Polizisten und Polizeiwagen
APA/Hans Punz
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Politik

„Großer Fahndungsdruck“ der Polizei

Nach dem Terroranschlag in der Innenstadt geht der Wiener Polizeipräsident Gerhard Pürstl Dienstagabend weiter von einem Einzeltäter aus. Dennoch sei der „Fahndungsdruck groß“. Die Terrormiliz „Islamische Staat“ (IS) reklamierte den Anschlag für sich.

Die Warnstufe für Wien bleibt vorerst erhöht. Derzeit gebe es aber keinen Hinweis, dass es bei dem Anschlag am Montag einen zweiten Täter gegeben habe, sagte Innenminister Karl Nehammer (ÖVP). Die Informationen verdichteten sich, dass es es sich um einen Einzeltäter handelt, bestätigte Pürstl Dienstagabend im „Wien heute“-Interview.

Es seien nun „enorme Sicherheitsmaßnahmen“ getroffenen worden. Pürstl spricht von einem „großen Fahndungsdruck und vor allem Präsenzdruck mit öffentlichen Sicherheitskräften“. Er denke, dass die Lage in Wien so sicher sei, dass ein „geregelter Schulalltag stattfinden kann“.

Interview mit Polizeipräsident Pürstl

Der Wiener Polizeipräsident Pürstl nimmt im Interview Stellung zu dem Tathergang und den 14 Festnahmen, die am Dienstag stattgefunden haben.

„Täter bewegte sich quer durch das Viertel“

Vom ersten Notruf bis zur „Neutralisierung“ des Angreifers durch Beamte der Wiener Einsatzgruppe Alarmabteilung (WEGA) habe es nur neun Minuten gedauert, so Pürstl. Das zeige, wie gut der sicherheitspolizeiliche Streifendienst in Wien aufgestellt sei. Laut Pürstl ist es möglich, dass ein einzelner Täter zugeschlagen habe. Neun Minuten geben einem „entschlossenen Täter in einem doch recht engen Viertel rund um das Bermudadreieck die Möglichkeit, sich quer durch das Viertel zu bewegen. Er konnte somit an mehreren Tatorten den Schaden anrichten, den er angerichtet hat“, so der Polizeichef.

Laut Pürstl konnten durch die bisherige Ermittlungsarbeit „unheimlich viele Informationen und Erkenntnisse gewonnen werden“. Es sei zu 14 Festnahmen im Umfeld des Täters gekommen. Ob man von einem Netzwerk sprechen könne, würden die Ermittlungen ergeben, so der Polizeichef: „Wir haben Datenmaterial gesichert, wir haben Beweise gesichert. Die Vernehmungen sind im Gange, alles andere wäre im Augenblick noch Spekulation.“

Innenministerium prüft Bekennerschreiben

Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) reklamierte unterdessen am Abend den Anschlag in Wien mit vier Todesopfern und 22 teils schwer Verletzen für sich. Ein „Soldat des Kalifats“ habe die Attacke mit Schusswaffen und einem Messer verübt und in der österreichischen Hauptstadt rund 30 Menschen getötet oder verletzt, darunter auch Polizisten, teilte der IS auf seiner Plattform Naschir News mit. Auch aus einer IS-Erklärung auf dem Messaging-Dienst Telegram ging am Abend das Bekenntnis der extremistischen Organisation hervor. Das Innenministerium prüft das Bekennerschreiben.

Polizei wertet rund 20.000 Videos aus

Die erhöhte Warnstufe für die Stadt bleibe solange aufrecht, „bis das gesamte Videomaterial ausgewertet ist“, sagte der Sprecher des Innenministeriums, Harald Sörös, am späten Dienstagnachmittag. Bis dahin „müssen wir von mehreren Tätern ausgehen“. Ein 35-köpfiges Ermittlungsteam sei mit der Auswertung beschäftigt. Über eine Upload-Plattform wurde den Behörden ein Terabyte an Daten übermittelt – insgesamt rund 20.000 Videos.

Mehr als die Hälfte wurde am Dienstagnachmittag bereits gesichtet. „Wenn alles ausgewertet ist, haben wir ziemlich sicher genug Rückmeldungen, ob es ein Einzeltäter war oder mehrere Täter“, sagte Sörös. „Dann können wir die Warnstufe herunterfahren und halbwegs auf einen Normalbetrieb umstellen.“

18 Hausdurchsuchungen und 14 Festnahmen

Der mutmaßliche Attentäter war 20 Jahre alt, österreichisch-nordmazedonischer Doppelstaatsbürger und war bereits wegen terroristischer Vereinigung vorbestraft. Wie Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) erklärte, haben bereits umfangreiche Großrazzien im Umfeld des Täters stattgefunden. Konkret wurden 18 Hausdurchsuchungen in Wien und Niederösterreich vorgenommen und bislang 14 Personen vorläufig festgenommen. Festnahmen gab es etwa in Sankt Pölten und Linz – mehr dazu in Anschlag in Wien: Festnahmen in St. Pölten (noe.ORF.at) und in Anschlag in Wien: Festnahmen auch in Linz (ooe.ORF.at).

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Tatortermittler am Schwedenplatz
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Am und um den Tatort findet eine Rekonstruktion des Ablaufs statt
Polizisten und Polizeiauto
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Schanigarten nach dem Anschlag und Polizisten
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Polizisten und Polizeiwägen
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Polizisten und Polizeiwagen
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Menschen verlassen das Burgtheater, Polizeiauto
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Die Besucherinnen und Besucher des Burgtheaters konnten das Gebäude erst in der Nacht verlassen
Menschen verlassen das Burgtheater, Polizeiauto
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Zahlreiche Einsatzfahrzeuge sind unterwegs
Menschen verlassen das Burgtheater, Polizeiauto
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Der Ring wurde abgesperrt
Menschen verlassen das Burgtheater, Polizeiauto
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Wer kann, soll die Innenstadt meiden

Die Festgenommenen stammen aus dem Bekannten- und Freundeskreis des 20-Jährigen, sie wurden am Dienstagnachmittag noch einvernommen. Nach ersten Erkenntnissen gab es keine Hinweise, dass sie aktiv in den Anschlag involviert waren.

Zu 22 Monaten Haft verurteilt

Nehammer betonte, dass es sich beim erschossenen Attentäter zweifelsfrei um einen Anhänger der islamistischen Terrormiliz IS handelt. Er wurde am 25. April 2019 zu 22 Monaten Haft verurteilt, weil er versucht hatte, nach Syrien auszureisen, um sich dort dem IS anzuschließen. Am 5. Dezember wurde er vorzeitig bedingt entlassen – er galt als junger Erwachsener und fiel damit unter die Privilegien des Jugendgerichtsgesetzes (JGG).

Das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) war ursprünglich auf den in Österreich geborenen Burschen aufmerksam geworden, weil seine Mutter ihn als vermisst gemeldet hatte. Im Zuge der Ermittlungen zu seinem Verbleib stellte sich dann heraus, dass diesem nichts zugestoßen war. Er befand sich vielmehr am Weg nach Syrien.

„Wir gedenken – 2.11.2020“ (Online-Kondolenzbuch für Wiener Terroropfer)

Vier Opfer

Der 20-Jährige wurde am Montagabend von Polizeikräften in der Nähe der Ruprechtskirche erschossen, teilte der Innenminister mit. „Er war mit einer Sprengstoffgürtel-Attrappe und einer automatischen Langwaffe, einer Faustfeuerwaffe und einer Machete ausgestattet, um diesen widerwärtigen Anschlag auf unschuldige Bürgerinnen und Bürger zu verüben“, erklärte er.

Nur neun Minuten nach der Alarmierung wurde der Attentäter von der Polizei erschossen. Sieben Polizisten machten demnach am Montagabend im Zuge der Terrorattacke von ihren Dienstwaffen Gebrauch. Laut Pürstl wurde der Angreifer um 20.09 Uhr von WEGA-Beamten „neutralisiert“.

Vier Menschen wurden bei dem Anschlag getötet, zwei Männer und zwei Frauen. Eine Frau dürfte Kellnerin gewesen sein. Die zweite Frau – im Alter zwischen 40 und 50 Jahren – ist in der Klinik Ottakring gestorben.

Erste Verletzte konnten Spital verlassen

In den Wiener Krankenhäusern wurden 22 Menschen versorgt. Insgesamt 14 Personen sind schwer verletzt, befinden sich jedoch nicht mehr in Lebensgefahr, hieß es vom Gesundheitsverbund. Sechs Personen konnten das Spital bereits wieder verlassen. Der bei dem Anschlag verletzte Polizist wurde operiert und befindet sich in stabilem Zustand.

Die Situation sei auch psychisch herausfordernd: „Die Patienten stehen unter Schock.“ Über die Identität der Betroffenen wurden keine Angaben gemacht. Die Opfer des Angriffs wurden in mehreren Spitälern behandelt – vorwiegend mit Schuss-, aber auch mit Schnittverletzungen, sagte eine Sprecherin.

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Polizisteneinsatz Innenstadt
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Polizisteneinsatz Innenstadt
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Polizisteneinsatz Innenstadt
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Polizisteneinsatz Innenstadt
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Polizisteneinsatz Innenstadt
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Bewaffnete Polizei Wegabeamte
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Polizisten mit Waffen
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Polizisten richten Waffe in die Höhe
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Polizisten mit Waffen
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Polizisten mit Waffen
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Polizeiwagen
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Polizeiwagen
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Polizeiautos in der Innenstadt
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Bewaffnete Polizei Wegabeamte
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Polizeiautos in der Innenstadt
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Polizeiautos in der Innenstadt
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Polizist am Schwedenplatz
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Laut „Bild“: Auf Instagram angekündigt

Die deutsche „Bild“-Zeitung berichtete bereits – mit einem verpixelten Foto –, dass der wahrscheinliche Haupttäter ein IS-Anhänger sei. Laut „Bild“ hat der „wahrscheinliche Haupttäter“ am Montag mehrere Fotos auf Instagram gepostet, darunter einen Treueeid an den Kalifen, den Anführer des IS – wie es auch andere Attentäter getan hätten. Auf einem weiteren Foto sei – in Patronenhülsen auf den Boden gelegt – „wird bestehen bleiben“ (auf Arabisch) zu sehen, eine IS-Parole.