WEGA-Chef Ernst Albrecht
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Politik

WEGA-Chef: Wollten Attentäter „stören“

Rund 1.000 Streifenpolizisten und 140 WEGA-Beamte waren in der Terrornacht im Einsatz. WEGA-Chef Ernst Albrecht schilderte den Ablauf und die Taktik des Einsatzes. Es sei darum gegangen, Druck auf den Attentäter zu machen, ihn zu „stören“.

Der Kommandant der Wiener Einsatzgruppe Alarmabteilung (WEGA) traf selbst kurz nach dem Anschlag auf dem Tatort ein. Er war gerade auf dem Heimweg, als er via Funk informierte wurde. Alarmierungen gebe es „mittlerweile zehn Mal am Tag in Wien“, meist sei dann nichts, sagte Albrecht Samstagabend im „Wien heute“-Gespräch mit Patrick Budgen.

Streifenpolizisten des ersten Bezirks seien als erste schnell an Ort und Stelle gewesen. Dann sei ein Funkspruch von den Polizeibeamten gekommen: „‚Schüsse‘, schon mit entsprechender Tonlage, entsprechender Hektik.“ Da habe man gewusst, dass es ernst sei. WEGA-Kollegen seien im Rahmen des Streifendienstes ohnehin „draußen“ und bereits zum Tatort unterwegs gewesen, so Albrecht. Das sei ein normales Prozedere.

Polizisten nahmen Verfolgung auf

Zwei Streifenpolizisten hatten den Attentäter zunächst verfolgt. Nach relativ kurzer Zeit habe dieser sich umgedreht und auf die Polizisten zu schießen begonnen. Die Beamten schossen zurück, allerdings mit einer „waffenmäßigen Unterlegenheit“. Der Täter war mit einer Militärwaffe ausgestattet. Er traf einen Beamten und verletzte ihn schwer.

„Der Schlüssel war, dass die Beamten den Täter im Auge behalten konnten, obwohl der Kollege schon angeschossen war“, so der WEGA-Chef. Der Kollege sei bei dem Verletzten geblieben, doch seien mittlerweile weitere Streifenbeamte hinzugekommen, die „weiter auf dem Täter drauf geblieben sind“ und über Funk durchgeben konnten, wo er sich genau befand. Dann seien zwei Sektorwägen mit vier WEGA-Beamten angekommen. Ein WEGA-Beamter traf den Attentäter bei einem Schusswechsel tödlich. Zwischen dem ersten Notruf und der Ausschaltung des Attentäters vergingen neun Minuten.

Polizisteneinsatz Innenstadt
APA/Roland Schlager
Die WEGA war Seite an Seite mit Streifenpolizisten im Einsatz

„Das Ziel wird der Polizist“

Das Konzept bei sogenannten Active Shootern sei, Druck auf den Täter zu machen, um ihn zu stören, erklärte Albrecht. Das sei hochriskant und werfe grundsätzliche Polizeikonzepte ein wenig über den Haufen, wo es mehr um Deeskalation ginge. „In dem Fall kippt man fast ins Militärische rein.“ Das heiße „Druck machen, auf den Täter einwirken, wenn der schießt, schießen wir. Wir wollen ihn einfach stören“. Der Täter habe dadurch weniger Zeit, sich unschuldigen Opfern zu widmen. „Das Ziel wird der Polizist.“

Ziel der Schüsse sei immer, den Täter handlungs- und fluchtunfähig zu machen, nicht dessen Tötung, so der WEGA-Chef. Der Kollege, der die tödlichen Schüsse abgegeben hatte, sei erfahren, um die 40 Jahre alt. So etwas sei im Endeffekt „ein einschneidendes Erlebnis“, so Albrecht, und ende keinesfalls in einer „Heldensaga“. Das Gegenteil sei der Fall: „Er wird nicht runtergemacht, aber es ist ein Respekt da (…, Anm.) und das Bewusstsein: ‚Das muss ich nicht haben, wenn es nicht sein muss‘.“

Nachbetreuung für Beamte

Er selbst habe noch nie einen lebensgefährlichen Schuss abgegeben, sagte Albrecht. Aber er glaube nach 25 Jahren bei der WEGA, „seine Leute“ einschätzen zu können. „Sie verändern sich zu einem Großteil nicht gravierend nach einer tödlichen Schussabgabe, aber es ist für alle eine Zäsur im Leben.“ So habe er das im Gespräch mit betroffenen Kollegen erfahren.

Zwei WEGA-Beamte mit Maske und den erhaltenen Goldenen Medaille am roten Bande für Verdienste um die Republik Österreich, die sogenannte Lebensretter-Medaille
Bundeskanzleramt/Arno Melicharek
Zwei WEGA-Beamte erhielten die Goldene Medaille am roten Bande für Verdienste um die Republik Österreich

Die Kollegen des Einsatzes am Montag werden nun im Rahmen eines sogenannten Peer Support Systems von dafür ausgebildeten Kollegen weiter betreut, allerdings auf freiwilliger Basis, es werde aber grundsätzlich gerne angenommen: „Die vermeintlich harten Männer sind soweit Profis, dass sie sagen: ‚Es kann nicht schaden.‘“

„Da waren wir alle eins“

Es gebe hierbei immer zwei Gespräche, der Peer bespreche sich dann mit einem psychologischen Dienst des Innenministeriums, der – wenn nötig – die Betreuung eines Kollegen übernimmt. Dieses System funktioniere sehr gut, berichtete Albrecht.

Für Angst sei bei dem Einsatz keine Zeit bei ihm gewesen. Der Stress überlagere vieles, berichtete Albrecht von seiner eigenen Erfahrung bei heiklen Einsätzen in der sogenannten roten Zone. Vor allem in den der ersten Stunde des Einsatzes am Montagabend sei es chaotisch gewesen: „Und da wurde nicht gefragt: Ist das ein Oberst oder ein Inspektor oder ein Polizeischüler, da waren wir alle eins. Das war für mich die Erkenntnis aus dem Einsatz“.

WEGA-Chef Ernst Albrecht im Studio mit Moderator Patrick Budgen
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Die Erkenntnis des Einsatzes für Albrecht: „Da waren wir alle eins“

Auch sein 24-jähriger Sohn sei an Ort und Stelle gewesen, er selbst habe das aber erst später realisiert, so Albrecht. In der ersten Phase habe er keine Zeit gehabt, sich um ihn zu sorgen. Erst in einer ersten Konsolidierungsphase sei ihm eingefallen, dass sein Sohn als Notfallsanitäter Nachtdienst bei der Berufsrettung hatte und er sei tatsächlich an Ort und Stelle gewesen, wie er dann erfahren habe.