Politik

Störaktion mit Schüssen über Lautsprecher

In der Josefstadt hat am Sonntag eine genehmigte Aktion eines ehemaligen PEGIDA-Sprechers für Aufregung gesorgt: Er spielte von einem Auto aus über Lautsprecher Gewehrsalven, Muezzin-Gebetsrufe und Parolen gegen Islamisierung ab. Die Polizei entschuldigte sich.

„Dies hätte so nicht stattfinden dürfen“, hieß es nach geschockten Reaktionen am Nachmittag vonseiten der Polizei. Das Fahrzeug war von einem Polizeiwagen begleitet worden. Das alles ist auf einem Video, das auf Twitter kursierte, zu sehen. Der ehemalige Sprecher der islam- und ausländerfeindlichen PEGIDA-Bewegung in Wien und rechte Publizist Georg Immanuel Nagel teilte kurz nach der Aktion via Aussendung mit, für die Störaktion verantwortlich zu sein.

Der Wiener SPÖ-Gemeinderat Omar Al-Rawi dürfte einer der ersten gewesen sein, der eine Aufnahme des Geschehens postete. Das Video sei ihm von einem arabischsprechenden Bewohner der Josefstadt, der sich gefürchtet habe, geschickt worden, sagte er.

Verdacht der Verhetzung

Noch während die anwesenden Polizisten den Sachverhalt mit Beamten vom Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) abgeklärt hätten, sei die Kundgebung um 10.00 Uhr beendet worden, so die Angaben der Polizei. Gegen die vier anwesenden Personen wurden Verwaltungsanzeigen, unter anderem wegen Störung der öffentlichen Ordnung, erstattet und Erhebungen wegen des Verdachts der Verhetzung eingeleitet.

Aktion war angemeldet

Der Initiator wollte laut eigenen Angaben mit seiner Aktion gegen „Masseneinwanderung und Islamisierung“ protestieren. Er organisiert auch regelmäßig den „Marsch für die Familie“ – eine Gegenveranstaltung zur alljährlichen Regenbogenparade. Die Aktion, die die Menschen „wachrütteln“ sollte, sei polizeilich angemeldet gewesen. Wer sich über den Lärm mehr aufrege als über echten Terror, habe „völlig falsche Prioritäten“, so Nagel.

Störaktion mit Schüssen und Muezzinrufen

In der Josefstadt hat Sonntagvormittag die Störaktion eines ehemaligen PEGIDA-Sprechers für Aufregung gesorgt: Er war dort mit einem Auto unterwegs und hatte über einen Lautsprecher Gewehrsalven, Muezzin-Gebetsrufe sowie Parolen gegen Islamisierung abgespielt.

Bestürzung und Unverständnis

Die Aktion sechs Tage nach dem Terroranschlag mit vier Todesopfern in der Innenstadt hatte für Bestürzung, Unverständnis und Aufsehen gesorgt. Laut Polizeiangaben auf Twitter war die Kundgebung mit zehn Personen und unter dem Titel „Toleranz und Vielfalt“ für den Zeitraum 9.00 bis 10.00 Uhr angemeldet gewesen. Zum Zeitpunkt der Versammlungsanzeige sei kein Untersagungsgrund vorgelegen.

Vor Abmarsch wurde laut Eigenangaben mit dem anwesenden Verantwortlichen Rücksprache gehalten. Dieser gab an, dass die Lautsprecher lediglich zum Abspielen orientalischer Musik verwendet würden. Nach Abfahrt der Kundgebung um 9.20 Uhr sei auch anfänglich orientalische Musik gespielt worden. Allerdings seien im Verlauf der Kundgebung viermal für die Dauer von ein bis zwei Minuten Maschinengewehrsalven und antimuslimische Parolen wiedergegeben worden, berichtete die Exekutive.

Polizei entschuldigte sich

Eine interne Aufarbeitung sei bereits eingeleitet worden, twitterte die Polizei etwas später am Nachmittag und entschuldigte sich bei „allen Menschen“, insbesondere jenen, die verängstigt wurden, dafür, dass die Kundgebung „nicht unmittelbar unterbunden“ worden sei.

Ludwig: „Völlig inakzeptabel“

Al-Rawi kritisierte als einer der Ersten die Aktion scharf: „Wir brauchen die Spalter auf beiden Seiten nicht." Für die Integrationssprecherin der SPÖ, Nurten Yilmaz, handelt es sich um ein „unfassbar provokantes und pietätloses Verhalten“. Die Wiener Vizebürgermeisterin Birgit Hebein (Grüne) forderte via Twitter Aufklärung über das Geschehen. Auch Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) verurteilte die Kundgebung via Twitter. Die Störaktion sei „völlig inakzeptabel“. Man lasse sich aber nicht spalten, Wien halte zusammen, so Ludwig.

Es sei eine „Hetzaktion der übelsten Sorte, die wieder einmal von den Identitären durchgeführt wurde“, schrieb ÖVP-Sicherheitsprecher Karl Mahrer in einer gemeinsamen Aussendung mit dem Grünen Sicherheitssprecher Georg Bürstmayr. Dass die Landespolizeidirektion Wien rasch eine Prüfung dieses Vorfalls ankündigte, begrüßte Bürstmayr: „Kritische Aufarbeitung möglicher Fehler mitten in einer Krise ist schwer, aber notwendig. Wir unterstützen die Polizei auch bei dieser Herausforderung“.

Anti-Frankreich-Demo in letzter Minute untersagt

Die Aktion in der Josefstadt war nicht die einzige, die am Sonntag für Aufsehen und Kritik sorgte. Sonntagmittag wurde eine angemeldete Anti-Frankreich-Demo unter dem Titel „Gegen Mohammed-Karikaturen“ vor der französischen Botschaft am Schwarzenbergplatz kurzfristig untersagt. Angemeldet worden war die Kundgebung bei der Polizei für 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Die Abhaltung wurde von der Versammlungsbehörde geprüft und zunächst genehmigt.

Bundesheersoldat bewacht französische Botschaft
APA/Helmut Fohringer
Vor der französischen Botschaft war für Mittag eine Anti-Frankreich-Demo angemeldet

„Zweck der Versammlung läuft Strafgesetzen zuwider“

Sonntagvormittag fand allerdings eine erneute Prüfung der Versammlungsanzeige statt, nachdem unter anderem bekanntgeworden war, dass die Organisatoren gewaltverherrlichende Postings auf Facebook teilten: „Es sind neue Erkenntnisse aufgetaucht“, sagte Polizeisprecher Markus Dittrich.

Wenig später hieß es dann zu Mittag von der Polizei: „In der Zwischenzeit sind Gründe hervorgekommen, um die Versammlung zu untersagen. Es hat sich ein Gesamtbild ergeben, das Rückschlüsse darauf ziehen lässt, dass der Zweck der Versammlung den Strafgesetzen zuwiderläuft.“ Die FPÖ begrüßte die Absage der Anti-Frankreich-Demo. Auch die SPÖ-Integrationssprecherin Yilmaz sprach sich gegen die Kundgebung aus und begrüßte deren Verbot.

Nehammer will gegen radikale Versammlungen vorgehen

Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) will nun dafür sorgen, dass von radikalem Gedankengut getragene Versammlungen zukünftig von vornherein unterbunden werden. Er habe den Generaldirektor für die Öffentliche Sicherheit, Franz Ruf, angewiesen, Versammlungen mit radikalem bzw. extremem Gedankengut „genauestens zu prüfen“, gab der Innenminister am Sonntagnachmittag bekannt.

Innenminister Karl Nehammer (ÖVP)
APA/Herbert Neubauer
Laut Nehammer sollen Versammlungen im Vorfeld „genauestens“ geprüft werden

Extremistische Gruppierungen hätten den Sonntag dazu benutzt, um die Wienerinnen und Wiener zu beunruhigen und eine Stimmung der gegenseitigen Ablehnung und des Hasses zu erzeugen, so Nehammer. Gerade in Ausnahmezeiten müssten „Versammlungen, die den Anschein erwecken, extremistisches Gedankengut zu verbreiten“, im Vorfeld rechtlich genau überprüft werden. In weiterer Folge seien solche geplanten Versammlungen, „wenn es die Rechtslage zulässt, rigoros zu verbieten“.

Gründe für Versammlungsverbot

Versammlungen sind von der Behörde laut Gesetz zu untersagen, wenn deren Zweck den Strafgesetzen zuwiderläuft oder deren Abhaltung die öffentliche Sicherheit oder das öffentliche Wohl gefährdet.

Außerdem können Versammlungen, die der politischen Tätigkeit von Drittstaatsangehörigen dient und den anerkannten internationalen Rechtgrundsätzen und Gepflogenheiten oder den völkerrechtlichen Verpflichtungen, den demokratischen Grundwerten oder außenpolitischen Interessen der Republik Österreich zuwiderläuft, untersagt werden, heißt es in Paragraf 6 des Versammlungsgesetzes.