Zahlreiche Kerzen und Kränze an Baum gelehnt
APA/Thomas Rieder
APA/Thomas Rieder
Politik

Anschlag: Terroranklage gegen Mitverdächtigen

Gegen einen 18-Jährigen, der nach dem Terroranschlag in Wien als möglicher Mitwisser in U-Haft ist, liegt eine Terroranklage vor. Am Montag wurden auch Einzelheiten zu dem Treffen mehrerer Terrorverdächtiger bekannt.

Eine Sprecherin des Wiener Landesgerichts für Strafsachen bestätigte am Montag der APA, dass zum Zeitpunkt des Anschlags am 2. November gegen einen Mann eine Anklage wegen terroristischer Vereinigung (§ 278b StGB) vorlag. Die Anklage wurde Anfang Oktober eingebracht. Der 18-Jährige war am 2. November nicht in U-Haft, das wäre einer Sprecherin der Staatsanwaltschaft Wien zufolge „auf Basis der vorliegenden Anklage unverhältnismäßig gewesen“.

Der Verdächtige ist 18 Jahre alt, seine Eltern stammen aus Bangladesh. Vor seiner Festnahme soll er äußerlich aufgrund seiner Kleidung und Barttracht als strenggläubiger Moslem erkennbar gewesen sein. Er soll sich seit März 2018 für die radikalislamistische Terror-Miliz „Islamischer Staat“ (IS) betätigt haben. Den späteren Attentäter soll er bei dessen Plänen unterstützt haben, nach Syrien zu reisen, wo sich dieser dem IS anschließen wollte. Diesbezüglich wird dem 18-Jährigen ein „psychischer Tatbeitrag“ angelastet.

Noch kein Verhandlungstermin

Der 18-Jährige soll den um zwei Jahre älteren IS-Sympathisanten in Chats bestärkt haben, seine Syrien-Pläne in die Tat umzusetzen. Darüber hinaus wird dem 18-Jährigen die Weiterverbreitung von IS-Propagandamaterial und Nashids – Propaganda- und Kampflieder für den gewaltsamen Dschihad gegen die sogenannten Ungläubigen – angekreidet.

Die Absicht des Attentäters, in Syrien für den IS zu kämpfen, hatte sich im Herbst 2018 zerschlagen, weil er in der Türkei von den Behörden aufgegriffen, inhaftiert und nach Wien zurückgeschickt wurde. Im April 2019 wurde er wegen terroristischer Vereinigung gemeinsam mit einem 22-Jährigen verurteilt. Jener hatte allerdings nicht versucht, an der Seite des Jüngeren nach Syrien zu gelangen. Vielmehr hatten die beiden noch davor geplant, sich als „Glaubenskrieger“ in Afghanistan zu betätigen, was ebenfalls scheiterte.

Die vorliegende Anklage gegen den 18-jährigen mutmaßlichen Islamisten ist bereits rechtswirksam. Konkreten Verhandlungstermin gibt es noch keinen. Dass der Mann zum Zeitpunkt des Anschlags nicht in U-Haft war, begründet eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft mit der Unbescholtenheit des 18-Jährigen und mit dem jugendlichen Alter. Zum Zeitpunkt der inkriminierten Tathandlungen war er 16 Jahre alt. Außerdem enthalte der Terror-Paragraph § 278b Abstufungen. Die Delikte, die man dem 18-Jährigen in der Anklage vorwerfe, seien eher im niederschwelligen Bereich angesiedelt.

Observation im Sommer abgebrochen

Im Zusammenhang mit den Ermittlungen um den Terroranschlag in der Innenstadt stellt sich immer drängender die Frage, weshalb im Sommer die Observation des späteren Attentäters abgebrochen wurde. Der Attentäter und sein Netzwerk wurden dabei rund um ein Dschihadistentreffen im Juli tagelang vom Verfassungsschutz observiert – bis der 20-Jährige in die Slowakei reiste.

Just zu dem Zeitpunkt, als sich der Attentäter am 21. Juli in der Slowakei Munition für sein Sturmgewehr kaufen wollte, stellte der Verfassungsschutz seine Observationen allerdings ein.

Gemeinsame Restaurantbesuche und Besichtigungen

Dabei hatten die Staatsschützer nach Informationen der APA detailliert beobachtet, wie der 20-Jährige und sein Wiener Bekanntenkreis vier islamistische Gesinnungsgenossen aus Deutschland und der Schweiz am Flughafen Schwechat abholten und in weiterer Folge den ausländischen Gästen ein Kennelernen der Bundeshauptstadt und – wie zu vermuten ist – der lokalen Islamistenszene ermöglichten.

Der spätere Attentäter und einige seiner Bekannten, die seit dem Wochenende wegen mutmaßlicher Mitwisserschaft bzw. Mittäterschaft am Blutbad in Wien in U-Haft sitzen, führten die Deutschen und Schweizer in unterschiedlicher Zusammensetzung zum Essen aus. Sie besuchten mit diesen Moscheen zum gemeinsamen Gebet und ließen sie in ihren Wohnungen übernachten. Auch einige Sehenswürdigkeiten der Stadt sollen sie den Besuchern gezeigt haben.

Warnung aus Deutschland

Der heimische Verfassungsschutz war von Kollegen aus Deutschland gewarnt worden, dass zwei mutmaßliche Dschihadisten auf dem Weg nach Wien waren. Weshalb der spätere Attentäter und sein engeres Umfeld nicht mehr überwacht wurden, nachdem die beiden Deutschen von ihrem Wien-Aufenthalt zurückgekehrt waren, ist weiter unklar.

Augenzeuge kehrt an den Ort des Anschlags zurück

Florian L. stand am 2. November in der Wiener Innenstadt unter Beschuss des islamistischen Attentäters und ist unversehrt davongekommen.

Noch vier Verletzte im Spital

Eine Woche nach dem Anschlag sind noch vier Verletzte im Spital. Vor dem Wochenende waren es noch fünf, inzwischen konnte eine Person entlassen werden, teilte eine Sprecherin des Wiener Gesundheitsverbunds mit. Von den vier stationär behandelten Patienten liegen zwei nach wie vor auf der Intensivstation, wobei ihr Zustand weiterhin als stabil beschrieben wird.