Eine Mitarbeiterin mit Wanderkarten am Mittwoch, 28. Oktober 2020, in einer Freytag & Berndt Filiale in Wien.
APA/Herbert Neubauer
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Lifestyle

CoV-Krise: Verkauf von Wanderkarten steigt

Sie sind ein Anker für alle, die in fremden Städten oder in den Bergen Orientierung suchen: die Reiseführer und Karten von Freytag & Berndt. Der Wiener Verlag feiert heuer sein 250-jähriges Bestehen. Durch das CoV verkauft das Traditionsunternehmen mehr Wanderkarten.

Der erste Firmensitz wurde 1770 von den Cousins Carlo und Francesco Artaria als „Artaria & Compagnie“ in Wien gegründet. Mit dem 1879 gegründeten Kartenverlag Freytag & Berndt arbeitete Artaria eng zusammen und durch den Zusammenschluss 1920 entstand dann die heutige „Freytag-Berndt und Artaria KG Kartographische Anstalt“.

Das Unternehmen gliedert sich heute in die drei Hauptbereiche Verlag, Auslieferung und Buchhandel. Es ist derzeit in Österreich Marktführer im Bereich Kartografie, mit den Schwerpunkten Straßenkarten, Stadtpläne und Outdoorkarten. Als einziger Verlag deckt er ganz Österreich mit Wanderkarten ab – beim Mitbewerb „fehlen ein paar Ecken“, so Rauch, der das Unternehmen seit 2019 führt.

„Einige Karten mussten wir drei Mal nachproduzieren“

Der wichtigste Geschäft für Freytag & Berndt ist die Kartografie. „Wir waren lange der Kartenanbieter schlechthin. Unsere Karten waren in jedem Auto, es war ein sehr stabiles Geschäft. Mit Garmin und Google Maps hat sich der Markt sehr verändert. Die Karte ist nun nicht mehr ein Produkt, dass jeder haben muss. Sie ist nun ein Produkt, das man kauft, weil man es gerne hat“, so der Geschäftsführer. Was sich noch gut verkaufe, seien Karten von Ländern, wo nicht zu erwarten sei, dass es dort Handys und eine gute Internetverbindung gebe. „Es gibt zwei bis drei Karten von Afghanistan, die die NGOs dort nutzen – und eine ist von uns“, nannte er ein Beispiel.

Anders schaut es hingegen bei den Wanderkarten aus, wo immer noch empfohlen wird, trotz Handyverbindung auch mit der haptischen Alternative unterwegs zu sein. Hier läuft das Geschäft gut. Dieser Bereich habe auch dafür gesorgt, dass Freytag & Berndt bisher halbwegs gut durch die Coronaviruskrise gekommen sei, berichtete Rauch.

Dank des Outdoor-Booms würden viele Menschen wandern gehen und eben dazugehöriges Orientierungsmaterial kaufen. „Einige Karten mussten wir heuer drei Mal nachproduzieren“, sagte der Unternehmer. Als Beispiel nannte er eine Karte von Usedom, eine in der südlichen Ostsee gelegene Insel. „Da wurden im Vorjahr weniger als 200 Stück verkauft, heuer bis jetzt schon 4.000.“

Eine Freytag & Berndt Filiale aufgenommen am Mittwoch, 28. Oktober 2020,  in Wien.
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Der Wiener Fachverlag feiert sein 250-Jahr-Jubiläum

Auch im Osten stärkere Nachfrage bei Wanderkarten

In Österreich waren Wanderkarten bisher, besonders in Westösterreich, sehr gefragt. Aber auch der Osten holte heuer auf – hier gab es eine starke Steigerung in der Nachfrage. Besonders interessiert waren die Kunden hierbei an den Gegenden Wienerwald, Semmering – Rax – Schneeberg – Schneealpe, Ötscherland und Steirisches Weinland. Wenig überraschend stark eingebrochen ist heuer unterdessen das Interesse an Städte- und Reiseführern.

Ebenfalls geholfen haben die Expansionsschritte nach Deutschland. So gehört der deutsche Rother Bergverlag – laut Rauch der stärkste Alpinverlag im deutschsprachigen Raum – zu Freytag & Berndt. Und erst diesen Februar – kurz vor dem coronabedingten Lockdown in Österreich – wurde das Warenlager des zweitgrößten deutschen Freizeitkarten-Anbieters Publicpress übernommen. Weitere Unternehmen könnten folgen: „Wir sind sehr hellhörig. Wir haben schon ein paar Sachen geprüft, aber nirgends zugesagt“, deutete Rauch mögliche weitere Akquisitionen an.

Buchhandel bleibt Herausforderung

Mittlerweile gibt es Freytag & Berndt nicht nur in Österreich. Das Unternehmen mit europaweit rund 160 Mitarbeitern hat Tochterunternehmen in Deutschland, Tschechien, der Slowakei, Ungarn und Spanien. Eine Herausforderung bleibt unterdessen der Buchhandel. „Früher war die Regalreihe für Reise vier Meter lang, jetzt sind es zweieinhalb, weil der Umsatz der ganzen Branche durch Corona leidet“, illustrierte Rauch. Und dieser Platz ist stark umkämpft.

Freytag & Berndt hat in Österreich und Deutschland Außendienstmitarbeiter, die alle Buchhandlungen, Sportgeschäfte, Seilbahnstationen oder Hotels besuchen, um die eigenen Produkte, aber auch jene einer Reihe anderer Verlage wie Michael Müller, Polyglott, Merian und in Österreich den englischsprachigen Lonely Planet, Esterbauer und ab 2021 Reise Know-how zu vermarkten und möglichst gut zu platzieren. Die Druckwerke lagern in einer großen Halle im niederösterreichischen Wolkersdorf und werden von dort aus vertrieben.

Sammlereditionen zum Jubiläum

Rauchs Ziel ist es, das Traditionsunternehmen fit für die Zukunft zu machen. „Der Markt der Kartografie schrumpft, was aber nicht heißt, dass wir schrumpfen. Vielmehr wollen wir unseren Marktanteil in dem schrumpfenden Markt immer weiter ausbauen. Das ist ein Bereich, an dem wir sehr arbeiten und schauen, dass wir mit der effizienten und guten Kartografie, die wir haben, in der Lage sind, immer mehr Gebiete gut abzudecken.“

Der Schlüssel dazu ist die Digitalisierung. So werden Karten nun nicht mehr nur händisch gezeichnet, sondern mit Bildbearbeitungsprogrammen gefertigt. Denn wer die aktuellste Karte einer Gegend auf den Markt bringt, der hat im Wettbewerb die Nase vorne. „Wenn wir uns drei, vier Jahre nicht um eine Karte kümmern, dann schrumpft unser Anteil.“ Neben den gedruckten Karten spielt auch die Aufbereitung digitaler Karten eine wachsende Rolle.

Das heurige Jubiläumsjahr fällt für Freytag & Berndt aufgrund des Coronavirus wohl anders aus als geplant. Nichtsdestotrotz wurden einige Sammlereditionen auf den Markt gebracht, zum Beispiel fünf Boxen mit allen österreichischen Wanderkarten.

Keine Angaben zum Umsatz

Neben dem Stammsitz in Wien-Liesing befindet sich im niederösterreichischen Wolkersdorf das Lager. Dort werden die hauseigenen Produkte, aber auch etwa jene des Bundesamts für Eich-und Vermessungswesen oder des Alpenvereins endgefertigt. Viele Karten werden bei der Druckerei Gerin in Wolkersdorf, aber auch in Deutschland hergestellt.

Ursprünglich befand sich das Geschäft in der Wiener Innenstadt auf der Nobelmeile Kohlmarkt. Nach 239 Jahren am dortigen Standort zog die Filiale 2014 ums Eck, in die Wallnerstraße. Der Umzug sorgte damals für Aufregung, da der historische Standort aufgelassen wurde. Als Grund für die Entscheidung wurden damals „mittelfristig zu erwartende Mietanhebungen“ angegeben. Am Kohlmarkt befinden sich vor allem Niederlassungen internationaler Luxuslabels. Nachmieter war übrigens die Modekette „Massimo Dutti“.

Freytag & Berndt befindet sich im Besitz der Akademie der Wissenschaften und Paul Swarovski sowie einiger weiterer Teilhaber. Umsatzzahlen werden nicht kommuniziert.