Das rote und grüne Sondierungsteam rund um Hebein und Ludwig
APA/Herbert Neubauer
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Politik

Rot-Grün für Hebein „spürbar“

Die Wiener Vizebürgermeisterin Birgit Hebein (Grüne) ist offenbar recht zuversichtlich, was eine Neuauflage der rot-grünen Koalition anbelangt. „Man spürt die Kraft. Rot-Grün mit Ludwig-Hebein ist spürbar“, meinte Hebein nach dem Sondierungsgespräch.

SPÖ und Grüne seien motiviert, für die Stadt zu arbeiten, meinte sie nach der Sondierungsrunde mit Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ), das sie als „konstruktives Gespräch untereinander, aber auch für Wien“ beschrieb. Näheres ließ sich die Vizebürgermeisterin und grüne Parteichefin nicht entlocken. Man habe Stillschweigen über alles Inhaltliche vereinbart.

Rund dreieinviertel Stunden hat das Aufeinandertreffen des roten und grünen Sondierungsteams im Büro des Bürgermeisters gedauert. Damit kam man etwas schneller zum Ende als SPÖ und NEOS am Montag, als der Austausch mehr als dreieinhalb Stunden gedauert hatte.

Bier und vegane Süßigkeiten

Bereits vor dem Treffen hatte Hebein Stimmung für eine Fortsetzung der Regierung gemacht. Als Argumente führte sie Erfahrung einerseits, aber auch „Offenheit für Neues“ ins Treffen. „Wer, wenn nicht Rot-Grün, schafft die Gesundheits-, Arbeitsmarkt- und Klimakrise“, meinte sie. Ludwig empfing Hebein und ihr Team, Klubchef David Ellensohn und den Listenzweiten Peter Kraus, mit grüner Krawatte.

Nicht nur modisch, auch kulinarisch legte sich das rote Team gastgeberisch erneut ins Zeug. Wurden die Pinken am Montag mit Punschkrapferl bedacht, servierte man den Grünen heute Süßes aus einer veganen Bio-Bäckerei sowie Green Smoothies. Die Grünen wollten sich aber auch nicht nachsagen lassen, schlechte Gäste zu sein. Hebein brachte ein Körbchen mit je zwei Flaschen „Michl“- und „Birgit“-Bier zum Treffen mit.

Das grüne Sondierungsteam Hebein, Kraus und Ellensohn
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Das grüne Sondierungsteam Birgit Hebein, Peter Kraus und David Ellensohn

Hebein plädierte im Wahlkampf auf Rot-Grün

In den Sondierungsgesprächen will die SPÖ, die neben Ludwig mit Landesparteisekretärin Barbara Novak und Klubobmann Josef Taucher vertreten ist, ausloten, mit welcher der drei zur Auswahl stehenden Parteien – NEOS, Grüne oder ÖVP – sie in konkrete Koalitionsverhandlungen treten soll. Dem Vernehmen nach soll gegen Ende der Woche die Entscheidung fallen.

Hebein hatte schon vor der Wien-Wahl klar für eine dritte Ausgabe der rot-grünen Koalition geworben und steht damit trotz Rekordwahlergebnis stark unter Druck. Gerüchte wurden zuletzt gestreut, dass die Roten nur ohne Hebein für eine weitere Kooperation zur Verfügung stünden, wobei die Betroffene selbst einen Rücktritt bereits ausgeschlossen hat.

Streitthema Verkehr

Vor allem Projekte rund um den Verkehr und Individualverkehr sorgten für Risse. Die Pop-up-Radwege und die von den Grünen so bezeichnete autofreie Innenstadt sorgten etwa für Unstimmigkeiten. Hier gab es persönliche Angriffe Hebein gegen Ludwig.

Auch der Lobautunnel spaltet die SPÖ und die Grünen. Bei der Nordostumfahrung samt Lobautunnel gehe es darum, die Wiener Bevölkerung vom Durchzugsverkehr zu entlasten, sagte Ludwig. Die grüne Vizebürgermeisterin sieht das gänzlich anders, ihre Partei ist nach wie vor strikt gegen das Projekt.

Ebenfalls Streitthema im Wahlkampf war die Forderung der Wiener Grünen nach einer Bevorzugung von Migranten bei Stellenausschreibungen der Stadt. Das sorgte in der SPÖ nicht überall für Beifall – mehr dazu in Grüne wollen Migranten bei Jobs bevorzugen.

Zwei Stadträte für Grüne

Im Fall einer Regierungszusammenarbeit würden den Grünen aufgrund ihres Stimmenzuwachses künftig zwei statt ein Stadtratsposten zustehen. Die NEOS würden nur ein Ressort bekommen und wären somit – zumindest in dieser Hinsicht – der „billigere“ Partner für die SPÖ.

Zwei Stadträte würden auch der ÖVP im Fall einer Koalition zufallen. Die Türkisen haben ihren Sondierungstermin am Mittwochnachmittag. Eine rot-türkise Stadtregierung scheint derzeit allerdings unter den drei Optionen die unwahrscheinlichste zu sein.

VBgm. Birgit Hebein (Grüne), Bgm. Michael Ludwig (SPÖ) und StR Peter Hanke (SPÖ) während der PK „Aktuelles zum neuen Wiener Fernbus-Terminal“ in Wien.
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Ob es eine Fortsetzung der rot-grünen Koalition gibt, ist derzeit noch offen

Grüne unter Druck

Am Montag befand sich die SPÖ bereits in Sondierungsgesprächen mit NEOS. Die Gespräche seien „sehr konstruktiv“ gewesen, hieß es in einem kurzen gemeinsamen Statement am Abend – mehr dazu in Gespräche SPÖ mit NEOS „sehr konstruktiv“ (wien.ORF.at; 19.10.2020). Die Pinken sind ein gutes Druckmittel für die SPÖ, sagte Politikberater Thomas Hofer im „Wien heute“-Interview am Sonntagabend: „Klarerweise kann man die Position der NEOS auch nutzen, um den Grünen zu sagen: Macht es billiger, gebt das Verkehrsressort her und gebt euch mit anderem zufrieden“.

Mehr als ein Drittel der Wahlberechtigten wünscht sich laut der Wahltagsbefragung von SORA und ISA im Auftrag des ORF eine Fortsetzung der rot-grünen Stadtregierung. 36 Prozent aller Wähler sprechen sich für eine Koalition aus SPÖ und Grünen aus.

Eine Koalition ist laut Hofer zwar realistisch, aber es würde eng werden. Denn es sei „sehr viel Porzellan zerbrochen“, wie Hofer am 12. Oktober in einem Wahlanalysegespräch auf Radio Wien sagte. „Ich glaube, dass die SPÖ nur dann weitermacht, wenn es Änderungen beim Ressort gibt.“ Das betreffe laut Hofer vor allem das Verkehrsressort – mehr dazu in Politikexperte rechnet nicht mit Rot-Türkis (wien.ORF.at; 12.10.2020).