Blick auf die Stiege mit der Statue der Justitia im  Justizpalast, Sitz des Obersten Gerichtshofs und des Oberlandesgerichts Wien, am Donnerstag, 19. Oktober 2017.
APA/Georg Hochmuth
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Chronik

OGH lässt Terrorprozess wiederholen

Wegen eines Formfehlers hat der Oberste Gerichtshof (OGH) ein im Vorjahr gefälltes Urteil in einem Terrorprozess aufgehoben. Ein zu zehn Jahren Haft verurteilter Tschetschene muss erneut vor Gericht. Er soll für eine radikalislamische Gruppe gekämpft haben.

Der 32-Jährige soll von 2010 bis 2013 auf russischem Staatsgebiet als Mitglied der radikalislamistischen Terrorgruppe „Emirat Kaukasus“ gekämpft haben. Der Mann soll in seiner Heimat als Dschihadist gekämpft und sich an Feuergefechten mit russischen Soldaten beteiligt haben. Er hatte sich im Alter von 20 Jahren der Gruppierung des inzwischen verstorbenen Doku Umarow angeschlossen, der im Nordkaukasus einen Gottesstaat auf Grundlage der Scharia errichten wollte.

Mehr als 900 Terror-Anschläge auf russischem Staatsgebiet werden dem „Emirat Kaukasus“ zugeschrieben. Der 32-Jährige soll unter anderem in einen Angriff auf ein russisches Sonderbataillon an der tschetschenisch-inguschetischen Grenze involviert gewesen sein, bei dem vier Soldaten ums Leben kamen.

Asylantrag abgewiesen

Seinen Angaben zufolge geriet der Tschetschene im September 2013 in eine Sprengfalle. Ein in ein Mobiltelefon eingebauter Sprengsatz zerfetzte ihm die linke Hand und kostete ihn das Augenlicht. Verwandte brachten den Erblindeten in weiterer Folge nach Inguschetien, von wo er nach Österreich geschleppt wurde. Ende Juli 2017 suchte er um Asyl an. Der Antrag wurde erstinstanzlich abgewiesen.

Als der Verfassungsschutz von seiner Vergangenheit Wind bekam, wurde von der Staatsanwaltschaft Wien ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Ende Juli wurde der mittlerweile 32-Jährige am Landesgericht für Strafsachen wegen terroristischer Vereinigung und versuchten Mordes als terroristische Straftat schuldig erkannt.

Statt Fragen nur Überschriften verlesen

Sein Verteidiger Wolfgang Blaschitz legte dagegen Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung ein – und bekam post mortem Recht. Blaschitz war Anfang November tot in seinem Pkw vorgefunden worden. Er dürfte einem Herzinfarkt erlegen sein. Nach Ansicht des OGH hatte Blaschitz in seinem Rechtsmittel zutreffend aufgezeigt, dass in der Hauptverhandlung gegen die nichtigkeitsbewehrte Vorschrift des Paragrafen 340 Abs 2 StPO verstoßen worden war.

Der Obmann der Geschworenen hatte bei der Verlesung des Wahrspruchs die an die Geschworenen gerichteten Fragen nicht zur Gänze, sondern lediglich deren Überschriften verlesen. „Ein nachteiliger Einfluss dieser Formverletzung auf die Entscheidung kann nicht unzweifelhaft verneint werden, weil die Kontrollfunktion der Öffentlichkeit nicht unerheblich beeinträchtigt worden sein kann“, hielt der OGH in seiner Entscheidung (11 Os 95/20k) fest, die nun im RIS veröffentlicht wurde. Einen Termin für den zweiten Rechtsgang gibt es noch nicht.