Blumen für getötete bei Anschlag
APA/
APA/
Soziales

Psychiatrische Hotlines aufgestockt

Schockierend und verstörend sind die Bilder, die der Terroranschlag in Wien hervorgerufen hat. Die Wiener Psychosozialen Dienste (PSD) haben das Personal bei der Krisenhotline und dem Notdienst aufgestockt, um Hilfesuchende schnell unterstützen zu können. Die Telefone laufen heiß.

Hilfe via Telefon

Psychiatrische Soforthilfe für Wien (24h Hotline): +43 1 31330
Corona-Sorgenhotline Wien (8.00-20.00 Uhr): +43 1 4000 53000
Notfallpsychologischer Dienst Österreich (24h Hotline): +43 699 188 554 00
Rat auf Draht (24h Hotline): 147
Servicetelefon der Kinder- und Jugendhilfe: +43 1 4000 8011
Kriseninterventionszentrum (10.00-17.00 Uhr): +43 1 406 95 95

"Wir bemerken seit letzter Nacht einen enormen, massiven Anstieg bei den Telefonaten, sagte PSD-Chefarzt Georg Psota. Den ersten Schwung an Anrufern bemerkte man beim PSD gegen Mitternacht, dann wieder Dienstagfrüh, berichtete Psota. Die Gründe für die Kontaktaufnahme sind unterschiedlich: Bei einem Teil der Anrufer handle es sich um Menschen, die nicht dabei gewesen seien, „aber denen es schlicht und einfach Angst macht“, erzählte Psota. „Gerade in so einem schwierigen Jahr.“

Spezifische Angst entwickelt

Dann gebe es Menschen, die sich melden, weil sie in der Nähe der Anschläge waren und damit unmittelbarer betroffen seien und schließlich würden auch jene anrufen, „die uns auch sonst immer wieder mal kontaktieren, in einer Behandlung sind und eine spezifische Angst dazu entwickelt haben“. Das dominante Gefühl bei den Anrufern sei Angst, und vielfach auch Panik, erzählte der Chefarzt.

Der PSD bietet mehrere Anlaufstellen, um die Geschehnisse von Montagabend aufzuarbeiten. Derzeit werden die Hotlines laufend ausgebaut, um akute Unterstützung bieten zu können, hieß es. Bisher wurde um 15 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufgestockt, weitere Personalverstärkung soll folgen.

Kindern Sicherheit geben

„In erster Linie löst so eine unbeschreibliche Situation Angst aus“, so der Koordinator für Psychiatrie, Ewald Lochner. Man müsse darüber reden, notfalls auch mit externer Unterstützung. Vor allem in den sozialen Medien kursieren Augenzeugenvideos des Anschlags, bei dem auf Menschen geschossen wird. Das haben auch viele Kinder – etwa auf Facebook – gesehen. Der richtige Umgang damit: „Am besten ist einfach mit den Kindern darüber reden. Natürlich altersgerecht darüber sprechen. Und auch wenn man merkt, dass das für einen selber als Erwachsener zuviel wird, sich Hilfe holen“, rät Lochner in der Sonder-ZIB.

„Wir gedenken – 2.11.2020“ (Online-Kondolenzbuch für Wiener Terroropfer)

Die Leiterin der „möwe“ rät dazu, Fakten zu erzählen, indem der aktuelle Erkenntnisstand der Polizei in kindgerechter und altersadäquater Sprache erklärt werde. Wichtig sei dabei, Sicherheit zu geben. Es gelte auch das Vertrauen in die Gefahrenabwehr der Polizei zu stärken. Man solle weder katastrophisieren noch bagatellisieren, empfiehlt Gesundheitspsychologin Hedwig Wölfl in einer Aussendung: „Es ist wichtig, Kinder proaktiv über die Vorfälle sachlich aufzuklären und darauf zu achten, dabei nicht zu übertreiben, weder Ängste zu verstärken noch so zu tun, als wäre nichts passiert oder die Aufregung wäre lächerlich – Kinder gehen meist sehr pragmatisch mit solchen Ereignissen um.“

Eine besondere Herausforderung sieht die Soziologin Ulrike Zartler für die Pädagoginnen in den Wiener Kindergärten und Schulen. Immerhin müssten diese bei jedem Kind, das dort heute betreut wird, zunächst herausfinden, was ihre Eltern ihnen über den Anschlag erzählt haben und ihnen dann erklären, wieso die meisten anderen Kinder und Jugendlichen nicht da sind.

Nicht nur Sensationsgier

Warum finden solche Videos überhaupt eine derartige Verbreitung? „Es ist sicher ein Ausdruck der eigenen Hilfslosigkeit und – vielleicht auch Helfenwollens – , wenn man sich hinstellt und sagt, ich will auch ein Teil davon sein und deshalb verbreite ich das. Das muss nicht unbedingt nur Sensationslust sein. Natürlich hat es in vielen Fällen auch damit zu tun“, so Lochner.

Lochner über psychischen Aspekt

Quasi mit dem zweiten Lockdown findet in Wien ein Anschlag statt. Ewald Lochner vom Psyschosozialem Dienst spricht über den Umgang mit derartig schwierigen Situationen.

Wer in der Innenstadt selbst den Anschlag miterlebt hat, sollte unbedingt darüber reden, um das Gesehene zu verarbeiten: „Die Angst wird nicht weniger werden, wenn man versucht, das für sich selber zu lösen“, meint der Koordinator für Psychiatrie in Wien. Wenn man das nicht im eigenen sozialen Umfeld könne, sollte man sich externe Hilfe holen.

Auch die großangelegte Polizeiaktion könne ein Stück weit angstauslösend wirken. Betroffene „werden das wahrscheinlich jetzt langsam verarbeiten und vielleicht eine Zeit lang Nachbilder haben und sich verunsichert fühlen“, sagte die Psychologin Brigitte Lueger-Schuster. Das sei angesichts so einer außerordentlichen Situation und der Schock-, Stress- und Schreckreaktion jedenfalls normal.

Verschiedene Anlaufstellen

Das Kriseninterventionszentrum steht für alle Personen, die jetzt unmittelbar oder mittelbar von den Anschlägen betroffen sind, die akut traumatisiert sind, aber auch generell verunsichert und in Angst sind, mit seinen Hilfsangeboten zur Verfügung. Die Personen können direkt am Telefon betreut werden und es werden kurzfristig für denselben oder den nächsten Tag Termine für ein persönliches Gespräch vereinbart. Sowohl das telefonische als auch das persönliche Angebot wurde verstärkt.

Der Opfer-Notruf 0800 112 112 des Weißen Ring steht rund um die Uhr als Anlaufstelle für Opfer, deren Angehörige und Zeugen zur Verfügung. Hier gibt es neben der seelischen Entlastung auch umfassende Beratung zu den Opferrechten und Leistungen, auf die die Betroffenen Anspruch haben.