FPÖ), Vizebürgermeisterin Birgit Hebein (Die Grünen), Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP), Christoph Wiederkehr (NEOS) und Heinz Christian Strache (THC/DAÖ) sprechen mit ORF-Wien-Chefredakteur Paul Tesarek über die erste Hochrechnung.

Hebein: Ganz klarer Auftrag für Rot-Grün

Die grüne Spitzenkandidatin Birgit Hebein sieht im voraussichtlichen Ergebnis der Wien-Wahl einen „ganz klaren Auftrag“ für eine Fortsetzung der rot-grünen Koalition. Sowohl der große als auch der kleine Koalitionspartner hätten gewonnen, nach zehn Jahren Koalition sei beiden Parteien der Rücken gestärkt worden, sagte die Vizebürgermeisterin. Koalitionsbedingungen wollte sie nicht nennen, der Ball liege jetzt bei Bürgermeister Ludwig.

Zu den laut den Hochrechnungen sich abzeichnenden Zugewinnen für die Grünen sagte Hebein: „Die Freude ist groß.“ Ob es das angestrebte historisch beste Resultat werde, sei aber noch offen. „Außergewöhnlich“ ist für Hebein auch, dass in der Koalition in Krisenzeiten von Coronavirus und Klima nicht nur der Erste, sondern auch der Zweite in der Koalition Zuwächse verzeichnet.

Wiederkehr will Koalition mit SPÖ

NEOS-Spitzenkandidat Christoph Wiederkehr bezeichnete das Ergebnis – ebenso wie Blümel – als „Sensation“. Er sprach sich auch weiterhin klar dafür aus, eine Koalition mit der SPÖ anzustreben. „Mein Ziel war immer mitzugestalten. Ich möchte auch Wien erneuern. Es liegt jetzt der Ball bei Ludwig“.

Dabei nannte Wiederkehr aber auch Bedingungen an die SPÖ. So müsste zum Beispiel mehr Geld in die Bildung fließen. Außerdem müsste die Wirtschaft entlastet werden, mehr Transparenz in der Stadtregierung herrschen und „auch ein politischer Fokus auf Außenbezirke“ gelegt werden.

Für Nepp liegt Ursache in „Ibiza“

Für FPÖ-Spitzenkandidat Dominik Nepp liegt die Ursache für den freiheitlichen Absturz in „Ibiza“. Der Verlust sei „schmerzlich“. Das Ergebnis habe aber in „Ibiza“ seinen Ausgangspunkt. Jetzt gehe es darum, „mit harter, konsequenter Arbeit“ das Vertrauen wieder zurückzugewinnen, sagte er in der Sonder-ZIB.

Gefragt danach, ob er an Rücktritt denke, sagte er, dass nun einmal das Ergebnis analysiert werden müsse. Zudem verwies er auf den Landesparteitag in den kommenden Monaten. Eine Versöhnung mit Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, sollte dieser in den Landtag einziehen, könne es erst geben, wenn dieser „Buße“ tue. Nepp bedauerte, dass mit der dezimierten Mandatsstärke nicht mehr die gleiche Oppositionsarbeit ausgeübt werden könne: „Die Kontrollkraft wird darunter leiden.“

Strache kritisiert „herzlose FPÖ-Spitze“

Strache, der mit einer eigenen Liste angetreten war, wollte nicht beantworten, ob seine politische Karriere nun vorbei ist, wenn er den Einzug nicht schafft. Er sieht die Schuld für das schlechte Abschneiden bei der FPÖ-Spitze, „die herzlos die Spaltung herbeigeführt hat“.

Ob für ihn eine Zusammenarbeit mit der FPÖ vorstellbar wäre, wenn er den Einzug doch noch schafft, beantwortete Strache so: „Ich denke, dass diese Nachfolger in der FPÖ ersetzt werden müssten, um am Ende eine freiheitliche Familie wiederzugründen“.

Hochrechnung GRW20 Wien
ORF/SORA

SPÖ klar vor ÖVP, FPÖ stürzt ab

Laut ORF/SORA-Hochrechnung inklusive Wahlkartenprognose kommt die SPÖ auf 42,2 Prozent. Die ÖVP liegt bei 18,8 Prozent auf Platz zwei. Dahinter folgen die Grünen mit 14 Prozent. NEOS kommt auf 7,8 Prozent, die FPÖ ist auf 7,7 Prozent abgestürzt. Strache schafft den Einzug laut Hochrechnung nicht.

Die Hochrechnungen inklusive Wahlkarten, die ORF.at veröffentlicht, sind genauer als die Ergebnisse der Urnenwahl vom Sonntag. Denn so viele Wahlberechtigte wie noch nie wählten schon vor dem eigentlichen Wahltag. Exakt 382.214 Wahlkarten wurden ausgegeben, was laut Hochrechnern in etwa 40 Prozent der Stimmen entspricht. Mit anderen Worten, die Ergebnisse von Sonntag beruhen auf rund 60 Prozent der Stimmen und sind entsprechend mit Vorsicht zu genießen.

Die Auszählung der Wahlkarten beginnt Montagfrüh, das Endergebnis wird frühestens Montagabend erwartet, es kann aber auch Dienstag werden.