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Georg Vgel
Georg Vgel
Kultur

Wien Modern bezeichnet sich als „CoV-sicher“

„Gehen Sie ins Konzert, wenn Sie nicht angesteckt werden wollen!“ Mit einer in Tagen wie diesen wohl gewagten Aufforderung wirbt das Festival Wien Modern um Besucher. Der Konzertreigen zwischen 29. Oktober und 29. November trotzt dem Coronavirus.

Man habe „unglaublich viele Schnelltests angeschafft“, betonte Bernhard Günther, der künstlerische Leiter von Wien Modern, bei der Programmpräsentation am Donnerstag. Zu Zeiten der Coronavirus-Pandemie müsse ein Konzertveranstalter sich als Hobbyvirologe betätigen. Man hätte es sich einfach machen und das Festival einfach absagen können.

Skrepek + Platzer: Die Maschine
Markus Sepperer
Skrepek + Platzer: Die Maschine

Stattdessen aber habe man „einen unglaublichen Aufwand hinter den Kulissen betrieben“, sagte Günther: „Man braucht Nervenstärke, aber sie ist vorhanden. Wir handeln seit Monaten nach der Devise: Lieber modifizieren als absagen“, nahm er Bezug auf zuletzt stark steigende Infektionszahlen und ungewisse kommende Maßnahmen. Man habe viele Szenarien in petto, mit denen man reagieren könne. Verglichen mit anderen Situationen des täglichen Lebens sei man aber bei Wien Modern sicher, betonte Günther.

Wiener Symphoniker verteilt im Stephansdom

Am Coronavirus kommt niemand vorbei, am Programm des Festivals kam bei der Präsentation auch niemand vorbei, schließlich sollte dieses eigentlich im Zentrum stehen. Das 33. Festival Wien Modern kann mit 33 Spielstätten in neun Wiener Gemeindebezirken aufwarten. An 32 Spieltagen von 29. Oktober bis 29. November gibt es 104 Veranstaltungen mit 50 Produktions- und Koproduktionspartnern, 44 neuen Produktionen und 85 Ur- und Erstaufführungen.

Klaus Lang
Markus Sepperer
Klaus Lang

Einen Vorgeschmack auf eines dieser Projekte, „Instrument Modern“, lieferte bei der Präsentation eine Eisschallplatte, auf der die Bildende Künstlerin, Instrumentenbauerin und Komponistin Claudia Märzendorfer eine Aufnahme von Klaus Lang eingefroren hatte. Bei dem Projekt am 7. und 8. November wird zu einem Rundgang durch zwölf Instrumentenbauateliers in sieben Bezirke geladen. „Mir gefällt’s sehr gut“, meinte Lang dazu. Der Komponist und Organist steht im Mittelpunkt mehrerer Aufführungen, darunter ein Konzert für Orgel und Großes Orchester mit den Wiener Symphonikern im Stephansdom (19. November), bei dem das Orchester im gotischen Kirchenraum verteilt sein wird.

Waschmaschine und Zahnarztbohrer machen Töne

Eines der vielen Specials findet am 9. November im Reaktor statt: Junge Leute spielen junge Musik. „Wir versuchen immer, Stücke zu spielen, die ein bisschen anders funktionieren“, erklärte Cordula Bösze, Organisatorin und Dramaturgin der 2009 gegründeten Reihe „Junge Musik“, bei der mit der Internationalen Gesellschaft für neue Musik (IGNM) und der Musikschule Wien kooperiert wird. „Es geht darum, dass junge Leute in Kontakt kommen mit denen, die neue Musik schreiben.“

Matthias Kranebitter, Erste Bank Kompositionspreisträger 2020, experimentiert in seinem 20-minütigen Stück „Encyclopedia of pitch and deviation“ (am 18. November im Mozart-Saal des Konzerthauses) mit Tonhöhen, von der Resonanztonhöhe der Erdoberfläche über den Waschmaschinenschleudergang bis zum Zahnarztbohrer, und setzt sie in Bezug zueinander. „Es ist aber nicht so wissenschaftlich, wie es klingt“, beruhigte der Wiener.

Dirigent hat acht Monate nicht musiziert

Das Eröffnungskonzert bestreiten das RSO Wien und Violonistin Tabea Zimmermann am 30. Oktober im Wiener Konzerthaus. „Ich habe acht Monate lang nicht musiziert“, sagte Dirigent Leo Hussain, der das Thema Stimmung vor allem auch auf die psychologische Vorbereitung vor einem Konzert bezog: „Dass wir alle zusammenkommen und nicht bloß streamen, ist gerade zum Anfang des Festivals eine wichtige Botschaft!“

Häufig wird der herkömmliche Konzertsaal verlassen. Man habe mit „diesen unglaublich vielfältigen Formaten, die über das Konzert hinausgehen“, lange geglaubt, der Pandemiesituation besonders gerecht zu werden, erklärte Günther. So bespielt man etwa das Kunsthistorische Museum am 28. November mit einem Projekt von Georg Friedrich Haas und das Naturhistorische Museum u. a. mit „Anschwellen-Abschwellen“.